anzeige
anzeige

Postkarten aus Prag

von Martina Lisa

  Postkarten aus Prag | von Martina Lisa  Foto: The National Library of Israel

1: Alle suchen Kafka hier, fast alle. Manche zwischen den Zeilen, manche unter den Fassaden, in den Straßen und Gassen, wo sie noch eine Spur, einen Hauch zu finden hoffen. Sie setzen sich ins Kafka Hummus Café, kaufen Taschen, T-Shirts und Kühlschrankmagneten, warten mit gezückten Kameras, bis sich hinter einem Einkaufszentrum ein riesiger Alukopf dreht. Sie suchen sein Grab auf oder das Café Arco, wo heute ein Selbstbedienungsrestaurant ist, und da sitzen sie dann, am Tisch mit der enttäuschten, erschöpften Sucherei bei Pommes und überbackenem Käse und das spült auch kein böhmisches Bier mehr weg. Doch Kafka lebt! Natürlich. Und wo sonst als in der Prager Metro. Es gibt da eine Station, die den meisten Suchenden entgehen mag: Ládví. Unscheinbar, fast am Ende der Welt, auf jeden Fall weit von jener von damals entfernt, umgeben von Beton und Platten. Aber genau dort, dort lässt er sich hier und da blicken, stets in Schwarz gekleidet, will er unter keinen Umständen die Tiefen der Halle verlassen. Er, der sehr gut Tschechisch verstand, wusste sehr wohl, dass er ein Vogel war. Ein krächzendes Lachen und eine verlorene schwarze Feder am Boden, mehr nicht. Kavka heißt Dohle und fürchtet das Tageslicht.
 


Kommentieren


0 Kommentar(e)