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Politik

»Wir leben in einer sensiblen Seifenblase«

Der Comiczeichner Ralf König über Homophobie, Religion und seine Schirmherrschaft über den Leipziger CSD

  »Wir leben in einer sensiblen Seifenblase« | Der Comiczeichner Ralf König über Homophobie, Religion und seine Schirmherrschaft über den Leipziger CSD

Seit 30 Jahren porträtiert Ralf König in seinen Comics mit viel Humor die schwule Subkultur. In letzter Zeit hat er sich auch religiösen Themen zugewandt. Im Herbst erscheint der dritte Teil seiner Bibeltrilogie »Antityp«.

Seit 30 Jahren porträtiert Ralf König in seinen Comics mit viel Humor die schwule Subkultur. In letzter Zeit hat er sich auch religiösen Themen zugewandt. Im Herbst erscheint der dritte Teil seiner Bibeltrilogie »Antityp«.

kreuzer: Wie sind Sie als Kölner zur Schirmherrschaft des Leipziger CSD gekommen?

RALF KÖNIG: Man hat mich in einer Situation erwischt, in der ich zu allem Ja sage (lacht). Wenn CSDs noch ein bisschen kleiner sind und mit Herzblut gemacht werden wie der in Leipzig, dann gibt es dort oft mehr Politik, Spaß und Originalität.

kreuzer: Was stört Sie an den großen CSDs?

KÖNIG: Der CSD-Zug in Köln ist inzwischen größer als der Rosenmontagszug. Leider gibt es dort so viel kommerzielle Werbung, dass aus den Augen gerät, worum es eigentlich geht. Vor zwei Jahren wollten wir mitdemonstrieren. Als Bodyguards kamen und uns cool von der Straße schoben, stiegen zwei Models aus einer Limousine und machten Werbung für einen Energydrink. Das fand ich so absurd: Leute, die demonstrieren wollen, werden von der Straße geschoben, damit die Werbung ihren Platz hat.

kreuzer: Das Motto des Leipziger CSD lautet »Homophobie ist heilbar«. Stimmt das?

KÖNIG: Ja. Menschen, die homophob sind, sind entweder selbst latent schwul und wollen es nicht wahrhaben, oder sie kennen keine Schwulen. Vorurteile entstehen immer durch Unkenntnis. Homophobie ist dann heilbar, wenn man jemand kennenlernt, der schwul ist und der kaum anders ist als andere Leute auch. Auch ich erreiche mit meinen Comics Leute, die sonst mit Schwulen und Lesben überhaupt nichts zu tun haben. Die kommen so an das Thema heran – und das mit einem gehörigen Schuss Sympathie. Meine Sachen sind nie ganz unpolitisch, selbst wenn keine dicke Message darunter steht.

kreuzer: In Deutschland sind drei Spitzenpolitiker offen schwul, in den Medien gibt es zahlreiche bekennende Schwule und Lesben. Ist dadurch die Homophobie kleiner geworden?

KÖNIG: Ich denke schon. Dass es einen schwulen deutschen Außenminister gibt, der auch mit seinem Freund auf Reisen geht, finde ich gut. In den Unterhaltungsmedien halte ich aber das Schwulenbild für verzerrt: zu tuntig, zu schrill. Das Bild sollte sich langsam überlebt haben. Auch auf dem CSD richten sich die Kameras immer nur auf die supertoll aufgepushten Transvestiten, nie auf die ganz normalen Menschen.

kreuzer: Dennoch: Diskriminierung von Homosexuellen ist in den letzten Jahren weniger geworden. Ist das eine kontinuierliche Entwicklung?

KÖNIG: Es könnten wohl Wellen sein. Das betrifft aber nicht nur das Schwulsein, sondern das Liberale allgemein. Die Zeiten werden wieder repressiver. Wir leben hier in einer kleinen, ganz sensiblen Seifenblase, in der Leute überhaupt über die Homo-Ehe reden können. In fast allen Teilen der Erde herrschen ganz andere Zustände. In Deutschland ist schon viel erreicht, aber wir müssen über unser bisschen Freiheit, das über Jahrzehnte erkämpft wurde, glücklich sein und es verteidigen.

kreuzer: Sie zeichnen seit den frühen 80er Jahren Comics über Schwule. Wie haben die Menschen damals darauf reagiert?

KÖNIG: Damals habe ich vor allem für linkspolitische Schwulenblätter gezeichnet, Schwule in der Öffentlichkeit waren ein großes Tabu. Meine Comics waren lange ein Insidertip, da waren die Reaktionen positiv. Und als 1987 »Der bewegte Mann« bei Rowohlt herauskam, stand ich plötzlich im Rampenlicht, habe aber selten wirklich negative Reaktionen bekommen.

kreuzer: Sie haben in letzter Zeit Comics über Religion gemacht. Wieso dieser Themenwechsel?

Schöpfer und Schöpfung: Ralf König vor einer seiner Arbeiten
KÖNIG: Die Kirche ist nun mal ein Hauptzündler gegen Schwule. Wenn man im Katechismus der katholischen Kirche zum Thema Homosexualität nachliest, steht da, dass Gott das nicht will und gleichgeschlechtlicher Sex in keinem Falle zu billigen ist. Darauf wird viel zu wenig reagiert. Mit dem 11. September und dem Karikaturenstreit wurde Religion wieder zum Thema. Als ich für die FAZ den Comicstrip »Prototyp« zeichnete und mir die Adam-und-Eva-Geschichte als Thema aussuchte, kam so viel Empörung auf, dass ich dachte, da muss man weitermachen.

kreuzer: Karikaturen oder Witze werden von organisierten Religionen nicht gerne gesehen. Warum haben die so ein Problem mit Humor?

KÖNIG: Alle Machtstrukturen haben Angst vor Humor, weil er etwas Entlarvendes hat. Die Personen, die alles so bitter ernst nehmen, werden lächerlich gemacht. Jeder soll seinen Gebetsteppich ausrollen und seinen Altar aufbauen, aber wenn sich Gruppen bilden, die glauben, dass sie automatisch recht haben, weil Gott auf ihrer Seite ist, und dann aussortieren, welcher Mensch davor besteht und welcher nicht, dann wird’s gefährlich. Ich wehre mich gegen solche Leute. Das ist unerträglich.

kreuzer: Sie haben auf den Karikaturenstreit mit einer preisgekrönten Bilderserie reagiert.

KÖNIG: Dass wegen ein paar Karikaturen die Botschaften brannten und Menschen starben, hat mich erschüttert und wütend gemacht. Aber noch mehr hat mich geärgert, dass der Westen sich so schnell einschüchtern lässt. Das ist auch der Inhalt dieser neun Cartoons, die ich an einem Vormittag aus dem Bauch heraus gemacht habe. Erst wollten einige Redaktionen die haben, aber nach der Redaktionssitzung am nächsten Tag hüstelte man zurück und traute sich dann doch nicht. Das hat mich wirklich sehr erschreckt. Aber die Doppelfolge »Cartoon Wars« von South Park ist der genialste Standpunkt zum Karikaturenstreit. Solche Leute sind Helden.

kreuzer: Wie vermeidet man denn, dass man sich selbst zensiert?

KÖNIG: Das ist ein Seiltanz. Als ich »Dschinn Dschinn« gemacht habe, ein Buch, in dem es auch um den Islam geht, gab es schon die Vorfälle um Salman Rushdie und Theo van Gogh. Da merkte ich, dass ich vorsichtig bin, was ich 30 Jahre lang nie war. Ich hatte Hemmungen, Reizwörter wie Scharia oder Allah in die Sprechblasen zu packen. Ich zeichne keinen Propheten, weil ich nicht lebensmüde bin, aber auch, weil ich keinen Grund dazu habe. Genauso habe ich in »Antityp« vermieden, Jesus zu zeichnen. Das gehört da nicht hin. Ich bin nicht darauf aus, zu beleidigen, aber ich will meine Freiheit des Ungläubigen auch gesichert wissen.


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