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Kultur

Metal unterm Regenbogen

Nicht nur mit Naturphänomenen begeisterte das Partysan Open Air in Nordthüringen

  Metal unterm Regenbogen | Nicht nur mit Naturphänomenen begeisterte das Partysan Open Air in Nordthüringen  Foto: Tobias Prüwer

Beim Schlusslied riss der Himmel auf. Plötzlich spannte sich ein riesiger Doppel-Regenbogen übers Festivalgelände. Spektakulärer hätten Incantation nicht enden können. Hunderte Menschen harrten im Regen aus, um zu den brachialen Klängen der US-amerikanischen Death-Band zu tanzen und klatschnasse Haare kreisen zu lassen. In Sachen Naturphänomen war dieser Auftritt das Highlight auf dem Partysan Open Air, das am Wochenende in Schlotheim bei Mühlhausen stattfand. Überhaupt geizte Ostdeutschlands wichtigstes Extremmetal-Fest nicht mit Reizen.

Überreizt musste sich jeder zeigen, der mit härteren Spielarten des Genres nichts anfangen kann. Denn ein permanentes Geballer brach von beiden beiden Bühnen los, bei dem nur das differenzierte Gehör identifizieren kann, ob die Blastbeats gerade Hi-Hat-Becken oder kleine Trommel treffen. Rund 9.000 Menschen vermochten das und erfreuten sich in Nordthüringen an fast 60 Bands. Sie erduldeten bis auf einen Schauer fast durchgängige Sonnenbestrahlung und schwitzen unter der Haube der Zeltbühne, die aus allen Nähten platzte.

Hier war vor allem Black-Metal vertreten, die Schweizer Avantgardisten von Schammasch mit ihren drei-gitarrigen Ambiant-Ausflügen sind besonders angenehm in Erinnerung geblieben. Auf großer Bühne rissen Terrorizer mit, die erstmals auf dem Partysan auftraten. Die US-Grindcore-Band schleuderte ihr 1989-Debüt World »Downfall“ in die Menge. Nicht nur bei ihnen war der Circle-Pit groß wie ein Spielplatz. Den Kreis, in welchem man sich vor der Bühne im Pogo oder als rennende Runde bewegte, füllten Dutzende auch bei den US-Brutal-Slam-Deathlern The Black Dahlia Murder und Kraanium (Norwegen). Click, click, click: Bei letzteren klackerten die Drums herrlich, stapelten die Gitarren Wände auf.

Dass Spektakel nicht reicht, um einen wie die Todesstrahler von Incantation zu berühren, bewiesen die Freitag-Headliner Behemoth. Die Polen fuhren eine beeindruckend-ausgeklügelte Pyro- und Lichttechnik auf. Aber sie holten mit auf nach Plastik klingendem Sound emotional nicht ab. Es fehlte das Lebendige. Dass ausgerechnet Donnerstag-Headliner Abbath dieses Element mitbrachte, war die Überraschung.

Der ist als Figur umstritten, vertritt er doch das Klischee des skandinavischen Black-Metal-Musikers. Immer mit schwarz-weiß geschminktem Gesicht auftretend, lässt der Gründer der legendären Band Immortal keine Peinlichkeit aus. Mit den Ex-Kollegen lag er im Rechtsstreit, tourt seit zehn Jahren als Abbath umher. Dabei stand mal er völlig betrunken auf der Bühne und prügelte sich mit Band-Mitgliedern. Ein Video zeigt ihn, wie er verspätet zur Bühne einen Abhang hinabrennend in voller Metal-Montur mit Gitarre ins schlammige Gras fällt. Er richtet sich die schwarz gefärbte Föhnfrisur, macht weiter. Seine Fans lieben diese Ist-mir-egal-Attitüde. Und diese brachte er auf dem Partysan mit dem genialen Musiker von einst in Einklang. Die Festivalmacher trugen ihm auf, nur Immortal-Songs zu spielen. Eine Spitzenidee, denn die alten Kracher zündeten. Weil Abbath nicht mehr partout den Teufelskerl mimen muss, gewann der Auftritt an Leben und Leichtigkeit. Als er final mit zotteliger Hörnermaske einen Hüftschwung hinlegte, brach sich Begeisterung Sturm. Dass die Bühnenshow satte Effekte wie meterhohe Nebelfontänen auffuhr, wirkte da nur als i-Tüpfelchen.

Keine Effekte bis auf etwas Theaterblut benötigten Sacramentum (Schweden), um sympathisch-fiesen Black mit Trash-Einsprengseln ansehnlich zu zelebrieren. Ähnlich unaufgeregt trugen Enthroned (Belgien) mit einem dirigierenden Sänger ihren etwas linear und derber angelegten Black-Metal vor. Ein netter Einfall war die Umbaupausen-Kleinkunst, die das Duo Flammenzirkus aus Stadtroda gab. Die Thüringer wirbelten brennende Reifen und Stäbe umher. Es entstand eine schöne Choreografie, selbst wenn aufregungsbedingte Wackler dabei waren. Auch der Sound erwies sich bisweilen als schwierig. Vor den soliden Trashern Sadus (USA) crashte das ganze System. Bei anderen gab’s kleine Aussetzer, brach mal ein Klangfetzen weg. Der Sänger der wie immer überragenden Genre-Mixer Anaal Natrak (UK) vermittelte manchmal den Eindruck eines Voiceovers. Aber das ist lässlich, das ist live. Das macht eben ein Festival aus – wie Wolkenbrüche und Regenbögen.


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