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Kultur

Der fast vergessene Held

Eine Ausstellung im Hörsaalgebäude zeigt das Leben und das Gedenken an Werner Seelenbinder

  Der fast vergessene Held | Eine Ausstellung im Hörsaalgebäude zeigt das Leben und das Gedenken an Werner Seelenbinder  Foto: Britt Schlehahn

Pünktlich zum 80. Todestag von Werner Seelenbinder, der am 24. Oktober 1944 im Zuchthaus Brandenburg-Görden enthauptet wurde, eröffnete die Ausstellung über den Ringer und Kommunisten im zweiten Stock des Hörsaalgebäudes der Uni Leipzig direkt neben dem Wandgemälde »Arbeiterklasse und Intelligenz« von Werner Tübke.

Der Arbeiterklasse gehörte der 1904 in Stettin geborene und in Berlin-Friedrichshain aufgewachsene Seelenbinder an. Die Ausstellung, die Oliver Rump, Professor für Museologie und Museumsmanagement an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, mit Studierenden organisierte, zeigt die vielen Facetten im Leben des Ringers und Kommunisten, weist auf blinde Flecken ebenso hin wie einige Mythen aufgedeckt werden.

Rump erzählte in seinem Eröffnungsvortrag auch einen Grund, weshalb er ein Forschungs- und Ausstellungsprojekt zu Seelenbinder initiierte: Die Hochschule für Technik und Wirtschaft liegt in Köpenick, wo sich in der Seelenbinderstraße erst die Zentrale der NPD befand und jetzt die deren Nachfolgerin Die Heimat. In der Vergangenheit wurde die Seelenbinder-Gedenktafel immer wieder zerstört, sodass für Rump klar war, dass ein Forschungs- und Ausstellungsprojekt über den in der Gegenwart fast vergessenen Sportler nötig sei. Gemeinsam mit Studierenden begann die Arbeit mit der Sichtung von Materialien – neben Büchern, die über ihn nach 1945 entstanden waren, zu Fotografien und Dokumenten, die sich unter anderem in den Sportmuseen in Berlin und Leipzig befinden.

Die Schau zeigt den Lebenslauf von Seelenbinder, der mit 13 Jahren Mitglied im Arbeitersport wird, 1922 gewinnt er als Ringer die Berliner Arbeitersport-Meisterschaft im Federgewicht, 1925 erhält er den ersten Preis bei einer Berliner Körperschönheitskonkurrenz, ein Jahr später erlangt Seelenbinder den ersten internationalen Sieg beim Arbeiter Turn- und Sportfest in Wien. Neben dem Sport tritt er 1928 der KPD bei und arbeitet er als Furnierer in einer Kreuzberger Firma in der Skalitzer Straße. 1933 gewinnt er den ersten Deutschen Meistertitel und verweigert den Hitlergruß, engagiert sich im illegalen Widerstand und wird verhaftet. Nach der Entlassung gehört Seelenbinder der deutschen Ringer-Nationalmannschaft an und wird bei den Olympischen Spielen in Berlin 1936 Vierter, gewinnt bis 1941 weitere Meistertitel.

Seelenbinder engagiert sich in der Berliner Widerstandsgruppe um Robert Uhrig und wird im Februar 1942 verhaftet, am 5. September 1944 wegen »organisierter Vorbereitung zum Hochverrat und der landesverräterischen Feindbegünstigung« vom Volksgerichtshof in Potsdam zum Tode verurteilt und im Zuchthaus Brandenburg-Görden am 24. Oktober 1944 enthauptet.

Im Sommer 1945 findet seine Urne auf dem Neuköllner Sportpark – der nun Werner-Seelenbinder-Sportpark heißt – ihren letzten Platz. Die Ausstellung erzählt sowohl die Geschichten um die Grabstätte im Kalten Krieg wie auch die Rezeption in der DDR, wo viele Orte nach dem Berliner Ringer benannt werden – etwa der Glockenturm am hiesigen Zentralstadion – wie auch in der BRD.

Die Ausstellung gibt nicht nur Auskunft über die Lebens- und Sportdaten des Weltklasseathleten, sondern hinterfragt auch die Geschichten, die sich um ihn rankten und die Ehrungen bis in die Gegenwart.


> »Werner Seelenbinder. Ringer, Kommunist, Staatsfeind«, bis 16.11., Hörsaalgebäude, 2. Etage, Mo-Fr 7-21 Uhr, Sa 7-14 Uhr


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