Groß prangt ein Ausdruck des Stadtplans vom Leipziger Süden aus der Zeit vor 1989 an der Wand im Altbau der Galerie Kub. Hier kann man sich orientieren – wo was mal im öffentlichen Gedächtnis zu finden war. Die Ausstellung »Kreuzungen der Außenspuren« konzentriert sich auf das Kulturhaus Arthur Hoffmann, die Nato und die Galerie Eigen + Art. Die Organisatoren Alexander Pehlemann und Carsten Busse wählten die Orte aus, um die Nischen und Netzwerke des »Anderen« im Süden Leipzigs bis zum Ende der DDR vorzustellen. In Kooperation mit der Nato zeigt die Ausstellung mehr als 30 Jahre später eine sehr interessante Übersicht, was damals an den Orten geschah. Dabei orientieren sich Pehlemann und Busse am Band »Die Einübung der Außenspur. Die andere Kultur in Leipzig 1971-1990«, den Uta Grundmann, Klaus Michael und Susanne Seufert 1996 herausgaben und der zweifelsohne als eine Pflichtlektüre für das Kunst- und Kulturfeld gelten darf.
Intro mit Witz und Ironie
Gleich zu Beginn ist auf einem großen Bildschirm ein kahlgeschorener Mann mit bekritzelten Schuhen in schwarz-weiß zu sehen. Dabei handelt es sich um einen digitalisierten Super-8-Film von Jörg Herold mit dem Titel »Baader in Leipzig« aufgenommen im Sommer 1989. Der Mann – der Schriftsteller Matthias Baader Holst (1962-1990) – läuft durch Leipzig, beginnend am Hauptbahnhof und auf der Toilette in der Hochschule für Grafik und Buchkunst endend, und kommentiert dabei nicht nur sehr munter und frech das Stadtbild, sondern auch die Situation des Kunstfelds. Eine gute Einstimmung auf den Süden der Stadt.
Kunst im Süden
Bei den Orten im Süden, auf die sich die Ausstellung konzentriert, handelt es sich um den Jugendklub Arthur Hoffmann (heute Haus Steinstraße), die Nato und die Galerie Eigen + Art sowie als Veranstaltungsort das Kino Connewitz (heute UT Connewitz). Zu allen Stationen finden sich erklärende Texte und Veranstaltungsplakate sowie Artikel aus der damaligen Zeit. Brigitte Schreier-Endler, die von 1979 bis 1989 den Jugendklub Arthur Hoffmann leitete, organisierte dort über 70 Lesungen – von Heiner Müller über die Literaturszene aus dem Prenzlauer Berg bis zu den Leipziger Jungautorinnen und -autoren ebenso wie Ausstellungen etwa von den Autoperforationsartisten. Zu sehen ist hier unter anderem die Ankündigung ihres Abschieds im Dezember 1989 zur 75. Lesung mit Peter Brasch, Bernd Igel, ihrem Mann Adolf Endler und Martin Rößler.
Götz Lehmann, der bis 1989 als Hausmeister im Kulturhaus Nato agierte, bereitete dort den Weg zu vielfältigen und multimedialen Veranstaltungen. In der Galerie sind Plakate von den Filmabenden mit Werken von Lutz Dammbeck, Auftritten von Fine Kwiatkowski neben Jazz-Veranstaltungen zu sehen. Filmstreifen dokumentieren die Veranstaltungen der Gruppe 37,2. Diese Gruppe bestehend unter anderem aus Künstlern wie Hartwig Ebersbach und Peter Oehlmann, der Psychologin Annelie Harnisch und der Kybernetikerin Brunhild Matthias – organisiert vom Künstler Hans Joachim Schulze – führte von 1979-85 Veranstaltungen durch, die einen erweiterten Begriff von Kreativität verfolgte.
Die Galerie Eigen + Art, die aus einer Stifteridee entstand, nimmt in der Ausstellung den größten Platz ein. Ihr Ausgangspunkt liegt in einer Initiative von Künstlerinnen und Künstlern, die dafür 1985 eine Stifteraktion in der Gaststätte Marienburg (Frau Krause) veranstalteten. Ziel war es, die Räume im Hinterhof der damaligen Fritz-Austel-Straße 31 (heute Bornaische Straße) bespielen zu können. Neben den Plakaten, die zu jeder Ausstellung entstanden, zeigt ein Siebdruck Akos Novaky und Gerd Harry Lybke in den leeren Werkstatträumen. Damit wurde für die erste Ausstellung mit Werken von unter anderem Lutz Dammbeck, Klaus Elle, Günther Firit, Hans Hendrik Grimmling, Andreas Hanske, Michael Kunert, Gudrun Petersdorf und Olaf Wegewitz geworben. Fünf Monitore zeigen digitalisierte Videos mit Aufzeichnungen von Eröffnungen (unter anderem von einer Ausstellung mit Arbeiten von Hartwig Ebersbach) oder Performances wie »Nach Beuys« mit den Autoperforationsartisten. In Vitrinen sind die Einladungskarten zu den Ausstellungen wie auch originalgrafische Zeitschriften zu sehen, die im Eigenverlag entstanden, von »Anschlag« (1984-1989, herausgegeben von Angelika Klüssendorf, Wiebke Müller und Karim Saab) über »Sno‘ Boy« (1989, herausgegeben von Peter Hinke) bis zu »Messitsch« (1987-89, herausgegeben von Schwarwel und Thomas Schmoll).
Bis zum Ausstellungsende am 15. Dezember finden zudem noch einige Veranstaltungen statt. Am Donnerstag, 12. Dezember, um 20 Uhr zeigt und spricht Jörg Herold über seine Filme aus den 1980er Jahren unter dem Titel »Bewurstsein oder Für alle ist gesorgt«. Zur Finissage am 15. Dezember um 17 Uhr diskutieren Uta Grundmann und Klaus Michael, die den Außenspur-Band 1996 veröffentlichten.
Mit Blick auf die Ausstellung bleibt es einmal mehr rätselhaft, wie das Museum der bildenden Künste eine Präsentation des Leipziger Kunstfeldes mit dem anmaßenden Titel »Bilderkosmos Leipzig« präsentiert, in dem noch nicht mal ansatzweise von diesen vielen Geschichten eine zu sehen, geschweige denn zu hören ist.
> galerie KUB - Kreuzungen der Außenspuren