»Was also bleibt vor lauter Hilflosigkeit?«, fragt Bert Sander. Die Resignation angesichts des Ausbaus des Flughafen Leipzig/Halle ist dem Grünen-Stadtrat ins Gesicht geschrieben. Verschiedene Anläufe versandeten im Stadtrat bereits, die Entscheidungshoheit bleibt beim Freistaat und dessen Haltung ist klar: Wachstum. Im Kampf gegen den Ausbau des Flughafens wollen Teile des Stadtrats nach dem nächsten Strohhalm greifen: Eine Lärmschutzgemeinschaft soll her. Was diese genau machen würde, steht in den Sternen, unter denen die DHL-Frachtflugzeuge hinwegrauschen.
Die Verwaltung lehnt den Antrag als nachteilig für die Stadt allerdings schon ab, bevor eine Vereinssatzung existiert. Als Aktionär am Flughafen – die Stadt hält Anteile in Höhe von 2,1 Prozent – könnte der Einsatz gegen den Flughafenausbau »treuewidrig« sein. Weil der Ursprungsantrag der Grünen rechtliche Fragen offen lässt, übernimmt die Fraktion den gemeinsamen Änderungsantrag von Michael Neuhaus (Linke) und Andreas Geisler (SPD).
Neuhaus beginnt mit einer Gedichtinterpretation, die ihm in der Oberstufe wohl als zu weit hergeholt rot angestrichen worden wäre. Reinhard Meys Klassiker »Über den Wolken« als Kampflied gegen den Flugverkehr: »Oben am Himmel die unternehmerische Freiheit und unter den Wolken die Ängste und Sorgen der Betroffenen, für die sich leider niemand interessiert.« Weil bisher keine wirksame Maßnahme gegen Fluglärm beschlossen worden sei, sei es an der Zeit, »dass sich die Gegner von Fluglärm zusammentun und einen Verein gründen, der parteiisch auf der Seite der Fluglärmgegner steht.« Dass die Verwaltung den Vorstoß prinzipiell ablehnt, trifft bei Neuhaus auf Unverständnis. Vielleicht würde es sich bei der Gemeinschaft ja bloß um eine »Emorunde« handeln, in der Betroffene bei Kaffee und Kuchen ihr Auftreten gegenüber dem Freistaat koordinierten.
Die »reflexartige Reaktion« der Verwaltung sei ihm komisch vorgekommen, sagt Geisler. Deshalb soll die Stadt ein Gutachten erstellen, zur rechtlichen Zulässigkeit ihrer Mitgliedschaft in einer Lärmschutzgemeinschaft. Werden dabei keine Unzulässigkeiten festgestellt, soll die Verwaltung eine Vorlage zur Gründung einer Lärmschutzgemeinschaft vorlegen.
Zwar unterstütze sie das Anliegen grundsätzlich, sagt Franziska Riekewald (Linke), die rechtlichen Bedenken der Stadt trage sie jedoch mit. Den Antragstellern wirft sie zudem Paternalismus vor: »Wir sind hier nicht der Oberlehrer für die Umlandgemeinden und wir müssen einfach auch feststellen, dass wir als Leipzig offensichtlich die einzigen sind, die ein Problem haben mit dem Flughafen in dem Ausmaß.«
Für Sven Morlok (Freibeuter) seien die rechtlichen Probleme deutlich geworden, »insbesondere im Redebeitrag des Kollegen Neuhaus, weil er nämlich gefordert hat, man soll parteiisch gegen den Flughafen sein.« Morlok verlangt ein klares Bekenntnis zum Flughafen – alternativ sollten die Antragsteller ehrlich sein: »Wenn man den Flughafen nicht mehr hätte, wenn man das Nachtflugverbot schafft, dann hat man eben kein DHL mehr am Standort, dann fallen Arbeitsplätze weg, dann hat das auch Konsequenzen für die Autoindustrie.«
Es gehe nicht um die Schließung des Flughafens, kontert Geisler, »sondern im Zweifel darum, die Erweiterung, die im Moment bodenlos erscheint und die DHL mit Festschreiben ihrer Dumpingpreise für 25 Jahre noch mehr befeuert, etwas entgegenzusetzen.«
Punkt eins des Neuhaus-Geisler-Antrags, das Rechtsgutachten, wird mit 29 zu 27 zu 1 beschlossen. »Wir sind dagegen!«, versucht Riekewald ihre Fraktion bei der Abstimmung über Punkt zwei auf Linie zu bringen. Und obwohl die Hälfte ihrer Fraktion dennoch dafür stimmt, wird die Verwaltung zunächst keine Vorlage zur Gründung einer Lärmschutzgemeinschaft erstellen: Nur 22 Stadträtinnen und -räte sind dafür, 34 lehnen das ab.