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Politik

Tanz den Adolf Hitler

Beim Prozess um das Verbot von Compact übt Jürgen Elsässer die Selbstverharmlosung

  Tanz den Adolf Hitler | Beim Prozess um das Verbot von Compact übt Jürgen Elsässer die Selbstverharmlosung  Foto: Tobias Prüwer


»Wenn Sie auf das Knöpfchen drücken, vermeiden Sie die Rückkopplung.« Der vorsitzende Richter Ingo Kraft hat das Verfahren im Griff. Ein Podium für populistische Spiele erhalten Compact-Chef Jürgen Elsässer und sein Anwälte vorm Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig nicht. Das war anfangs zu fürchten. Nach Betreten des mehr als halb vollen Saals und Applaus von einigen Fans lässt sich Elsässer mit dem Compact-Hitler-Cover ablichten. Vielleicht will er an den Zeugenstand Adolf Hitlers erinnern, der 1930 an diesem Ort versicherte, die NSDAP bewege sich im Rahmen der Legalität? Später bedient er die Dimitroff-These, ohne zu erwähnen, dass dessen Schöpfer einige Jahre später hier auf der Anklagebank saß. Zum Prozessauftakt am Dienstag, bei dem es um das Verbot seines rechtsextremen Magazins Compact geht, zeigt sich Elsässer sehr variabel in der Interpretation seiner politischen Rolle.

Unter den goldenen Landeswappen von Baden und Hessen verhandeln fünf Verwaltungsrichter das Vereinsverbot gegen die Compact Magazin GmbH im Hauptverfahren. Im vergangenen Jahr setzte das BVerwG das Verbot durch das Innenministerium per Eilverfahren vorläufig aus. Das Verbot wurde damit begründet, dass Compact nicht nur ein Magazin, sondern Vernetzungsmedium für die extrem rechte Szene sei. Es mache mobil für die AfD und Putin. Der Remigrations-Propagandist Martin Sellner würde protegiert. Wiederholt sei die Rede von »Asylbombe«, »Passdeutschen«, »Globalisten« und »Finanzjudentum« die Rede gewesen.

Darüber wird nun voraussichtlich bis Donnerstag am BVerwG verhandelt. Nach der Fotoreporter-Session nimmt Elsässer auf Klägerseite neben seiner Ehefrau Stephanie Platz, mit der er immer wieder Händchen hält. Rund 120 Menschen befinden sich im Saal, einschlägige Szene-Youtuber sitzen zwischen Journalisten. Unruhe entsteht zu keiner Zeit in den von zwei Pausen getrennten sieben Verhandlungsstunden. Darin gehts im Kern ums Verhältnis von Vereinsrecht zu Pressefreiheit.

Die GmbH sei kein Verein, sondern ein Presseunternehmen, führt Compact-Anwalt Ulrich Vosgerau aus. Für dieses gelte die Pressefreiheit. Richter Kraft erinnert die Kläger an den Vorwurf, Compact sei keine normale Publikation und stelle eine Gefährdung für die verfassungsmäßige Ordnung dar. Er liest ein Elsässer-Zitat vor, das vom »Sturz des Regimes« als Ziel handelt, vom »Entscheidungskampf«, in dem man »eine Machtperspektive verfolge«. Compact-Vertreter sähen sich als Teil einer Bewegung.

Fürs Bundesinnenministerium argumentiert Anwalt Wolfgang Roth. Die Verfasser des Grundgesetzes hätten »Hetzmedien« wie den Stürmer vor Augen gehabt und darum natürlich ein mögliches Verbot solcher Medien eingeräumt. Mit Zitaten versucht er, den verfassungsfeindlichen Charakter zu belegen. Richter Kraft schiebt die Bewertung der gesammelten Materialien auf. Er will zunächst technische Fragen und juristische Details erörtern. Das gründliche Vorgehen ist angemessen, schließlich ist die Pressefreiheit ein hohes Gut. So erhält Elsässer kein Podium für Populismus. Er und seine Anwälte sind schließlich sogar auf mäanderndem Argumentationskurs zu beobachten.

Mal lobt der Anwalt Elsässers »Journalismus mit Haltung« – »Haltungsjournalismus« ist eigentlich ein rechter Kampfbegriff –, dann habe er das alles nicht so ernst gemeint. »Blumig, heroisch« nennt Elsässer seinen Stil, den er einst bei linken Medien gelernt haben will. »Ich könnte aus meiner Autobiografie vorlesen«, sagt er, diese hochhaltend. Im Journalismus müsse man scharf formulieren, die kraftstrotzenden Worte sollten Spender animieren und Leser werben.

Nachdem Elsässer mit Zitaten aus eigenen Editorials seine Selbstverharmlosung exerziert, hält Anwalt Wolfgang Roth mit anderen Editorials dagegen. »Wo steht das?« Jürgen Elsässer will nicht glauben, von der »Umvolkung hin zu einer Mischrasse« fantasiert zu haben. Die juristische Bewertung der Aussagen und damit ihre potentielle Staatsgefährlichkeit wird verschoben. 17.55 Uhr beendet Richter Ingo Kraft den ersten Verfahrenstag. Am Mittwoch geht es mit der eigentlichen Materialschlacht weiter.


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