Kurz vor Ende der Sitzung wird nochmal ein Menschenrecht verhandelt. Das auf Wohnen. Nach einer Prüfung will die Stadt jetzt eine soziale Erhaltungssatzung für Teile von Schönefeld aufstellen. Der Milieuschutz dort soll teure Sanierungen und damit höhere Mietpreise verhindern, acht solcher Gebiete gibt es bisher in Leipzig. Gleichzeitig ergaben Prüfungen für Gohlis-Süd und die Südvorstadt, dass hier keine sozialen Erhaltungssatzungen aufgestellt werden könne. Zum Ärger von Elisa Gerbsch (Linke).
Bei der Prüfung sei aus Versehen einen Bereich der Südvorstadt erwischt worden, „in dem Wohnstandards bereits seit Jahren höher sind: Stadtvillen, große Teile der August-Bebel-Straße, die als Prunkstraße entworfen wurde und bis heute auch als solche gilt.“ Östlich der Karl-Liebknecht-Straße zeige sich laut Gerbsch ein deutlich differenzierteres Bild mit starkem Wohnungsmarktdruck. Es sie verantwortungslos, »dass nicht mal der Versuch unternommen wird, Menschen vor Verdrängung zu schützen.« Die Linke beantragt deshalb eine erneute Prüfung der gesamten Südvorstadt.
»Soziale Erhaltungssatzung. Bringt das was?«, fragt Falk Dossin (CDU). »Ja!«, ruft eine Stimme aus dem Rat. »Nein«, sagt Dossin. »Gerade wir hier im ehemaligen DDR-Gebiet wissen, was es bedeutet, wenn Häuser und Immobilien systematisch verfallen, weil Sanierungen zu schwer, zu kompliziert oder zu bürokratisch sind.« Die Immobilienbranche nenne die Erhaltungssatzungen spaßig »Investitionsverhinderungspapier«. Dossin gibt den »analytischen Menschen« – »Sie kennen das von mir« – und spricht von »Ghettoisierungseffekten« und davon, dass Menschen aller »sozialer Schichten« die Möglichkeit haben sollten, ein zu Hause in Leipzig zu finden. Also: bauen, bauen, bauen!
Ohne Rede tritt Tobias Peter (Grüne) ans Mikro. Er müsse nochmal was geraderücken: »Wenn man hier schon von analytisch spricht, muss man sich die Zahlen auch mal angucken.« In den allermeisten Fällen – »95 bis 100 Prozent« – würden Lösungen für Sanierungen gefunden und nicht verhindert. Leiden würden nur Luxusdetails, etwa »abschließbare Griffolive, die amerikanische Küche oder die Fußbodenheizung«. Bezüglich der Südvorstadt warte man die Aussage der Stadt ab, sagt Peter.
Auf Udo Bütows (AfD) hin, laut dem die Immobilienbranche sich unnötiger Bürokratie erwehren müsste, fährt Baubürgermeister Thomas Dienberg (Grüne) aus dem Rollkragenpulli: »Sie haben hier heiße Luft verbreitet. Sie haben über ein solides Bauordnungsverfahren, wovon sie offensichtlich keine Ahnung haben, ein Urteil abgegeben.« Dienberg betont die Relevanz der Erhaltungssatzungen. Als Kommune habe Leipzig »kaum Möglichkeiten, das Thema Bauteuerung maßgeblich beeinflussen zu können.« Gleichzeitig müsse das Instrument sorgsam eingesetzt werden, das Screening in der Südvorstadt gebe eben keinen Milieuschutz her. »Wenn es für die Südvorstadt hier eine Mehrheit geben würde, dann müsste ich den Oberbürgermeister bitten, Einspruch dagegen einzulegen«, sagt Dienberg.
Unfair sei das, sagt Gerbsch: »Entweder es widerspricht Satzungsrecht und sie sagen das auch, aber eine Vermutung in den Raum zu stellen und somit die Stimmen im Stadtrat zu beeinflussen, ist nicht in Ordnung.« Doch Dienberg Einwurfs zeigt Wirkung: Nur die Linken unterstützen ihren Änderungsantrag, Grüne und BSW enthalten sich. Zumindest der Milieuschutz für Schönfeld wird mit eindeutiger Mehrheit verabschiedet.