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Blinde Stellen

»Genozid an Palästinensern«: Migrantenbeirat-Chef Mohamed Okasha bereut das Datum der Äußerung. Das reicht nicht. Ein Kommentar

  Blinde Stellen | »Genozid an Palästinensern«: Migrantenbeirat-Chef Mohamed Okasha bereut das Datum der Äußerung. Das reicht nicht. Ein Kommentar  Foto: Stadt Leipzig

Eine Entschuldigung sieht anders aus. »Mohamed Okasha entschuldigt sich, mit dem Teilen eines Instagram-Posts das Wort ›Genozid‹ zu einem unangebrachten Zeitpunkt verwendet zu haben«, heißt es in einer am Montagabend versendeten Stellungnahme, die dem kreuzer vorliegt. Darin nehmen die Co-Vorsitzenden des Leipziger Migrantinnen- und Migrantenbeirats Mohamed Okasha und Francesca Russo Bezug zu Okashas Äußerungen der vergangenen Woche. Demnach bedauert dieser, am 9. November Israel des Genozids bezichtigt zu haben – mehr nicht. Auch sein im Nachgang unterbreitetes Bild der Nahost-Historie ist bedenklich.

Nachdem bereits Grünen-Stadträtin und Beiratsmitglied Nuria Silvestre Israel des Genozids beschuldigt hatte, äußerte sich der Beirats-Vorsitzende Okasha auf inakzeptable Weise. Zunächst teilte er am 9. November auf Instagram einen Beitrag, der den Holocaust mit anderen (Kriegs-)Handlungen der USA verglich oder gleichsetzte und zudem Israel des »Genozids« an den Palästinensern bezichtigte. Auf LVZ-Anfrage rechtfertigte er das mit Hinweis auf »die weißen Männer in der Welt«, die hinter den Taten steckten und die jetzt Israel unterstützen würden. Das kann bloß Ausdruck einer bis zur Unkenntlichkeit verkürzten postkolonialen Theorie zu verstehen sein, wenn es keine Holocaust-Relativierung sein soll. Zwar nennt Okascha die Shoa das schlimmste Verbrechen und verneint, Antisemit zu sein, aber weder für den Inhalt auf Instagram noch diese Äußerung entschuldigt er sich. Er bedauert nur das Datum seines Posts, das der Reichspogromnacht vor 85 Jahren. Doch damit nicht genug, zeichnet Okasha zudem ein schiefes Geschichtsbild, was den Nah-Ost-Konflikt angeht.

Schiefes Geschichtsbild von Okasha

So fordert Okasha in der LVZ eine »neue Erinnerungskultur«. Zwar müsse die Shoa Bezugspunkt deutscher Erinnerungskultur sein, sagt der in Ägypten Geborene. Man solle aber auch den Erfahrungshorizont der »neuen Deutschen« bedenken, etwa jener arabischer Herkunft. »Die Juden sind zu uns geflohen, als sie in Europa verfolgt wurden. Wir haben nebeneinander gelebt.« »Doch mit dem Sechstagekrieg sei Israel 1967 zu einer Kolonialmacht geworden«, gibt ihn die LVZ mit indirektem Zitat wieder. Ob diese Aussage eine Verdrehung oder Verkürzung ist und auch, ob er sich insgesamt richtig wiedergegeben fühlt im entsprechenden Artikel, ließ Okasha auf kreuzer-Anfrage unbeantwortet.

Damit muss unterstellt werden, dass der Vorsitzende des Migrantinnen- und Migrantenbeirats nicht weiß oder sogar leugnet, dass Juden im Gebiet des heutigen Israel seit 3.000 Jahren siedeln. Zudem stammt die Hälfte der nach 1948 nach Israel gezogenen Juden nicht aus Europa, sondern aus arabischen Ländern, wo sie größtenteils vertrieben wurden. Ob man mit einem solchen Geschichtsbild die komplexe Lage im Nahen Osten beurteilen und einordnen kann, muss infrage gestellt werden.

Wenn sich Mohamed Okasha nun in einem gemeinsam mit der Beirätin Francesca Russo verfassten Text entschuldigt, ist das löblich. Und es ist ihre Rolle, Lobbyarbeit zu leisten und darauf hinzuweisen, dass auch zugewanderte Stimmen gehört werden müssen – wie sie es in der Stellungnahme tun. Darin weisen sie zu Recht auf antimuslimische Ressentiments als Problem hin. Allerdings klingt hier eine Diskriminierungskonkurrenz an, wenn das Schreiben eigentlich Okashas Äußerungen betreffen soll. Auch darum reicht es als Entschuldigung nicht aus. Mit Rücktrittsforderungen, wie sie jetzt von der Leipziger CDU kommen, sollte man sich aber zurückhalten, sondern besser das Gespräch suchen. Immerhin soll der beratende Beirat ja Brücken bauen. Und wenn dessen Vorsitzender, der 2024 auch bei der Kommunalwahl für die Linkspartei antritt, blinde Flecken im Geschichtsverständnis zeigt, muss man sich darüber verständigen. Mit ihm im Stadtrat und vor allem innerhalb des Beirats. Konsequenzen aus der Nonpology können dann immer noch gezogen werden.


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3 Kommentar(e)

Vecic 15.11.2023 | um 17:30 Uhr

Ich stimme hier nicht zu. Es ist ganz besonders schlimm, dass Herr Okasha aus seiner Position heraus, geschichtliche Fakten so verdreht und für Anti-Israel-Propaganda nutzt. Er hat eine besondere Position - nämlich das Brückenbauen. Unter den genannten Gründen ist das zu jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in der Stadt nicht möglich. Wie fühlt man sich als jüdischer Migrant, wenn der Vorsitzende des Migrantenbeirats solch eine Stimmungsmache verbreitet und seine "Entschuldigung" seine verdrehte Weltanschauung auch noch begründen soll. Es ist widerlich! Und zur Info, weil 2024 der Stadtrat gewählt wird: Ich habe mir am 15.11.23 die Leipzier Stadtratssitzung angetan und war entsetzt! Die Grünen konnten weder klare Worte gegen Antisemitismus finden (der durch Nuria Silvestre ja scheinbar auch in der Partei verhaftet ist) noch konnte Herr Dorn in irgendeiner Weise klar argumentieren. Erschreckend. Die Linke will Okasha nach seinen Äußerungen sogar noch als Kandidaten zur Stadtratssitzung aufstellen. Ich bin entsetzt und enttäuscht von diesem Stadtrat und werde für die Wahl im nächsten Jahr meine Konsequenzen ziehen... ich bin mir sicher, viele andere werden es mir gleichtun.

Elia 05.12.2023 | um 21:41 Uhr

Pfarrer Dohrn beruft sich wahrscheinlich auf göttliche Eingebung bei seiner Einschätzung, ob jemand antisemitisch tickt. Typische kirchliche Überheblichkeit. Doch Gott sei Dank :) ist Nuria Silvestre (Migrantenbeirat) nun nicht mehr bei den GRÜNEN. Wenigstens eine klare Konsequenz. (LVZ vom 1.12.) Und Sachsen-Anhalt fordert nun von Migranten per Gesetz ein klares Bekenntnis zu Israel, sonst keine Einbürgerung. Wäre in Sachsen auch ganz wichtig. Der Migrantenbeirat von Leipzig schweigt gaaaanz laut zu Okasha und Silvestre. Also wissen wir, was von ihm zu halten ist. Shame on you! Okasha muss abgewählt werden! Dieser Mann gehört nicht in diese Position. Er kann dann gern weiterhin mit Pfarrer Dohrn im Seelsorge-Gespräch bleiben.

Jana 06.03.2024 | um 18:39 Uhr

Israel ist ein Apartheidstaat, der systematisch die Palästinenser entmenschlicht und völkerrechtswidrig okkupiert. Dazu geben Ex IDF Soldaten von Breaking the Silence auf ihrer Webseite Auskunft. Selbst israelische Historiker und der Internationale Gerichtshof sehen genozidale Züge im israelischen Vorgehen. Hunger als Waffe, Kollektivschuld und -bestrafung, Flächenbombardement, zwangsweise Vertreibung...was braucht es in Deutschland denn noch, um das auch anzuerkennen? Kommt mal raus aus eurer deutschen Schuldblase und schaut über den Tellerrand bzw. in ausländische Presse. Ich empfehle Democracy Now sowie die Doku Israelism.