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Kultur

Bummbumm forever oder Keine Macht den Drogen

Die Cammerspiele gehen beim Sommertheater im TV-Club auf Sven Regeners »Magical Mystery Tour – Rückkehr des Karl Schmidt«

  Bummbumm forever oder Keine Macht den Drogen | Die Cammerspiele gehen beim Sommertheater im TV-Club auf Sven Regeners »Magical Mystery Tour – Rückkehr des Karl Schmidt«  Foto: Maximilian Teucher

»Das Bummbumm darf niemals aufhören!« Es ist irgendwas Mitte der 1990er und die beiden superreichen Techno-Labelgründer von Bummbumm-Records Rainer und Ferdi wollen es zusammen mit ihrer aktuellen Charge an DJs und DJanes noch einmal wissen. Sie starten durch zur »Magical Mystery Tour« und weil solch ein auch massiv drogeninduzierendes Unternehmen mindestens einen nüchternen Kopf braucht, heuern sie ihren alten Kumpel Charlie aus einer Drogen-WG an, um den Bus zu fahren. Charlie ist besser bekannt als Karl Schmidt, dem verkrachten Künstler aus »Herr Lehmann«, das so etwas wie der Urfunke dieses Pop-Trash-Universums aus der Feder von Sven Regener ist. »Keine Macht den Drogen« trifft auf »The Party never stopps«.

Die Cammerspiele haben sich unter der Regie von Anna-Karoline Schiela diesem Bummbumm-Roadtripp angenommen und ihn fachgerecht auf die Open-Air-Bühne am TV-Club gesetzt. Es ist bereits Schielas dritte Sommertheaterinszenierung für die Cammerspiele. Nachdem sie letztes Jahr mit »Stolz und Vorurteil« an der Moritzbastei inszeniert hat geht es dieses Jahr wieder zurück in den Hof des TV-Clubs, wo sie vor zwei Jahren das Chemnitz-Schmankerl „Superbusen“ inszeniert hat. Damals dabei war auch Donis, der jetzt in der Rolle des Karl Schmidts zu seiner Paraderolle gefunden hat. Lakonisch, desillusioniert und vom Leben in Klapse und Drogen-WG einigermaßen gezeichnet gibt der Leipziger DJ den Ex-Suchti als renitent-phlegmatischen menschlichen Eisberg mit großem Kaffee- und Nikotindurst. Das wilde Leben mit dem Bus, voller durchgeknallter Künstler und zwei Meerschweinchen, lässt ihn im Laufe des Abends auf der Bühne dahinschmelzen. So kommt er erst gegen Ende auf die Betriebstemperatur, die ihn schließlich den neuen Schritt in die Freiheit beziehungsweise nach Berlin ermöglicht, wo »neben der alten Stadt gerade eine neue aufgemacht hat«.

Entsprechend wild dürfen sich seine drei Mitschauspielenden gebieten: Thomas Deubel ist als Raimund ein hochgekokster Schnösel, der sich zwar nicht allein die Schuhe zubinden könnte, aber dafür mit voller Energie jede Wand ein- und jeden Menschen umreißt. Sein Geschäftspartner und Kumpel Ferdi, gespielt von Georg Herberger, hingegen ist zwar nicht weniger druff, aber paart das mit einer Art überheblicher Melancholie, die nicht weniger durchgeknallt daherkommt. Und dann ist da noch Shootingstar Rosa, die Rebecca Thos wie einen aus dem Trockner gefallenen Marusha-Verschnitt gibt. Abwechselnd dürfen alle mal an die beiden funktionsfähigen Turntables, die hinter einer Kachelwand das einzige Bühnenbild darstellen. Donis hat auch die Musik für den Abend kuratiert und fein säuberlich darauf geachtet, dass nur Hits aus der Zeit wie etwa »Go« von Moby dabei ist. Zudem gibt es übergroße Plastiktelefone, Kaffeetassen und Sektflaschen als bunte Requisiten, auf letzterer quetscht man sich für die Fahr von einem Ort zum anderen auf dieser merkwürdigen Tournee hintereinander.

So hangelt sich der Abend durch die Szenen, immer unterbrochen von wohldosierte Musikeinlagen mit überdosiertem Nebel, bei denen wild gezappelt wird, während Karl natürlich nicht mitmachen darf. Hier hätte man sich eine stärkere choreografische Führung gewünscht, ein mehr als nur das reine Abbilden des Technos, den man ohnehin hört. Zumal der Motor gerade am Anfang doch noch ein wenig stottert. Trotz des hohen Energielevels wirkt alles seltsam unterspannt und das Wilde, mit dem etwa Deubel und Herberger einsteigen, etwas zu drüber, um es mit Substanz zu füllen. Doch spätestens nach der Halbzeit ist diese Tour de Force eine gut geölte Maschine, in der die kleinen menschlichen Katastrophen ganz groß werden, eine hübsche Komödie mit leicht schwermütiger Grundierung. Kindergartenszenen über das Sich-Entschuldigen, bei denen Donis wie bekloppt links und rechts über die Bühne schlenkert, die Todesrede auf ein Meerschweinchen oder die wahrscheinlich verknoteste Liebesszene der Welt lassen die Herzen und Zwerchfelle gleichermaßen in Wallung kommen.

Gleichzeitig ist dieser Kampf um Gummistiefel-Techno und Deppenpop auch ein Abgesang auf die Ideale von damals, und angesichts des aktuellen Niedergangs der Clubcultur tatsächlich kein reiner Gaudi. Den kann man sich aber auch machen, denn alle wissen, das BummBumm darf niemals aufhören.

> Cammerspiele: »MAGICAL MYSTERY oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt« bis zum 28. Juli, immer Do-So, 19:30 Uhr


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