Sie fordern den Austritt Leipzigs aus Sachsen (Lexit) und ein Recht auf offiziellen Mittagsschlaf im Rathaus. Manchen ist das ein müdes Lächeln wert, andere – wie Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning (SPD) – werden bei Letzterem eher zornig. Einig sind sich die meisten darin, dass sie die Vorschläge nicht ernst nehmen müssen – kommen sie doch von der PARTEI. Die 2004 von Martin Sonneborn gegründete Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative zog bei der letzten Leipziger Stadtratswahl mit Thomas Kumbernuß und Marcus Weiss in den Leipziger Stadtrat ein. Letzterer verließ die Partei schon 2021 – wegen zu wenig Unterstützung der restlichen Mitglieder, begründete er damals, während seine Partei in einer Pressemitteilung verkündete, dass einer, der »echte Politik« machen wolle, sowieso nicht zu gebrauchen sei.
Dass es wohl nicht darum ging, zeigt jedoch Kumbernuß, der immer noch da ist und mit Anträgen wie dem auf offiziellen Mittagsschlaf in der Stadtverwaltung für Furore sorgt. Warum, darüber scheint er sich selbst zu wundern und auch ein bisschen zu ärgern: »Der Antrag war keine Satire. Ich habe alle Vertreterinnen der demokratischen Parteien eingeladen, sich mit mir zusammenzusetzen und darüber zu sprechen. Es hat sich keine einzige Person bei mir gemeldet.« Hintergrund seien überarbeitete Angestellte, denen er damit eine Auszeit ermöglichen wollte. Wenigstens als Pilotprojekt, um die wissenschaftlich belegten Vorzüge eines Mittagsschlafs in Leipzig zu testen.
Überhaupt erscheint Kumbernuß erstaunlich ernst für den Vertreter einer Satirepartei, die gerne Alkohol in ihren Wahlslogans unterbringt. Angesprochen auf das diesjährige Wahlprogramm, winkt er erst ab: Das interessiere doch niemanden. Nur um dann doch sehr konkret loszulegen: Der Lexit stehe weiterhin ganz oben auf der Agenda, aber auch eine verbesserte Jugend- und Sozialpolitik, die Stärkung der Freien Szene, die Frage nach bezahlbarem Wohnraum. Ebenso will er darüber sprechen, wie man Menschen, die zum Beispiel in Bauwägen leben, ein sicheres Zuhause gewährleisten könne. Er möchte die Autos aus der Innenstadt verbannen, im Gegenzug den ÖPNV stärken und sichere Fahrradwege schaffen. Kumbernuß wünscht sich außerdem eine konstruktive Auseinandersetzung mit den städtischen Eigenbetrieben: »Wir sollten uns in Leipzig endlich mal Gedanken darüber machen, wie wir mit Antisemitismus und Antijudaismus umgehen. Wagner ist immer noch unangreifbar.« Kumbernuß wird leidenschaftlich bei dem Thema.
»Mh, das klingt ganz schön seriös«, sagt er dann kurz nachdenklich, obwohl er mit dem erneuten Einzug in den Stadtrat doch mehr Spaß und Freude in die Politik bringen will. Nach einer kurzen Pause holt er dann trotzdem noch mal aus: Das Stadion dürfe nicht erweitert werden. Überhaupt sei das keine Fußballkultur, die dort samstags gelebt werde. Ebenso wenig wie bei der anstehenden Europameisterschaft. »Die Stadt Leipzig versucht alles, um intransparenten Organisationen wie der UEFA, der FIFA oder dem IOC hinten reinzukriechen. Das ist für mich unbegreiflich.«
Alles sehr konkret. Und vor allem keine Quatsch-Ziele. Die PARTEI sei auch keine Spaß-Partei, wie Kumbernuß noch einmal betont: »Satire hat ja immer einen ernsten Hintergrund, sonst wäre es Comedy.« Nur mit Satire sei es in Deutschland noch möglich, die Menschen aufzuklären. Der Lexit ist so ein Beispiel. Mit »Leipzig raus aus Sachsen« trat die PARTEI schon bei der letzten Wahl an. Was sich manche vielleicht heimlich wünschen, findet Kumbernuß gar nicht so abwegig: »Leipzig hat mehr mit Halle gemein als mit Dresden. Die beiden Städte werden in den nächsten Jahren sowieso zusammenwachsen. Ich kenne Leute, die sitzen wegen der anstehenden Landtagswahl quasi auf gepackten Koffern. Wollen wir uns denn von einer CDU-AfD-Regierung in Dresden sagen lassen, wie wir in Leipzig leben sollen? Da ergibt es doch vielleicht mehr Sinn für die beiden Städte, als Stadtstaat weiter voranzugehen.« Für Kumbernuß ist offensichtlich, warum solche Anträge nicht ernst genommen werden: »Wir nehmen doch allen die progressiven Inhalte weg, deshalb wollen sie sich nicht mit uns auseinandersetzen.«
Nach vier Jahren trat Kumbernuß im letzten Jahr überraschend aus der Linksfraktion aus. Via Facebook erklärte er damals, dass er und die Linke sich »auseinandergelebt« hätten. Grund sei zum einen die Verharmlosung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine durch Teile der Fraktion gewesen, zum anderen hätten Machtspielchen und Strömungskämpfe immer mehr die konstruktive Arbeit erschwert. »Seitdem geht es mir mental viel besser«, zieht er nach einem Jahr Bilanz. Mit dem Austritt verlor Kumbernuß allerdings auch seine Sitze im Kultur- und im Bauausschuss. Zu den Sitzungen geht er jedoch weiterhin, um informiert zu bleiben. Für die Stadtratswahlen wünscht er sich, mit der PARTEI in Fraktionsstärke einzuziehen: »Wenn ich unsere Chancen ehrlich einschätzen müsste, würden die anderen Angst bekommen«, sagt Kumbernuß. »Ist es nicht bezeichnend, dass Leipzigerinnen zu mir kommen, wenn sie ernste Probleme haben?« Bei einer erneuten Wiederwahl verspricht er radikalfeministische und radikalemanzipatorische Inhalte: »Wir werden lustig sein, aber wir werden nicht mehr allzu lustige Sachen machen.«
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