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Kämpfen für und gegen Windmühlen

Das SPD-geführte Wirtschaftsministerium von Martin Dulig feiert Investitionen, die trotzdem zu wenig sein könnten

  Kämpfen für und gegen Windmühlen | Das SPD-geführte Wirtschaftsministerium von Martin Dulig feiert Investitionen, die trotzdem zu wenig sein könnten  Foto: Martin Dulig/Copyright: SMWA/Ronald Bonss

»Wir sind drei verschiedene Parteien in dieser Koalition, so dass es nicht ausbleibt, dass es Diskussionen und Konflikte um einzelne Punkte gibt«, schreibt das Wirtschaftsministerium (SMWA) auf kreuzer-Anfrage. Die Zusammenarbeit in der Koalition habe grundsätzlich gut funktioniert. Die Folgen von Corona und dem russischen Angriffskrieg seien für die sächsischen Unternehmen erfolgreich abgefedert worden, nie hätten in Sachsen mehr Menschen gearbeitet – 300.000 mehr als vor 15 Jahren. »Leider kommen diese Erfolge heute nicht zur Geltung, auch weil sich der Ministerpräsident entschieden hat, eher die Lage schlechtzureden, als die Erfolge zu feiern.« – Da kommt sie noch, die Spitze gegen Michael Kretschmer.

Der Frust bei Martin Dulig (SPD) dürfte groß sein, nachdem die CDU seinem Entwurf eines überarbeiteten Vergabegesetzes, das seit Jahren bei ihm auf dem Tisch liegt, erneut schon vor der Aussprache im Landtag medial eine Absage erteilt hat. »Gegen das Votum der Wirtschaft werden wir kein Gesetz machen. Wenn die Wirtschaft nein sagt, heißt das auch nein«, sagte Kretschmer auf dem Neujahrsempfang der mitteldeutschen Wirtschaft in Leipzig. Das Vergabegesetz ist ein Kernanliegen von SPD und Grünen, mit dem die Vergabe von öffentlichen Aufträgen künftig an soziale und ökologische Standards statt den niedrigsten Preis geknüpft werden soll.

Damit will das SMWA einen Schritt in Richtung weiterer Angleichung der Löhne in Ost- und Westdeutschland gehen, indem Unternehmen, die öffentliche Aufträge umsetzen, Mitarbeitenden Tariflöhne zahlen müssen. Momentan erhält nur jeder und jede Zweite in Sachsen Lohn nach Tarif. Arbeit in Sachsen attraktiver zu machen, wird ohnehin in den nächsten Jahren entscheidend sein: Bis 2030 wird die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter in Sachsen um 150.000 zurückgehen. Abhilfe schaffen soll ein Maßnahmenplan zur Gewinnung internationaler Fachkräfte. Dass sich für dessen Erfolg auch etwas an der Grundstimmung in Sachsen ändern müsse, betonte Dulig jüngst im Landtag: Der Rechtsextremismus bedrohe die Zukunftsfähigkeit des Freistaats.

Grundsätzlich ist man im SMWA positiv gestimmt, seit der Expertenrat Wirtschaft dem Freistaat im Januar bescheinigt hat, gute Chancen zu haben, eine zweite Transformation nach 1989 positiv zu gestalten. Mit fünf Milliarden Euro will das SMWA dafür sorgen, dass bis 2030 alle Haushalte und Unternehmen ans Glasfasernetz angeschlossen sind. Insgesamt 30 Milliarden Euro sollen in den nächsten Jahren in die sächsische Wirtschaft investiert werden. Aber reicht das?

Laut Expertenrat hat Sachsen großen Nachholbedarf beim Ausbau von »Strom-, Wasserstoff- oder Breitbandnetzen, der vom Ausbau der erneuerbaren Energien und der Digitalisierung der Verwaltung begleitet wird«. Insbesondere der schleppende Ausbau der erneuerbaren Energien stört das Ministerium: »Das gefährdet mittlerweile den Standort.« Viele Unternehmen würden in andere Bundesländer im Osten gehen, weil der Ausbau von erneuerbaren Energien dort schneller voranschreite. Steht die Schuldenbremse hier im Weg? »Es wäre fahrlässig, jetzt in diesen Zeiten zu sparen.« Doch die sächsische CDU zeigt sich nicht gewillt, an der Schuldenbremse etwas zu ändern. Kretschmer verglich die Wirtschaftspolitik der Ampelkoalition im Bund zuletzt mit der der DDR: »Es gab eine desaströse Wirtschaftspolitik, die Folgen wurden mit Schulden kaschiert und dann war der Staat pleite.« Im SMWA findet man deutliche Worte für diese Aussage: »Wer jetzt die notwendigen Investitionen mit der DDR vergleicht, hat nicht begriffen, was uns für Aufgaben in Sachsen bevorstehen.«

Ein Leuchtturm der zurückliegenden Legislatur war die Ansiedlung des weltgrößten Chipherstellers TSMC in Dresden, durch den Sachsen laut Wirtschaftsministerium zum fünftgrößten Halbleiterstandort weltweit wird. Das Gegenbeispiel liefert der Solarmodulhersteller Meyer Burger: 2021 in Freiberg angetreten, die sächsische Solarindustrie wiederzubeleben, steht das Werk aufgrund der Subventionspolitik Chinas und der USA nun vor dem Aus – auch weil Bundeshilfen fehlen. Eine endgültige Entscheidung über die Zukunft des Werks soll noch im Februar fallen, nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe.

Grundsätzlich will Sachsen sein Image als »verlängerte Werkbank« endgültig ablegen, also nicht nur Produktions-, sondern auch Forschungsstandort sein. Nico Brünler, Sprecher der Linksfraktion für Wirtschaftspolitik, gehen die Bestrebungen der Staatsregierung dahingehend aber nicht weit genug: »Wo ist die Verpflichtung für Großkonzerne, bei Ansiedlungen die Forschung und Entwicklung für die hier hergestellten Produkte auch an sächsischen Standorten zu betreiben? Wo ist der ständige Fonds, der die Innovationskraft kleiner und mittlerer Unternehmen mit Zuschüssen erhöht, die im Erfolgsfall zurückfließen?«, fragt er.

Ehrgeizig waren die Ziele in der Mobilität. Bis 2030 sollte der Anteil der zurückgelegten Wege des ÖPNV verdoppelt werden. Angesichts der Haushaltssituation von Land und Kommunen gehe es laut Dulig aktuell jedoch erst mal darum, die bestehenden Angebote zu sichern. Das 2021 wie geplant eingeführte Bildungsticket fördert der Freistaat jährlich mit 50 Millionen Euro, Kinder und Jugendliche können damit für monatlich 15 Euro den Nahverkehr nutzen – auch wenn das Tarifzonenchaos die Nutzung teilweise erschwert.


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