Leipzigs Finanzlage ist so ernst, Michael Weickert holt sich kaiserliche Unterstützung in der Haushaltdebatte im Rat. »›Schau’n mer mal‹ konnte nur Franz Beckenbauer sagen«, sagt der CDU-Fraktionschef, glücklicherweise ohne den Versuch, das Bayerisch des Originals zu imitieren. An die elegante Spielweise von Kaiser Franz erinnert die Haushaltspolitik der Konservativen jedoch nicht, da bewegt sich die CDU eher im Bereich des Catenaccio: »Wir haben in den vergangenen Jahren deutlich zu viel ausgegeben für Konsum, einen deutlich zu großen Aufwuchs im Personal.«
Libero Weickert hält seine Teamansprache im pastoralen Ton: »In dem Wort Zumutung ist das Wort Mut enthalten.« Und den brauche es, um sich der Wahrheit zu stellen. Einsparpotenziale laut CDU, um das von Finanzbürgermeister Bonew beschriebene Haushaltsloch zu stopfen: tausend Stellen in der Verwaltung streichen, Schulneubauten stoppen, 100 Millionen Euro bei der Wärmewende einsparen. Weickert wirft Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) unterdessen vor, seiner Rolle als Spielmacher nicht gerecht zu werden: »Es geht um über 100 Millionen und von Ihnen kommt nichts.«
Schau’n mer mal, was die anderen sagen: Franziska Riekewald (Linke) gibt den Trapattoni: »Der Markt regelt einen Scheiß!« – Trump, Putin, China: Die weltpolitischen Rahmenbedingungen seien alles andere als rosig. »Währenddessen haben die in Leipzig von Bund und Land übertragenen Ausgaben die Milliardenschwelle überschritten«, sagt Riekewald und stellt klar: »Wer bestellt, muss auch zahlen. Ansonsten wird es für die Kommunen unbezahlbar.« Die Fraktionschefin appelliert an Bund und Land, die Taktik zu ändern: Von der Schuldenbremse verabschieden, über Einkommens- und Erbschaftssteuer die Kommunen finanzieren. Wieder bekommt der Spielmacher Druck. »Soweit ich weiß, sind Sie in der SPD, Herr Jung«, sagt Riekewald, und die regiere bekanntlich. Den CDU-Antrag zu Stellenstreichung findet Riekewald unseriös, ebenso den Vorstoß, die Axt an die Wärmewende anzulegen: »Die Stadtwerke müssen genug Mittel haben, um Fernwärme auf die Straße zu bringen.« Als »soziales Gewissen« des Stadtrats seien Kürzungen bei der Daseinsvorsorge mit der Linken nicht zu machen.
Auf Linksaußen kommt Eric Recke (BSW) an den Ball: »Auf Landesebene bleibt das Problem der Schuldenbremse.« Aber das BSW zeigt sich variabel im Angriff. Recke auf einmal über rechts: »Bisher nicht überzeugt hat uns das Ausmaß der Investitionen in den Fernwendeausbau.« Jung entgleist im Hintergrund auf der Zehn das Gesicht. Was passiert da auf dem Flügel? Recke hat noch eine Idee: »Wir haben den Verdacht, dass die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes und der Anspruch, Menschen und Gruppen miteinander in Austausch zu bringen«, Recke verzettelt sich etwas, bleibt aber am Ball, »dort durch eine zu exklusive Kultur nicht ausreichend Berücksichtigung findet.« Gemeint sind mal wieder Conne Island, Werk 2 und Nato.
Für den tiefen, braunen Matsch hat Sven Morlok (Freie Fraktion) extra die Alustollen angeschraubt. »Eine Gesellschaft, die sich nur auf Staatskultur, auf Mainstreamkultur stützt, ist nicht wirklich frei«, sagt Morlok und setzt die Grätsche an. »Das haben wir erlebt bei den Nazis, das haben wir erlebt bei der SED und erleben wir jetzt bei Putin in Russland.« FDPler Morlok hat im Abstiegskampf neuen Mut gefasst wirft sich in jeden Zweikampf: »Grüne, Linke und SPD haben mit ihrer Mehrheit im erweiterten Finanzausschuss ständig neue Aufgabenbeschlüsse durchgedrückt. Und das ist die Ursache für das Dilemma, das wir heute haben.« Am Ende einigt er sich auf ein Unentschieden mit den Fraktionen links der Mitte: »Investitionen jetzt zurückzufahren, gefährdet die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt.«