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Politik

Ein Stopp in Sachsen

Robert Habeck macht auf seiner Wahlkampftour Halt in Leipzig

  Ein Stopp in Sachsen | Robert Habeck macht auf seiner Wahlkampftour Halt in Leipzig  Foto: Robert Habeck in Leipzig/Ferdinand Uhl

Trotz der Kälte am Montagabend stehen sie Schlange vor dem Haus Leipzig in der Elsterstraße, die Stimmung ist ausgelassen, Hinzukommende begrüßen Bekannte und reihen sich bei ihnen ein. Die vielen Menschen könnten auch für ein Konzert anstehen. Aber heute Abend wird keine Band ihren Fans einheizen, sondern Robert Habeck, der Kanzlerkandidat der Grünen, seinen Anhängern. Im Gebäude gibt es strenge Kontrollen. Weder Rucksäcke noch Fahrradhelme dürfen mitgenommen werden, Sicherheitspersonal tastet die Gäste ab. Vor den Treppen zum Saal sind Polizeibeamte mit Hunden stationiert. Mehr als 1000 Leuten sind gekommen. Die meisten sind Fans des grünen Spitzenkandidaten. »Er ist einfach authentisch und glaubhaft«, sagt ein mittelalter Mann, für zwei junge Frauen ist Habeck »der beste Kanzlerkandidat.« Es sind aber nicht nur Unterstützer von Habeck und den Grünen anwesend. »Ich bin in der FDP und libertär eingestellt«, sagt ein Mann, der den Raum beobachtet. »Bei Robert Habeck bekomme ich eher Ekelgefühle. Aber ich wollte ihn mir mal anhören.«

Zuerst aber bekommen Paula Piechotta und Stanislav Elinson die Bühne, um ihre Wahlkampfthemen zu platzieren. Die beiden sind die grünen Direktkandidierenden für Leipzig. »Wir sind hier für die Ostdeutschland-Themen«, sagt Piechotta und lacht in den Raum hinein. Sie prangert vor allem niedrige Löhne in Ostdeutschland an und lobt Leipzig: Die Stadt sei anders als viele ostdeutsche Orte. Sie biete Leuten aus dem Erzgebirge oder der Lausitz eine Heimat, die »Bock auf alternative Kultur« haben und die frei leben wollen. Trotzdem: Die AfD war auch in Leipzig stark bei der Landtags- und Stadtratswahl, weswegen die Grünen jetzt in diesem Wahlkampf besonders aktiv sein müssen. Das Publikum spendet Applaus und laute Begeisterungsrufe. Elinson beschränkt sich auf einen kurzen Beitrag, in dem er das autoritäre Russland kritisiert und Unterstützung für die Ukraine fordert, »damit Europa friedlich und frei bleibt.« Wie genau er sich diese Unterstützung vorstellt, führt er jedoch nicht aus.

Dann Auftritt Habeck. Er kommt auf die Bühne, winkt in die Menge, tosender Applaus bricht los. Als es ruhig wird, schmeichelt er zunächst der Stadt. Leipzig sei für ihn etwas Besonderes »wegen der Geschichte und der Atmosphäre.« Dann fallen bedeutungsschwere Begriffe wie »Weltgeschichte«, «Umbrüche« und die »Kraft der Menschen« mit Blick auf die friedliche Revolution.

Nach diesem Pathos konzentriert er sich auf grüne Kernthemen für den Wahlkampf: Der Ausbau grüner Technologien und der Kampf gegen Populismus. Habeck bezeichnet sich selbst als möglichen »Bündniskanzler« einer «Bündnisrepublik Deutschland« und beschwört die Zusammenarbeit vielfältiger gesellschaftlicher Kräfte, von Kirchen über Gewerkschaften bis hin zu Unternehmen. Ein konkretes Bündnis für eine mögliche Regierungskoalition, an der die Grünen sich beteiligen wollen, nennt er jedoch nicht.

Mit Blick auf Inflation und steigende Energie- und Lebensmittelpreise der letzten Jahre spricht er von »Druck in der Gesellschaft«, der populistischen Parteien Aufwind gäbe. Deswegen gehe es jetzt darum, untere Einkommen zu entlasten. Auf seine eigene Verantwortung als Wirtschaftsminister an dieser Situation geht er nicht ein. Eine konkrete Entlastungsmaßnahme solle der Ausbau grüner Energie sein, um die Energiekosten deutlich zu senken: »Wir haben den Strom grün gemacht, jetzt machen wir ihn günstig«, verspricht er der applaudierenden Menge. Seinen inneren Klassenkämpfer entdeckt Habeck aber, als es um die Steuerpläne von CDU, FDP und AfD geht. Die kritisiert er scharf, weil sie alle vor allem die wohlhabenden Schichten entlasten wollen: »Dass die Reichen reicher werden und die anderen kaum etwas kriegen sollen, ist ein politischer Treppenwitz und sollte keine Mehrheit bekommen.« Die Grünen forderten stattdessen eine globale Milliardärssteuer, so dass die »ganz, ganz reichen Leute ein bisschen mehr bezahlen« müssten. Geld, das dann etwa in die Bildung investiert werden könnte.

Nach Habecks Rede gibt es Standing Ovations und begeisterte Gesichter. Eine anschließende Fragerunde oder Diskussion nach Habecks einzigem Wahlkampfauftritt in Sachsen gibt es nicht. Stattdessen machen einige Leute begeistert Selfies mit dem Kanzlerkandidaten, der sich anschließend vor die Kameras der anwesenden Presse stellt. Für ihn, wie für die meisten Gäste, wird es ein netter Abend gewesen sein. Ob es den Grünen durch diesen harmonischen Auftritt größtenteils vor Anhängerinnen und Anhängern gelingt, neue Wählerschichten für sich zu gewinnen, ist allerdings zweifelhaft. In Sachsen haben die Grünen mit ihren Kanzlerambitionen sowieso schon einen schweren Stand. Bei der letzten Bundestagswahl kamen sie auf 8,6 Prozent, bei der Landtagswahl sogar nur auf 5,1 Prozent der Stimmen. In den Leipziger Stadtrat zogen sie immerhin als viertstärkste Partei ein. Aber Leipzig, das weiß ja auch Piechotta, ist halt anders.


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