Skadi Jennicke empfängt uns in ihrem Büro im Neuen Rathaus. Dass die Politikerin (Die Linke) nach mehr als acht Jahren im Amt als Bürgermeisterin und Beigeordnete für Kultur überparteilich agieren kann, sehen wir hier auf dem Tisch: Grüner Tee fließt aus der gelben Thermoskanne.
Waren Sie schon in der Neunziger-Jahre-Ausstellung im Stadtgeschichtlichen Museum?
Ja.
Wie ging es Ihnen da als Privatperson beziehungsweise als Leipzigerin?
Die Ausstellung ist kaleidoskopartig angelegt und hat nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Das ist ein bisschen schwer auszuhalten. Es ist ja auch das Thema der Ausstellung: Wie nah darf ein Museum an die Zeitgeschichte rücken? – Ich vermute, jeder, der die Neunziger in Leipzig verbracht hat, geht aus der Ausstellung und sagt: »Also, das war ganz anders!« Ich finde es mutig vom Museum, sich in dieses Unsicherheitsfeld zu begeben. Es ist erstaunlich, wie schnell man vergessen hat, wie diese Stadt 1990 aussah. Oder auch wie anders man die Stadt als junger Mensch wahrgenommen hat. Die Ausstellung ist auch ein Weg durch die eigene Biografie, eine Einladung zur Auseinandersetzung. Ich war begeistert.
Sie haben ja selbst früher Theater gemacht. Wie sehr vermissen Sie das? Oder andersrum: Wie viel Dramaturgin sind Sie als Kulturbürgermeisterin?
Das dramaturgische Denken verlernt man nicht, das ist für viele Sachverhalte übersetzbar. Der Theaterbetrieb selbst ist inzwischen sehr weit weg und ich vermisse vieles nicht – aber was ich vermisse, ist die Probensituation: Diese geschützte Atmosphäre, in der man wirklich Neues ausprobieren kann und im kleinen, intimen Raum unbeobachtet ist. Das fehlt mir. Ein Gespräch mal ohne Begrenzung zu führen, ist für mich inzwischen ein Luxus.
Umgang mit dem BSW und im neuen Stadtrat
Wir machen einen kleinen Schlenker, ehe wir zur Leipziger Politik kommen: Was haben Sie gedacht, als klar wurde, dass Sahra Wagenknecht Ihre Partei verlässt?
Ach, das ist schwierig, weil das eine sehr dynamische Geschichte ist. Ich habe Sahra Wagenknecht sehr geschätzt, als sie Mitglied der Linken war: als sehr intelligente Frau mit einem scharfen Verstand und einer hohen analytischen Gabe. Als es zur BSW-Gründung kam, habe ich gedacht: Mensch, das ist doch ein Verlust für die Linke – so viel erfolgreiches Spitzenpersonal hatte die Linke ja nicht, schon gar keine Frauen. Aber das sehe ich heute anders. Inzwischen hat sich das BSW völlig anders entwickelt. Ich sehe da politisch kaum noch Schnittmengen. Ich hoffe sehr, dass sich die Linke wieder stabilisiert und ich denke, der Impuls für eine Erneuerung wird aus Leipzig kommen. Hier ist das Fundament stark genug – in allen Facetten, von den Bürgermeistern über eine starke Fraktion bis hin zur Linksjugend und Jule Nagel.
Wie haben Sie seit Herbst die ersten Stadtratssitzungen mit dem BSW und noch stärkerer AfD wahrgenommen?
Die Kultur der Zusammenarbeit im Stadtrat hat sich mit der neuen Zusammensetzung signifikant geändert. Anders als ich dachte.
Inwiefern?
Weil es keine selbstverständlichen Mehrheiten mehr gibt, haben die Fraktionen die Möglichkeit, sich sehr viel stärker zu profilieren, was sie auch tun. Es ist sehr viel kompromissloser geworden, unversöhnlicher, finde ich. Die Stimmgemeinschaft, die sich gegen das Naturkundemuseum versammelt hat, werden wir häufiger sehen, fürchte ich. Ich nehme auch wahr, dass die Überzeugungskraft rationaler Fakten und kausaler Argumentation abgenommen hat.
Wie haben Sie die Diskussion um die vom BSW vorgebrachten Einsparungen bei Conne Island, Nato und Werk 2 wahrgenommen?
Es bleibt das Leipziger Modell – dass man sich Mehrheiten von verschiedenen Fraktionen sachbezogen suchen muss. Aber man braucht dafür jetzt mehr als vier Fraktionen, wo vorher drei gereicht haben. Die Debatte um die Förderung der soziokulturellen Zentren, namentlich Werk 2 und Conne Island, hat es in jedem Förderjahr gegeben. Ich war schon überrascht, dass sich das BSW so vehement positioniert. Aber sie hatten wohl auch nicht mit dem Gegenwind gerechnet. (Update: Es ist zu erwarten, dass BSW diesen Antrag zurückzieht.)
Sie kennen den Stadtrat seit 15 Jahren –
Über diese Zahl bin ich neulich auch erschrocken!
… denken Sie manchmal darüber nach, wie Sie 2009 aufgetreten sind und wie es heute die ausschließlich männlichen Kollegen vom BSW tun?
Die Fraktion ist darum bemüht, einen Unterschied zu machen. Ich glaube aber, dass die Spannbreite der Meinungen dort groß ist. Einige in der Fraktion sind geisteswissenschaftlich geprägt und viel intellektueller als andere, die in der Haushaltsrede im Stadtrat über das Verhältnis Deutschlands zu den USA sprechen.
Sascha Jecht vom BSW, der auch für den Bundestag kandidiert, hat über das Naturkundemuseum gesagt: »Es ist ein Museum und keine übergeordnete Investition in die Wirtschaft oder die Stadt selbst.« Was denken Sie als Kulturbürgermeisterin, wenn Sie so was hören?
Dass man mit Logik und rationaler Argumentation nicht verfängt. Ich kann dem nichts entgegnen, denn ich bin da sprachlos. Ich hoffe sehr auf den Lernprozess – auch gegenseitig, indem man sich über Zusammenarbeit ein bisschen annähert und lernt, einander zu vertrauen. Das würde ich mir wünschen, denn das ist für die kommunale Arbeit wichtig. Mit ideologischen Parolen löst man selten ein kommunales, handfestes, praktisches Problem, baut keine Straße
und auch kein Museum.
Antisemitismusvorwürfe gegen Leipziger Kulturinstitutionen
Apropos. Beides gab es im Herbst bei den Festivals Dok Leipzig und Euroscene; auch in den Hochschulen der Stadt ist der Nahostkonflikt sehr präsent. Hätten Sie gedacht, dass mehr als ein Jahr nach dem 7. Oktober 2023 dieses Thema eher größer als kleiner geworden ist?
Nein. Dass wir in unserer Welt mit einem so massiven Antisemitismus konfrontiert sind, der global zu sein scheint: Man mag mich für naiv halten, aber das habe ich nicht erwartet. Rückblickend hätte man schon bei der Documenta 2022 erkennen können, was für eine Verschiebung in der Welt das ist. Die Dimension hat mich dennoch überrascht und überrascht mich jedes Mal neu, weil man jedem Vorwurf, jedem Konflikt mit einfachen Antworten nicht beikommt. Es ist immer wieder anders und konfiguriert sich neu. Dass wir aber in die Situation gekommen sind, in der ein Antrag einer demokratischen Partei (der CDU, Anm. d. Red.) dem
Dok-Filmfestival ohne substanzielle Begründung Antisemitismus vorwirft und das Festival quasi abschaffen will – eine Tradition von fast 70 Jahren –, darüber bin ich nach wie vor fassungslos.
Das von der Euroscene eingeladene Stück »And here I come« wurde im Oktober mit Verweis auf jenen Stadtratsbeschluss von 2019 abgesagt, der städtische Kultureinrichtungen verpflichtet, sich von Boykottaufrufen gegen Israel zu distanzieren. Das wurde kontrovers diskutiert, schien aber logisch. Auf eine Bürgerfrage dazu später im Stadtrat haben Sie Ende des Jahres geantwortet, es wurde geprüft und die Stadt habe keine Handhabe, um ihre Förderung zu kürzen. Können Sie uns das erklären?
Wir müssen lernen, dass das Zuwendungsrecht kein Instrument der politischen Willensbildung darstellt. Ich kann das Ansinnen der CDU nach einer Antisemitismusklausel durchaus nachvollziehen. Aber das Zuwendungsrecht ist nicht der Ort, wo man das löst. Ich glaube auch nicht, dass man mit einer Antisemitismusklausel Antisemitismus verhindert. Die CDU möchte gerne, dass wir nicht fördern, wenn sich Antisemitismus in irgendeiner Form andeutet. Das entspricht meinem persönlichen Wertekanon. Aber im Zuwendungsrecht so eine Einschränkung zu etablieren – wer sich zum BDS bekennt, darf nicht gefördert werden –, wäre rechtswidrig. Weil das Bekenntnis zum BDS von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Da hatte der Bürger im Stadtrat – auch wenn sein Ton unangenehm war – in der Sache recht. Festivalleiter Christian Watty hatte mir vorab gesagt, dass eine Produktion kommt, die etwas heikel sein könnte.
Das war vorher schon klar? Watty machte einen sehr überraschten, dünnhäutigen Eindruck in der Sache …
Er hatte mir gesagt: »Es ist ein palästinensischer Künstler eingeladen, der tänzerisch
seine Biografie erzählt.« Meine Haltung war: Das muss ja möglich sein, das muss erzählt werden dürfen. Ich hatte Watty gefragt, ob er geprüft hat, ob es einen BDS-Zusammenhang gibt. Er hat gesagt, dass er es geprüft habe und es keinen gebe. Wir können nicht auf Verdacht eine Produktion nicht fördern. Die muss erst mal stattfinden und dann muss es einen strafrechtlich relevanten Vorfall geben – den wiederum nicht wir feststellen, sondern die zuständigen Behörden. Dann wäre eine Rückforderung möglich. Ich kann es politisch kritisieren, aber nicht als Zuwendungsgeber und schon gar nicht präventiv, denn dann sind wir ganz schnell bei Gesinnungsprüfung und sehr weit weg vom Rechtsstaat.
Agnes Wegner, die Rektorin der HGB, erzählte uns, dass gemeinsam mit der Stadt nach einer Lösung gesucht wird, wie man mit dieser Situation umgehen kann. Wie sieht dies konkret aus?
Wir haben interne Schulungen unmittelbar nach der Documenta mit den städtischen
Kultureinrichtungen veranstaltet, zum kollegialen Austausch eingeladen. Wir haben uns externen Impuls geholt. Wir haben interne und öffentliche Veranstaltungen organisiert, um uns in diesen Fragen zu schulen. Wir haben ein Antisemitismuskonzept in der Stadt erarbeitet. Ich bin mit den Hochschul-Rektorinnen, Agnes Wegner und Eva Inéz Obergfell, zu diesen Fragen im intensiven Austausch – an den Hochschulen ist die Dringlichkeit dieser Fragen viel stärker zu spüren, auch viel zugespitzter und radikaler –, auch um gespiegelt zu bekommen, was das international mit uns als Kunst- und Kulturstandort macht. Da habe ich Sorge, dass wir uns ein bisschen isolieren. Auf der anderen Seite bleibt es dabei, dass wir eine historische Verpflichtung haben, uns sehr klar zu positionieren und unversöhnlich zu sein. Bekenntnis zur jüdischen Kultur und zum jüdischen Leben, aber trotzdem aus humanistischer Perspektive die israelische Regierung kritisieren zu dürfen: Dieses Spannungsfeld immer wieder neu auszuhalten und aufrecht zu bleiben, darum geht es.
Gibt es von anderen Institutionen oder Veranstaltern seit Herbst mehr Anfragen beim Kulturamt oder bei Ihnen? Oder anders: Ist die Verunsicherung größer, seit die CDU nicht mehr nur aufs Conne Island blickt?
Die Verunsicherung ist nicht größer als vorher. Ich nehme eine sehr klare Haltung wahr und bin sehr dankbar für diese Kulturszene, die sich so aufrichtig positioniert und sich sogar, wie einige Clubs oder das Conne Island, wirtschaftlichen Risiken aussetzt. Davor habe ich höchsten Respekt und ich finde gut, dass Leipzig das hat.
Personalfragen im Kulturamt und in der Oper
Kommen wir zur einen oder anderen Personalfrage. Tobias Kobe ist seit 1. November amtierender Leiter des Kulturamtes. Warum ersetzt er Antje Brodhun, die seit der Entlassung von Anja Jackes im Januar 2024 das Amt leitete?
Wir haben aus verschiedenen Gründen entschieden, das Interim noch eine Weile aufrechtzuerhalten und noch mal eine Veränderung herbeizuführen.
Frau Jackes hat gegen ihre Kündigung geklagt – und vom Arbeitsgericht Recht bekommen. Was ist denn da schiefgelaufen?
Die Argumentation der Stadt, vertreten durch eine Anwaltskanzlei, die das Dezernat Allgemeine Verwaltung gebunden hat, hat das Gericht offenbar nicht hinreichend überzeugt. Das Personalamt hat im Auftrag des Oberbürgermeisters Berufung eingelegt. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich mich zu einem laufenden Gerichtsverfahren nicht äußern kann.
Die Stadt Leipzig ist in Revision gegangen. Aber was bedeutet das für das Konstrukt mit Herrn Kobe?
Die Entscheidung, Herrn Kobe diese Amtszeit zu übertragen, ist unabhängig vom aktuellen Prozessausgang gefallen. Herr Kobe hat dankenswerterweise die Leitung des Kulturamtes zusätzlich zu seiner Aufgabe als Leiter des Referats für strategische Kulturpolitik übernommen. Beide Funktionen sind Vollzeitjobs und auf ihre Weise herausfordernd. Diese Doppelbelastung für ihn soll und darf kein Dauerzustand sein. Hintergrund ist, dass wir derzeit eine Organisationsuntersuchung mit den Museen durchführen, an deren Ende möglicherweise eine andere Betriebsform für die Museen steht, die sich auf die Aufgaben und damit die neue Ausschreibung zur Leitung des Kulturamts auswirken könnte.
Es ist ja nicht nur im Prozess was schiefgegangen mit Anja Jackes.
Für jeden, der in eine Position kommt, auf der vorher jemand 26 Jahre ein sehr gut geordnetes und durchaus strenges »Regiment« mit klarer Zielorientierung geführt hat, ist es sicher eine Herausforderung. Aber sie ist nicht prinzipiell unlösbar.
Kommen wir zu einer anderen Personalie, deren Verabschiedung nach kurzer Zeit angekündigt ist: Mit Opernintendant Tobias Wolff gab es »unterschiedliche Auffassungen über die zukünftigen Entwicklungen«. Der Mann ist erst seit August 2022 im Amt, wie kann es dazu in so einer kurzen Zeit kommen?
Das merkt man erst im Arbeitsprozess.
Warum erhält dann Stefan Weppelmann eine vorzeitige Entfristung seines Vertrags als Direktor des Museums der bildenden Künste? Nimmt sich die Stadt da nicht unter Umständen Handlungsspielraum?
Während es bei ausschließlich künstlerischen Positionen durchaus üblich ist, zu befristen, ist es bei Positionen, die eine starke organisatorische Verantwortung haben und im städtischen Arbeitsverhältnis stehen, nicht ganz so üblich – ebenso wenig in der Museumswelt. Stefan Weppelmann hat in der Zeit, in der er hier ist, dem Haus eine enorme Stabilität gegeben, er bereitet mit langem Atem große Ausstellungen vor, platziert auch nicht ganz so große Themen. Eine Führungskraft, die das Haus gut führt: Das war insbesondere nach Alfred Weidinger eine wichtige Komponente (Weidinger war ab 2017 Direktor des MdbK, Anm. d. Red.). Der Stadtrat ist einstimmig dem Wunsch nach Entfristung des Vertrages nachgekommen. Das Vertrauensfundament ist stabil. Ganz abgesehen davon merkt man auch außerhalb von Leipzig, dass er ein Fachmann ist, der ein Museum nach vorn bringt. Da war es durchaus hilfreich, sich zu bekennen.
Wie ist Ihre Zwischenbilanz nach einem Jahr kostenlosem Eintritt zu den Dauerausstellungen in den städtischen Museen?
Wir haben im Durchschnitt zwanzig Prozent mehr Besucherinnen und Besucher in den Museen. Darüber bin ich natürlich froh. Eine Befragung wird uns noch etwas über Herkunft, Erwartung und Motivation der Besuchenden sagen können. Auf lange Sicht bin ich überzeugt, dass wir mit attraktiven, kostenpflichtigen Sonderausstellungen den Einnahmeverlust kompensieren können. Es geht aber nicht nur um den Eintritt und die Zahlen. Das Thema ist komplexer, denn die Museen wollen sich in der Aufenthaltsqualität verändern, stärker einladen, Angebote unterbreiten, die zum Verweilen einladen. Wir sind da noch nicht am Ende angelangt.
Haus der Festivals und Einheitsdenkmal
Noch eine Klassiker-Frage: Wie steht es um die Skala?
Ich gehe nach wie vor davon aus, dass die Bundes- und auch die Landesfördermittel zur Verfügung gestellt werden. Wir sind in enger Abstimmung mit beiden Ebenen. In dem Kontext gibt es aber nicht nur das Haus der Festivals in der Gottschedstraße: Unters Dach der internationalen Festivallandschaft der freien Szene gehören auch noch das Filmkunsthaus, die Schaubühne und eigentlich auch noch die Nato. Letztere haben wir baulich aus diesem Fördermittelzusammenhang rausgenommen, weil der Denkmalschutz die Baufreiheit erheblich einschränkt. Für die Nato konnte die Sanierung über PMO-Mittel (Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der DDR, Anm. d. Red.) gesichert werden – ich bin Dirk Panter dankbar, der sich intensiv für diese Projekte eingesetzt hat. Fürs Haus der Festivals in der Skala liegt inzwischen die Planung einschließlich Kostenermittlung vor. Es wird deutlich teurer, als wir ursprünglich geschätzt haben. Die Aufmerksamkeit liegt in gleicher Weise auf den Baumaßnahmen bei der Schaubühne und dem Filmkunsthaus. Auch diese werden wir nicht komplett aus den Fördermitteln finanzieren können und insofern müssen wir mit der neuen Haushaltssituation abwägen, wie wir alle Baumaßnahmen tatsächlich umsetzen. Das wird nicht so schnell gehen, wie wir es uns vorgenommen haben.
Die Ideen für die Skala und die Festivallandschaft der freien Szene sind in einer Zeit auf den Weg gebracht worden, als die Haushaltsprognosen besser waren als jetzt – insofern müssen wir uns damit abfinden, dass wir sie strecken müssen. Wir zweifeln nicht an der Notwendigkeit und am Bedarf dieser Bühne. Wir müssen Wege finden, wie wir das trotz der Haushaltslage finanzieren können.
Bei der Präsentation des Einheitsdenkmals überboten sich Burkhard Jung und Michael Kretschmer gegenseitig in der Freude darüber, dass die weißen Transparente des Gewinnerentwurfs Platz zum Draufschreiben böten – was der Idee der Künstler widerspricht. Was halten Sie von dem Denkmal? Es gibt ja Menschen, die sagen, wir bräuchten Archive und Lernorte zum Nachdenken und Forschen über diese Zeit, statt noch einen weiteren repräsentativen Ort.
Es gab aber schon 2008 den Bundestagsbeschluss und mehrere Stadtratsbeschlüsse für ein Denkmal und damit den Auftrag für einen öffentlichen Ort zur Erinnerung an diese Ereignisse. Auch die Sächsische Staatsregierung ging in die Offensive mit dem Bekenntnis, sich an diesem Denkmal zu beteiligen. Es handelt sich nicht um ein Leipziger Denkmal. Es ist ein Denkmal, das in Leipzig steht, mit europäischen Dimensionen, die von Leipzig aus in Gang gesetzt wurden. Das finde ich im jetzigen Denkmalentwurf. Dass der nicht jedem gefällt, liegt in der Natur von Kunst. Aber der Entwurf hat eine Durchlässigkeit und in der Nichtbeschriftung der Transparente eine Offenheit gegenüber den Projektionen und dem individuellen Erleben. Man kann da nicht wie aus der Neunziger-Ausstellung unzufrieden rausgehen, weil die eigene Geschichte nicht vorkommt. Das individuelle biografische Erleben kann sich in diesem Denkmal entfalten.
Würden Sie das Einheitsdenkmal auf dem dann begrünten Platz der Revolution eigentlich gern als Oberbürgermeisterin der Stadt Leipzig eröffnen?
Die Frage stellt sich gerade nicht.