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Stadtleben

Betonierter Rassismus

Hassposting von Theklaer Baustelle ist kein Einzelfall

  Betonierter Rassismus | Hassposting von Theklaer Baustelle ist kein Einzelfall  Foto: Screenshot X/Sturmt1g3r

Der Blick aus dem Bagger geht auf schicke weiße Neubauten, davor Erdhaufen, es ist klar, dass hier noch gebaut wird. Im Hintergrund läuft »sempre sempre« von Al Bano und Romina Power. Die Person hinter dem Handy, die kurz im Seitenspiegel des Baggers zu sehen ist, kommentiert den Videoschwenk über die Baustelle: »Da sind wir mal wieder in unserem Asylantenheim in Leipzig-Thekla. Alles neu, schön, vom Feinsten. Toll, Toll, für neue Messerstecher und da muss man hier auch noch arbeiten. Da kommt dir nur eins: Die Kotze, ganz ehrlich. Naja, zum Glück sind wir hier bald weg. Das ist hier ja eigentlich ein No-Go, weißte? Sowas darf man nicht unterstützen. Unfassbar, unfassbar. Willkommen, neue Mörder«. Veröffentlicht wurde das Video am 13. Oktober auf dem X-Account STURMT1G3R mit dem Kommentar »Soziale Wohnungen lassen auf sich warten, aber für die Fachkräfte – alles vom Feinsten. #Remigration #Migraitonspolitik #Leipzig«.

Er arbeitet offensichtlich auf dem Gelände des geplanten Heims für Geflüchtete in Leipzig-Thekla. Dort sollen ab Anfang Dezember 120 Bewohnerinnen und Bewohner unterkommen – hauptsächlich Familien. Ursprünglich war das Gebäude von einem privaten Investor als Seniorenwohnanlage geplant gewesen. Nachdem er dafür keinen Betreiber fand, bot er es der Stadt als Geflüchtetenunterkunft an. Die Stadt mietet den Komplex für zehn Jahren. Nach Bekanntgabe dieses Vorhabens im Juni wurde auf der Baustelle Feuer gelegt und verfassungsfeindliche Symbole an die Fassade geschmiert. Ende Juli gab es eine Spontandemonstration und eine Petition gegen die Unterkunft wurde initiiert.

Nun also ein Video. Das Rechtsamt der Stadt Leipzig sieht von einer Anzeige ab, weil es den Anfangsverdacht von Beleidigung nicht erfüllt sieht, wie es dem kreuzer mitteilt. Anders sieht es Matthias Groß von der Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie (RAA), die auch Beratung für Opfer rechter Gewalt anbieten: »Aus unserer Sicht wäre es durchaus sinnvoll, prüfen zu lassen, ob z.b. ein Verdacht auf Volksverhetzung besteht, weil es sich auch unserer Einschätzung nach um eine öffentlich getätigte Äußerung handelt, in der Geflüchtete pauschal diffamiert und beleidigt werden.« Abschließend könne das jedoch nur die Staatsanwaltschaft beantworten.

Bei der Staatsanwaltschaft in Leipzig liegt das Video inzwischen vor, um die Aussagen auf strafrechtliche Relevanz zu prüfen.


Rassismus auf dem Bau

Die Handwerkskammer Leipzig verweist auf Anfrage darauf, dass Anfragen zum Umgang mit rassistischen Aussagen in den letzten Jahren nicht häufiger auftreten würden. Anders beantwortet die Gewerkschaft IG Bau diese Frage: »Schilderungen von Beschäftigten und Mitgliedern der IG BAU legen nahe, dass rassistische Äußerungen in den letzten Jahren auf Baustellen zugenommen haben«, berichtet Pressesprecher Frank Tekkiliç. Die Gewerkschaft hat in dieser Hinsicht eine klare Position: »Beschäftigte, die sich wie der Bauarbeiter in dem Video positionieren, haben in der IG BAU keinen Platz. Wir wollen sie nicht bei uns haben und sie müssen die Gewerkschaft verlassen, wenn sie sich rassistisch oder in anderer Weise menschenfeindlich oder volksverhetzend positionieren«. Ausschlüsse aus diesem Grund seien in den vergangenen Jahren auch immer wieder vorgekommen. Ehrenamtliche Mitarbeiter der Gewerkschaft hätten sich immer wieder einzeln an die IG Bau gewandt, um Unterstützung im Umgang mit rassistischen Äußerungen auf der Baustelle zu bekommen. Auch die Handwerkskammer bietet dazu Unterstützung in Form von Mediation oder Einzelgesprächen an.


Hasspostings melden

Wer dagegen online über ähnliche Videos und Äußerungen stolpert, kann diese zum Beispiel bei der Plattform direkt melden. Allerdings ist X nicht dafür bekannt, rassistische und diskriminierende Äußerungen zu verfolgen. Die Anzahl von Hasspostings auf der Plattform hat nach der Übernahme durch Elon Musk deutlich zugenommen. In Deutschland bleibt der Weg über online-Meldestellen. Das geht zum Beispiel über die Seite Hessen gegen Hetze oder Meldestelle Respect, in dem bundeslandunabhängig Online-Inhalte gemeldet werden können. Sie werden dann geprüft und im Falle der Strafbarkeit an die lokalen Behörden weitergeleitet. In Sachsen gibt es die Möglichkeit, ähnliche Äußerungen über die Online-Wache anzuzeigen. Wie bei einer »richtigen« Anzeige muss man dabei allerdings seine persönlichen Daten hinterlassen. Bei den Online-Meldeseiten sind Hinweise auch anonym möglich.

Wer dagegen selbst von Hass und Hetze betroffen ist, kann sich zum Beispiel an die RAA wenden. Dort wird individuell auf den Fall geblickt und gemeinsam entschieden, welches Vorgehen ratsam ist. »Wir selbst stellen dabei in aller Regel keine Anzeigen bei der Polizei oder Staatsanwaltschaften, sondern ermutigen Betroffene und Zeug*innen dies zu tun und klären sie im Vorfeld über damit verbundene Chancen und Risiken auf«, erklärt Matthias Groß.

Das Video von STURMT1G3R ist weiterhin online, die ersten Bewohnerinnen und Bewohner sollen Anfang Dezember in Thekla einziehen.

 

> Weitere Unterstützungsangebote zum Umgang mit Hass im Netz gibt es beim Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz.


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