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Ausflug & Reise

Anhalten, um innezuhalten 

Auf dem Weg zum See lohnt der Stopp im lauschig-ostigen Agra-Park

  Anhalten, um innezuhalten  | Auf dem Weg zum See lohnt der Stopp im lauschig-ostigen Agra-Park  Foto: Ansgar Koreng

»Sieh, das Gute liegt so nah.« – Viele Leipzigerinnen und Leipziger kennen seinen Namen, gezielt besucht haben sie den Agra-Park aber noch nie. Vielleicht hat man die abgeranzten Messe-Hallen beim WGT oder beim Flohmarktbesuch mal mit Blicken gestreift. Oder man hat sich über dieses merkwürdige Rotunden-Gebäude gewundert, als man an der Pleiße entlangradelte. Zu sehen gibt es im Agra-Park genügend, weshalb er durchaus ein alleiniges Ausflugsziel bildet. Und weil Goethe schon mal in der Gegend war, rechtfertigt sich der obige Texteinstieg mit seinen Worten. 

Konsulsitz und Traktorschau: Der Name Agra-Park verrät die Verbindung zur Landwirtschaft. Zunächst allerdings entstand hier ein Ort der stadtnahen Landfrische. Das vermögende Bürgertum zog an die Peripherie, um die Luft ohne die Abgase aus der Produktion und den Kohleöfen Leipzigs zu genießen. Im Gebiet des späteren Markkleeberg-West erwarb Konsul Paul Herfurth um 1890 ein großes Grundstück und ließ einen Sommersitz aus drei Gebäuden errichten. Im Ensemblezentrum des Villengartens stand das neoklassizistische sogenannte Weiße Haus, das mit seiner beeindruckenden Front und freistehender Säulenordnung das Lustschloss Petit Trianon in Versailles zitiert. 

Das ist ein guter Ort, um den Parkspaziergang zu starten. Am besten radelt man einfach hinter der Brücke am Conne Island scharf links abbiegend die Pleiße entlang. Nach einigen idyllischen Kilometern mit hoher Chance auf eine Reiher-Sichtung eröffnet sich zur Rechten nach von Efeu bewuchertem Baumbestand der Park. Das hier so deplatziert wirkende Halbrund-Gebäude mit viel Glas wurde mal als Landwirtschaftsmuseum eröffnet und fungierte dann als Chinese-Arts-Zentrum mit einer Terrakotta-Krieger-Schau, um die es Debatten gab, wie original die Figuren waren. Vor elf Jahren zog das Deutsche Fotomuseum aus Mölkau hierher. Den Bau passierend, ist man in einer Radminute am Weißen Haus. Zu Fuß kann man den Westteil der Anlage erkunden und dann wieder aufs Rad steigen. Denn der Park, der sich auf den Gebieten von Leipzig und Markkleeberg erstreckt, ist durch die B2 zweigeteilt. Die Tieferlegung der Schnellstraße als Tunnelvariante ist bisher nur politische Absichtserklärung geblieben. 

Vom etwas erhöht liegenden Weißen Haus hat man eine gute Übersicht auf diesen Parkteil und kann die Sichtachsen nachverfolgen. Über den Rundweg lässt sich die Anlage erschließen, die einen seltsamen Charme versprüht. Die Teiche und der ionisch-orientierte Musentempel auf einer Halbinsel erinnern ans Bemühen, eine antike Idylle zu inszenieren. Eine Landschaft, die perfekt ist für den Earl of Sandwich und sein Picknick-Gefolge – die selbstverständlich ihren Müll wieder mitnehmen. 

Aber auch Teile späterer Gestaltung sind deutlich erkennbar und konservieren einen ostigen Charme, der in Leipzig selten geworden ist. Die angerostete Metallbrücke mit weiß-brüchigem Lack ist solch ein typisches Detail, die sechseckigen Blumenbeet-Einfriedungen mit gelben und violetten Stiefmütterchen ebenso wie einige Nadelgehölze. Und die sozialistischen Plastiken sowieso. Ein Bronzerelief zeigt Thomas Müntzer im Bauernkrieg: Mit Bezug auf ihn und einen jahrhundertealten angeblichen Frühsozialismus rechtfertigte die DDR ihren Status als Arbeiter-und-Bauern-Staat. Die Figurengruppe »Klasse der Genossenschaftsbauern« zeigt LPG-Bauern im Gespräch über den richtigen Klassenstandpunkt. Ein Glück, dass die aus der Zeit gefallenen Objekte als Erinnerungsstücke keinem Bildersturm zum Opfer fielen. 

Anschließend lässt sich der ausgedehntere Parkteil mit seinen vielen Wiesen erkunden, der sich östlich des Trassenkorridors aus Beton befindet. Ob die an ein Schloss erinnernde Parkgaststätte aus den Fünfzigern wieder öffnet, war noch nicht zu erfahren – für private Feiern ist sie mietbar. Der Lärm der Schnellstraße ist hier kaum zu überhören. 

Geschützt schmausen kann man Mitgebrachtes im auf antik gemachten Antentempel mit Teichaussicht. Die Wege führen an einigen ostigen Gebäuden bis zum Torhaus Dölitz weiter und zum Messegelände, das menschenleer seinen eigenen Reiz entfaltet. Das insgesamt sehr abwechslungsreiche Areal bietet Gelegenheiten für weitere Entdeckungen. Ob man den Agra-Park als eigenes Ziel ansteuert oder auf den Touren zum See hier immer mal wieder Zwischenstopps einlegt, ist dafür unerheblich. 


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