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Kultur

Arbeit und Struktur und Überrschung

Der Literarische Herbst bietet auch in diesem Jahr vielseitiges Programm

  Arbeit und Struktur und Überrschung | Der Literarische Herbst bietet auch in diesem Jahr vielseitiges Programm  Foto: congerdesign/Pixabay

Diesmal konnten Jörn Dege, Nils Kahlefendt und Anja Kösler den Literarischen Herbst ohne Pandemie im Hinterkopf planen – was sich auch in der Fülle der Veranstaltungen bemerkbar macht. Kahlefendt, der hin und wieder auch für den kreuzer schreibt, erzählt: »Ich glaube, wir hatten letztes Jahr 56 Seiten Programmheft. Und dieses Jahr bin ich fast vom Stuhl gerutscht, als mich die Leipziger Druckerei Pöge anrief und meinte: ›Oh, 80 Seiten! Das könnte sogar mit der Bindung knapp werden!‹ Über diese Zunahme freuen wir uns sehr.«

Das Festivalteam setzt seit jeher auf vielfältige Kooperationen – seit 2022 auch mit der Universitätsbibliothek, um so interessante wie streitbare Sachbücher zu präsentieren. Susan Neiman wird in der Albertina mit ihrer Streitschrift »Links ist nicht woke« zu Gast sein. Eingeladen hatten Dege, Kahlefendt und Kösler die Autorin schon im Frühling; mittlerweile steht Neimans Buch auf der Sachbuch-Bestenliste von Deutschlandfunk Kultur, ZDF und Zeit – und das Leipziger Team freut sich darüber, dass es »quasi das Ohr schon an die Schiene gelegt hatte und nun tatsächlich der Zug kommt«.

Ein Gespür für Namen, Bücher, Orte und wie sie am besten zusammenpassen, gehört erfahrungsgemäß zur DNA des Festivals – genau wie ein Programm an verschiedenen Veranstaltungsorten der Stadt. Im Literaturhaus werden Angelika Klüssendorf mit ihrer Geschichtensammlung »Risse« (nominiert für den Deutschen Buchpreis) und Daniel Kehlmann mit seinem neuen Roman »Lichtspiel« zu Gast sein. Das bewährte Format »Lyrikhotel« versammelt an drei Tagen jeweils zwei Poetinnen und Poeten in der Nato, der Möbelkooperative Süd und der Alten Post Lindenau.

Apropos bewährte Formate: »Beste erste Bücher« lädt wieder ins Ost-Passage-Theater, um fünf vielversprechenden Debüts zu begegnen. Man wolle aber nicht nur Altbewährtes durchexerzieren, sondern auch neue Sachen angehen, die nicht alle erwartet haben. So ist diesmal der Abend für Wolfgang Herrndorf eher zufällig entstanden, als Kahlefendt von Tobias Rüthers neuer Herrndorf-Biografie las. Das Team versuche bei solchen Ideen immer, von der klassischen Wasserglas-Lesung wegzukommen und fürs Publikum interessante Konstellationen zu schaffen. Weswegen Rüther nun in Leipzig auf Robert Koall als Gesprächspartner trifft, der 2012 für den bereits schwer kranken Herrndorf den Preis der Leipziger Buchmesse entgegengenommen hat.

Von Wolfgang Herrndorf und seinem bahnbrechenden Jugendroman »Tschick«, den Robert Koall übrigens als Erster für die Theaterbühne adaptierte, ist es kein weiter Weg bis zu der Frage, was der Literarische Herbst fürs jüngere Publikum bereithält: Zusammen mit dem Theater der Jungen Welt entstand ein Programm »für Kinder, Familien, Jugendliche und junggebliebene Erwachsene«, der sogenannte Junge Herbst. Vor dem Hintergrund der aktuellen IGLU-Studie, die gezeigt hat, dass 25 Prozent aller Viertklässler nicht das Mindestniveau beim Textverständnis erreichen, wolle man jungen Menschen einen attraktiven Zugang zur Literatur bieten – zum Beispiel über die direkte Begegnung mit Autorinnen, Illustratoren, Musikerinnen. Das Programm umfasst unter anderem kostenlose Lesungen für Schulklassen, ein Theaterstück und einen Illustrationsworkshop. Der Großteil des Jungen Herbstes steht aber allen offen, wie zum Beispiel die Veranstaltung »89 goes Pop – Den Umbruch erzählen« mit anschließendem Konzert von Nichtseattle.

Für die Erweiterung des Programms um diesen jungen Teil stand dem Organisationsteam kein zusätzliches Budget zur Verfügung. Man werde sehen, wie und ob das in Zukunft ermöglicht werden könne: »Es wäre ja blöd, wenn wir den bisher bewährten Herbst schrumpfen müssten, um den Jungen Herbst aufrechtzuerhalten. Dieses Jahr haben wir alles unterbekommen, aber es wäre schön, wenn da mehr Unterstützung käme. Es ist natürlich aktuell schwierig, Forderungen zu stellen. Insofern zeigen wir erst mal, was möglich ist – und hoffen, dass die Kulturpolitik das Potenzial erkennt.«

Es ist ein selbstbewusstes, enthusiastisches und auch zukunftsorientiertes Programm, mit dem sich der Literarische Herbst in diesem Jahr präsentiert. Große Namen treffen Neuentdeckungen, hinter Altbewährtem warten Überraschungen. Man darf gespannt sein und jetzt schon mal die ersten Termine im Kalender anstreichen. 

> 23.–29.10., verschiedene Orte, www-literarischer-herbst.com

 

Hinweis: im gedruckten Heft wird in diesem Artikel noch auf die Geburtstagsfeier der Literaturzeitschrift Edit hingewiesen. Weil auch die Publizistin Alice Schwarzer zum Programm des Literarischen Herbstes zählt, haben unter anderem die Verantwortlichen der Edit ihre Veranstaltungen aus dem Programm nehmen lassen. Hintergründe zu der Entscheidung gibt es hier.


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