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Politik

Die AfD wird sich nicht selbst entzaubern

Wer die AfD mitregieren lassen will, um sie zu bekämpfen, übersieht den erwartbaren Flurschaden einer solchen Regierungsbeteiligung. Ein Gastbeitrag

  Die AfD wird sich nicht selbst entzaubern | Wer die AfD mitregieren lassen will, um sie zu bekämpfen, übersieht den erwartbaren Flurschaden einer solchen Regierungsbeteiligung. Ein Gastbeitrag  Foto: Privat

Marc Felix Serrao, Chefredakteur der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) in Deutschland, durfte am Donnerstag bei Markus Lanz seine schon einmal in der NZZ veröffentlichte These wiederholen, dass man den Aufstieg der AfD am besten bremsen könne, wenn man sie an der Regierung beteilige. Damit ist er nicht allein, Alan Posener hat denselben Vorschlag vor einiger Zeit in der WELT gemacht.

Um es zuzuspitzen: Entzauberung der Rechtspopulisten durch Regierungsbeteiligung. Und es ist nicht irgendein rechter Online-Troll oder ein Putin-Bot, der diese Forderung mit copy & paste in möglichst viele Kommentarspalten klotzt. Es sind zwei gestandene Politjournalisten mit langer Erfahrung in der Analyse und Kommentierung der deutschen Politik.

Nun würde die AfD ja nicht allein regieren, sie würde mitregieren, in einer Koalition. Die Logik von Serrao und Posener ist dabei: So wie seinerzeit die PDS, später die Linke in verschiedenen Ländern müsste die AfD notwendige politische Entscheidungen mittragen, die bei ihrem Wahlvolk unpopulär sind. Eben »weil es nicht anders geht«. Einfach, weil man eben nicht allein regiert, sondern in der Koalition diese leidigen Kompromisse eingehen muss. Und dann gibt es ja noch die »Sachzwänge«. Sie wissen schon, Angela Merkels unheimlich beliebte Trumpfkarte.

Allerdings ist ein anderes Szenario mindestens ebenso wahrscheinlich: Die AfD, wenn sie taktisch auch nur halbwegs klug agiert, wird alles Unpopuläre dem Koalitionspartner in die Schuhe schieben. (Also der CDU, denn wer soll’s sonst machen?). Nach dem Motto: »Wenn wir könnten, wie wir wollten, aber wir können ja nicht … Also: noch nicht.«

Und das dürfte funktionieren, wenn man sieht, wie wenig die ganzen Skandale der AfD ihr geschadet haben bei ihren Wählerinnen und Wählern. Und wenn man sieht, dass dieselben Wählerinnen und Wähler sich auch nicht abschrecken lassen durch den Hinweis, dass die Politik der AfD auch für sie spürbar negative Folgen haben dürfte – mit Blick auf die Gesundheitsversorgung, die Pflege, die Bildung usw. Was immer die AfD sagt, die absolute Mehrheit ihrer Wählerinnen Wähler wird es ihr abnehmen. Die »Systemparteien« lügen doch und die »Mainstreammedien« tun das sowieso. Weiß man doch.

In erster Linie würde eine AfD-Regierung aber vor allem anderen Schaden: Menschen mit abweichenden politischen Vorstellungen, Menschen mit Migrationshintergrund oder einfach nur einer anderen Hautfarbe, queeren Menschen. Den Unterstützerinnen und Unterstützern der vielen kleinen Vereine im ländlichen Raum, die sich politisch, sozial oder kirchlich engagieren.

Schon weil diese Vereine im Regelfall von Landesmitteln zur Unterstützung ihrer Arbeit abhängig sind. Die Mittel wird es dann aber nicht mehr geben. Und sie brauchen Behörden vor Ort, die sie unterstützen oder wenigstens schützen. Wie der CSD in Bautzen gezeigt hat, ist diese Unterstützung jetzt schon »prekär«, wie die jungen Leute sagen. Aber auch hier ist noch Luft nach unten. Wer aktuell nicht unterstützt, kann in Zukunft einschränken und drangsalieren.

Und sollte das von der Gewerkschaft der Polizei beschriebene Szenario eintreten und den Polizeien der AfD-(teil)regierten Länder nicht nur das Personal, sondern auch die Unterstützung der anderen Bundesländer abhandenkommen – wer wird es wohl zuerst ausbaden müssen? Die Polizei? Der Regierungsrat? Die Bäuerin? Der Bauarbeiter? Die Ärztin? Sofern sie sich nicht politisch exponieren: eher nein. Und die »Querulanten« sind ja ohnehin bekannt.

Diese Menschen gehören zu den 60 bis 70 Prozent, die die AfD nicht wählen werden. Aber sie werden unter einer von ihr mitbestimmten Politik wohl mehr leiden als deren Wählerinnen und Wähler. Und sie können häufig nicht »mal eben wegziehen«. Sie wollen es oft auch gar nicht. Und wahrscheinlich wären Serrao und Posener die ersten, die sich über das mangelnde Engagement von Demokratinnen und Demokraten echauffieren, die ihr Bundesland verlassen, weil dort auf einmal die AfD regiert. Immerhin muss man ja für die Demokratie kämpfen und das ist nun einmal kein Spaß, sondern eine ernste Sache. (Was stimmt.)

Nur, dass Serrao und Posener und viele andere, die Sachsen und Thüringen online abschreiben mit einem »Sollen sie doch sehen, was sie davon haben!« eben weder in Thüringen, noch in Sachsen leben. Die zwei Journalisten kämpfen wortgewaltig in Berlin für die Demokratie, andere Kommentatorinnen und Kommentatoren tun das bequem online und von Westdeutschland aus. Und als hier in im Osten Lebender wird man das Gefühl nicht los: Da möchte jemand die Katastrophe passieren sehen, um dann aus dem wohligen Gefühl eigener Sicherheit ein moralisch überlegenes »Siehste!« rufen zu können.

Kann die Regierungsbeteiligung in einer Koalition die AfD kleiner machen? Womöglich, aber es ist bestenfalls eine Wette. Dass eine solche Regierungsbeteiligung in jedem Falle mit massiven Schäden für Menschen in den von der AfD zu regierenden Ländern einhergehen dürfte, sollte uns Abstand von ihr nehmen lassen.
 

> Dietrich Schotte arbeitet als Akademischer Rat am Lehrstuhl für Geschichte der Philosophie der Universität Regensburg. Zuvor war er an der Universität Leipzig Lehrkraft für besondere Aufgaben am Institut für Primärdidaktik Deutsch. Schotte forscht zur Philosophie der frühen Neuzeit und Aufklärung und hat Anfang des Jahres historische Texte zur Grausamkeit versammelt. 


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1 Kommentar(e)

Fleischer 07.09.2024 | um 19:49 Uhr

Nur kurz: vielleicht sind das zwei mit Erfahrungen aus der Realität. Und es war schon immer so, daß der Prüfstein für Funktionalität die Realität ist. Zum Schluß haben alle AntiAFDler Angst davor, daß es funktioniert, wenn die AFD beteiligt wird….für Framing wird viel Geld an Akteure vergeben, die im wirklichen Leben das eigene Brot nicht verdienen könnten. Traurig alles inzwischen….