Es war zwar eine Überraschung, aber dennoch ein Schock: Bis 2020, eröffnete das zwischenstaatliche Gremium für Klimawandel IPCC der erschrockenen Weltgemeinschaft, müssen die CO2-Emissionen weltweit massiv zurückgefahren werden, sonst droht der Welt der Klimakollaps. »Es bleibt keine Zeit mehr für halbe Sachen, der ganz große Wurf muss her!«, sprechen seither Politiker aller Couleur der Presse in die Mikrofone und machen sich flugs daran, die Welt zu retten. So wurde auf dem EU-Klimagipfel im März beschlossen, dass bis 2020 der CO2-Ausstoß der EU um 20 Prozent verringert werden soll. Außerdem sollen 20 Prozent des Energiebedarfs der EU aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Dann ist ja jetzt alles klar, oder?
Es war zwar eine Überraschung, aber dennoch ein Schock: Bis 2020, eröffnete das zwischenstaatliche Gremium für Klimawandel IPCC der erschrockenen Weltgemeinschaft, müssen die CO2-Emissionen weltweit massiv zurückgefahren werden, sonst droht der Welt der Klimakollaps. »Es bleibt keine Zeit mehr für halbe Sachen, der ganz große Wurf muss her!«, sprechen seither Politiker aller Couleur der Presse in die Mikrofone und machen sich flugs daran, die Welt zu retten. So wurde auf dem EU-Klimagipfel im März beschlossen, dass bis 2020 der CO2-Ausstoß der EU um 20 Prozent verringert werden soll. Außerdem sollen 20 Prozent des Energiebedarfs der EU aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Dann ist ja jetzt alles klar, oder?
Nein, denn der Teufel steckt wie so oft im Detail, d. h. in diesem Falle dort, wo gespart werden soll. Es geht wie immer ums Geld. Jeder verteidigt mit Zähnen und Klauen die Pfründe der heimischen Wirtschaft, seien es Kohle- oder Atomkraftwerke oder spritfressende Luxusautos. »Wer jetzt japanisch fährt, verrät im Grunde Baden-Württemberg«, zeterte Günther Oettinger, CDU-Ministerpräsident des Ländles, mit Blick auf die Tatsache, dass japanische Hybridautos deutlich sparsamer sind als der durchschnittliche Mercedes-Benz. Und auch auf George W. Bush ist Verlass: »Es ist nicht die Verschmutzung, die unserer Umwelt schadet. Es sind die Unreinheiten in unserer Luft und im Wasser, die das tun«, weiß er und stellt sich taub, wenn es darum geht, dass auch die USA Emissionen reduzieren sollen. Seine Freunde aus der Öl-Lobby lobten derweil einen Preis von 10.000 US-$ für denjenigen aus, der die Studie des IPCC widerlegt. Wissenschaftlich, versteht sich.
Energiesparen fängt zu Hause an, und hier kommen die Kommunen ins Spiel. Seit 1993 ist Leipzig Mitglied eines Zusammenschlusses mit dem monströsen Namen »Klimabündnis europäischer Städte mit den indigenen Völkern der Regenwälder zum Schutz der Erdatmosphäre«. Als Teil dieses Bündnisses hat sich die Stadt verpflichtet, ihre einwohnerbezogenen CO2-Emissionen im Zeitraum von 1990 bis 2010 um 50 Prozent zu senken. Ob dieses ambitionierte Ziel erreicht werden kann, ist noch nicht sicher, im Rathaus ist man aber guter Dinge (siehe Interview auf Seite 15). Leipzig, eine klimapolitische Erfolgsgeschichte?
Die Geschichte des Klimaschutzes begann in Leipzig mit der Wende. Die ersten drastischen Reduktionen des CO2-Ausstoßes waren allerdings alles andere als freiwillig: Sie waren eine Folge der Schließung der Industriebetriebe und hatten einen hohen Preis. Doch viele Einsparungen waren durchaus gewollt: Vor allem die Sanierung der Wohnhäuser, bei denen veraltete Heizungssysteme durch moderne ersetzt wurden, hatten viele Einsparungen zur Folge.
Die Kosten dafür trug der Eigentümer – Investitionen, die sich rentiert haben dürften. Für städtische Gebäude gab es ein Contracting-Programm. Hier wurden die notwendigen Sanierungsmaßnahmen durch Dritte vorfinanziert und dann aus den eingesparten Energiekosten abgezahlt. Die Emissionen reduzierten sich also auf »natürliche« Weise. Dieses Einsparungspotenzial ist aber schon in den 90er Jahren nahezu ausgeschöpft worden.
Kommunaler Klimaschutz wird dann schwierig, wenn er anfängt, Geld zu kosten, oder die Menschen ihre Gewohnheiten umstellen müssen. Seit der Wende musste niemand mehr zwölf Jahre warten, um mit dem eigenen Auto zusätzliches CO2 in die Luft zu blasen, heute möchte man nicht mehr darauf verzichten. Das gestiegene Verkehrsaufkommen ist daher mehr und mehr zum Problem geworden. Das gilt nicht nur im Bereich der Treibhausgasemissionen, sondern auch beim Feinstaub. Und gerade bei Letzterem hagelt es für Leipzig derzeit allen Klimaschutz- und Luftreinhalteplänen zum Trotz schlechte Noten. In einem vom BUND im Jahr 2006 herausgegebenen Städteranking, das die Maßnahmen gegen Feinstaub bewertet, lag Leipzig nur noch vor den Städten, die die vorgeschriebenen Luftreinhaltepläne noch nicht erstellt hatten. Auch die gesetzlich festgeschriebenen Richtwerte für Feinstaubbelastung wurden in den letzten Jahren mehrfach gerissen.
Um diese Probleme in den Griff zu bekommen, beschloss der Stadtrat bereits 2005 das Klimaschutzprogramm der Stadt Leipzig. Eine der zentralen Ideen ist die »Stadt der kurzen Wege«: Arbeitsplatz, Einkaufsmöglichkeiten und Wohnung sollen dicht beieinander liegen, Zersiedlung durch ausufernde Vororte, wie sie im Westen der Republik oft ein Problem sind, vermieden werden. Den Klimaschutz bereits in der Stadtplanung zu verankern ist eine kluge Idee, sie bringt viel und kostet wenig. Die Frage ist aber, ob sie auch dann umgesetzt wird, wenn potente Investoren mit großen Geldbündeln winken.
Außerdem soll es in Leipzig mehr Fahrradwege geben und auch der ÖPNV soll attraktiver werden: So wird der Fuhrpark erneuert und auch von
Kundenorientierung bzw. -service ist, man lese und staune, die Rede – der Weg ist also noch recht weit. Von der Attraktivität der Fahrpreise ist in diesem Papier vorsichtshalber nichts zu lesen. Es zahlt der Kunde – und das höchst widerwillig.
Und auch hier deutet sich ein Verteilungskampf an. Jeder der Akteure, seien es Stadt, Bürger oder kommunale Unternehmen, ist für den Klimaschutz. Dafür in die eigene Tasche greifen möchten allerdings die wenigsten. Es ist auffällig, dass dieses Klimaschutzprogramm fast ohne zusätzliche Mittel auskommt. Alles muss durch die Budgets der zuständigen Ämter abgedeckt werden, hie und da sind ein paar zusätzliche tausend Euro genehmigt worden.
Dafür gibt es einen Haufen Beratungsangebote und Projekte für Bürger, ortsansässige Unternehmen oder potenzielle Investoren, wie der Energieverbrauch gering zu halten oder mit erneuerbaren Energien abzudecken ist. Hier stehen nicht nur die kommunalen Unternehmen, allen voran die Stadtwerke, in der Pflicht; viele dieser Beratertätigkeiten wurden an ehrenamtliche Vereine ausgelagert. Die Kosten der Umsetzung werden ebenfalls von Dritten übernommen, Fördermittel gibt es indes kaum. Dafür werden ökologisch sinnvolle Investitionen von Hausbesitzern mit der »grünen Hausnummer« prämiert, damit sich die Bürger orientieren können.
Auch wenn es um die kommunalen Einrichtungen geht, ist man bisher kaum bereit, Geld auszugeben. So hofft man, alleine durch die »Motivation und Schulung der Gebäudenutzer« städtischer Immobilien 30 Prozent Energie einsparen zu können. Zur Sanierung der Gebäude gibt es ein Intracting-Programm (dasselbe wie Contracting, nur eben stadtintern), das eine Anschubfinanzierung von immerhin 100.000 € erhält, sich dann aber selbst tragen muss. Weiterhin sollen Dächer von städtischen Immobilien für private Solaranlagen zur Verfügung gestellt werden – gegen Bezahlung, versteht sich. Zur CO2-Kompensation sollen im Rahmen des bestehenden Budgets jährlich 1.000 Bäume gepflanzt werden. Und nicht zu vergessen: »Es werden Aktionen zur stärkeren Nutzung von Diensträdern durchgeführt« – wenns hilft.
Ob diese Maßnahmen wirkungsvoll sind oder nicht, ist jetzt noch nicht abzuschätzen. Was nichts kostet, muss deshalb nicht automatisch nichts wert sein. Fraglich ist allerdings, ob man ohne Geld effektiven Klimaschutz betreiben kann. Es müssen Anreize geschaffen werden, der Appell an das Gewissen reicht nicht aus – so sind die Menschen nun mal. Dazu müssten angesichts der knappen Kassen Mittel umgeschichtet werden, um voranzukommen.
Doch hier zeichnet sich der nächste Verteilungskampf ab: Wer muss etwas von seinem Budget abgeben? Oper oder Klimaschutz?
Am Ende steht die wenig originelle Erkenntnis, dass wohl jeder auf etwas verzichten muss. Frische Luft ist eben nicht umsonst.