Eine einzige Baumreihe trennt das Großfeld des Knautkleeberger SC vom Rapsfeld nebenan. Ein kleiner Schotterplatz und das DDR-Funktionsgebäude mit Gaststätte komplettieren den Dorfplatz-Charme. Anfang der Neunziger fängt Christine Weigelt hier, am Leipziger Stadtrand, mit dem Fußballspielen an. »Eine Freundin ist zum Fußball gefahren und hat mich auf der Straße aufgesammelt und mitgenommen – und dann bin ich dabeigeblieben«, erinnert sich Weigelt und blickt dabei im Hotelzimmer an der Ostsee in die Kamera ihres Laptops. Die Verbindung stockt immer mal wieder, als sie die letzten 20 Jahre als DFB-Schiedsrichterin rekapituliert. Nach zwei DFB-Pokalfinals als vierte Offizielle, Länder- und Bundesligaspielen tritt Sachsens beste Schiedsrichterin diesen Sommer von der großen Bühne ab.
Beim KSC 1864 spielt Weigelt, bis sie zwölf ist, dann gibt es keine gemischten Teams mehr und Mitte der Neunziger auch keine reinen Mädchenmannschaften. »Und dann war es der Aushang im Vereinsheim«, der Weigelt an die Pfeife brachte. Und das funkte sofort. »Ich bin wirklich immer gern gerannt«, sagt Weigelt lachend. Die Ansetzungen für ihre ersten Spiele bekommt Weigelt damals noch per Postkarte.
Förderkader, Auswahlturniere, Lehrgänge – die Sozialarbeiterin drängt auf ihren weiteren Aufstieg und pfeift ab 2007 in der 2. Bundesliga der Frauen. In die Bundesliga wird sie lange nicht berufen, ein Kreuzbandriss wirft sie sogar zurück in die Regionalliga. Nach einem Wechsel ins Unparteiischen-Team von RB Leipzig kämpft sie sich zurück und kommt 2016 in der Frauen-Bundesliga an. Ihre Wochen sind jetzt noch stressiger. 20 Stunden arbeitet Weigelt als Erzieherin in einem Leipziger Hort, vor oder nach der Arbeit analysiert sie die Videoszenen ihrer Spiele, dreht sie ihre Laufrunden, häufig auf der städtischen Sportanlage in Lößnig. Seit Kurzem rennt dann auch ihr zweijähriger Sohn mit, der ein ausschlaggebender Grund dafür ist, dass Weigelt ab sofort kürzertritt.
Denn vom Profitum ist man als Schiedsrichterin im Frauenfußball noch immer weit entfernt. Ein Grundgehalt wie bei den Bundesligaschiedsrichtern im Männerbereich – ein Kreis, in den es bisher als einzige Frau nur die inzwischen nicht mehr aktive Bibiana Steinhaus geschafft hatte – fehlt im Frauenbereich trotz Ansätzen der Professionalisierung weiterhin. »Wir müssen in Vorleistung gehen, noch einen halben Tag arbeiten, fahren dann für ein Montagabendspiel quer durch Deutschland und müssen trotzdem super performen«, sagt Weigelt, die beim sächsischen Fußballverband künftig für die Förderung junger Schiedsrichterinnen verantwortlich ist. Insgesamt liegt der Anteil von Schiedsrichterinnen in Deutschland bei lediglich vier Prozent. Die wenigen will Weigelt weiter bestärken, sich dafür einsetzen, dass ihnen mehr zugetraut wird, »damit sie auch ihre Einsätze in Männerspielen bekommen. Dafür braucht es auch Mut bei den Ansetzern – das sind ja meistens Männer –, Schiedsrichterinnen mehr zuzutrauen.« Für Weigelt selbst hat es nie eine große Rolle gespielt, eine von wenigen Frauen im männerdominierten Fußball zu sein. Sexismus hat sie selbst erlebt, aber »wenn Spieler und Trainer sehen, dass deine Entscheidungen auf dem Platz stimmen, dann ist auch schnell der Respekt da.«
So ganz vom Fußball ablassen will Weigelt noch nicht, für sie schließt sich ab kommender Saison der Kreis, wenn sie wieder auf den Dorfplätzen rund um Leipzig angekommen ist. Bis zur fünftklassigen Oberliga wird sie dann noch pfeifen. Und ihren Freund unterstützen, der kickt beim Roten Stern – und will jetzt auch Schiedsrichter werden. »Ich glaube, ich habe ihn infiziert«, sagt Weigelt lachend.