anzeige
anzeige
Politik

»Da ist viel zu wenig Aufbegehren«

Leipzigs Polizeipräsident Horst Wawrzynski über rechte Gewalt und das NPD-Zentrum in Lindenau

  »Da ist viel zu wenig Aufbegehren« | Leipzigs Polizeipräsident Horst Wawrzynski über rechte Gewalt und das NPD-Zentrum in Lindenau

In letzter Zeit ist aufgrund des Aufsehen erregenden Prozesses um den Tod des 19-jährigen Irakers Kamal K. viel über rechte Gewalt diskutiert worden. Doch nicht nur die spektakulären Fälle verdienen Beachtung. Ein Gespräch mit Leipzigs oberstem Polizisten über die ganz alltägliche Dimension der rechten Gewalt rund um das NPD-Zentrum in Lindenau.

kreuzer: In den vergangenen Wochen gab es wieder verstärkt Vorfälle in Lindenau, bei denen Menschen angegriffen worden sind. Was war der Auslöser?

HORST WAWRZYNSKI: Die rechte Szene braucht keinen großartigen Auslöser. Sie ist hinlänglich bekannt dafür, jede Gelegenheit zu nutzen, den vermeintlich politischen Gegner anzugreifen, wenn sie in einer entsprechenden personellen Stärke vor Ort ist. Wir sind aber immer sehr vorsichtig mit der Einqualifizierung von Delikten, wenn wir den Täter nicht kennen und nicht eindeutig der rechten Szene zuordnen können. Doch der Angriff auf die Bäckerei im Casablanca war rechtsmotiviert, keine Frage. Auch die Auseinandersetzung am Lindenauer Markt, bei der ein Transparent herrunter gerissen wurde. Der junge Mann, der in der Folge angegriffen wurde, hat ebenfalls eine Aussage getätigt, dass die Täter vermutlich aus der Odermannstraße kommen. Wir haben sie aber leider noch nicht fassen können.

kreuzer: Und wie viele rechtsextreme Vorfälle waren im letzten Jahr in Lindenau zu verzeichnen?

WAWRZYNSKI: Im vergangen Jahr waren es 162 Vorfälle in Leipzig, bei der politisch links motivierten Kriminalität hatten wir 105 Fälle. Konkret für den Bereich Lindenau liegen mir die Zahlen nicht vor.

kreuzer: Während des Kunstraumfestivals Lindenow haben sich Zeugenaussagen zufolge zwanzig Nazis durch Lindenau bewegt, Parolen skandiert und Menschen bedroht. Welche Rolle spielt denn die Odermannstraße als Rückzugsraum für solche Aktionen?

WAWRZYNSKI: Ich bin überzeugt, dass die Odermannstraße ein zentraler Punkt ist, um sich – insbesondere nach Staftaten – in den Schutz dieser Liegenschaft zurück zu ziehen. Den Nachweis können wir bloß nicht führen, das ist unser Problem. Wir sind auch in besagter Nacht in dem Gebiet unterwegs gewesen und konnten die Personengruppe nicht ausfindig machen. Wohin sich diese dann zurückgezogen oder zerstreut hat, ist uns bis heute unbekannt.

kreuzer: Dennoch wurde berichtet, dass sie stundenlang angeblich durch das Viertel gelaufen sind und Menschen bedroht haben. Was tut die Polizei bei solchen Vorfällen?

WAWRZYNSKI: Wir haben an diesem besagten Abend Unterstützungskräfte gehabt, die haben das Gebiet abgesucht, aber keine Feststellungen getroffen. Die Problematik sind da oft zu allgemeine Aussagen. Zeugen müssen uns bitte sagen: Zu welchem Zeitpunkt, an welchem Ort und in welche Richtung sich die Täter entfernt haben.

kreuzer: Welchen Einfluss auf das Viertel haben solche Vorfälle? Haben die Menschen Angst?

WAWRZYNSKI: Ja, da sind sicherlich Ängste dabei. Kurz nachdem ich hier mein Amt angetreten habe, etwa zeitgleich, als das Zentrum in der Odermannstraße entstand,  ist mir berichtet worden, dass Ladenbesitzer aus der rechten Szene heraus bedroht wurden. Es ist soweit gegangen, dass die Angst hatten, Anzeige zu erstatten. Auch mit dem Theater der Jungen Welt sind wir sehr eng in Kontakt. Die führen sehr zeitkritische Stücke auf, auch was die Rechten angeht. Sicherlich fühlen die sich auch bedroht.

kreuzer: Einige Betroffene der letzten Wochen sagen, in Lindenau sei eine neue Bedrohungssituation erreicht.

WAWRZYNSKI: Der kurze Intervall zwischen den Vorfällen muss das Sicherheitsgefühl der Menschen dort stark beeinträchtigen. Wir werden verstärkt auf Streife fahren in der Hoffnung, dass sich die rechtsextreme Seite da nicht traut, tätig zu werden. Zufrieden werden die Menschen aber erst dann sein, wenn die Odermannstraße nicht mehr von den Rechtsextremen genutzt wird. Da bin ich mir ganz sicher.

kreuzer: Was kann die Polizei da tun und wie kann sie helfen?

WAWRZYNSKI: Ich glaube, da sind wir die falschen Ansprechpartner. Diese Gesellschaft hat Probleme mit dem Rechtsextremismus und damit müssen wir uns auseinandersetzen. Wir als Polizei können sicherlich im Bereich Gefahrenabwehr aktiv werden. Wenn etwa das Theater der Jungen Welt ein Thema behandelt, das die Rechten emotional angehen wird, sind wir mit Kräften präsent, damit die gar nicht erst den Versuch unternehmen, Leute anzugreifen. Bei Straftaten ist es selbstverständlich unsere Aufgabe, die Täter zu fassen und die Strafanzeige zum Erfolg zu führen.

kreuzer: Dennoch haben mich Berichte erreicht, dass die Polizei manchmal sehr lange braucht, bis sie vor Ort erscheint.

WAWRZYNSKI: Das Zeitempfinden von Betroffenen ist in solchen Situationen äußert gestört. Wenn Sie bei einem Notfall den Rettungsdienst rufen, der immer sehr schnell ist, sind das für Sie gefühlte Ewigkeiten. Es mag aber durchaus auch Einzelsachverhalte geben, bei denen die Kollegen länger gebraucht haben. Das müssten wir jetzt abprüfen. Wir haben natürlich eine begrenzte Anzahl von Funkstreifenwagen, die im Stadtgebiet unterwegs sind. Da kam man auch nicht ausschließen, dass es tatsächlich manchmal etwas länger dauert.

kreuzer: Was raten Sie Menschen, die Zeugen von rechter Gewalt werden?

WAWRZYNSKI:  Aufgrund der Jedermannsrechte dürfen sie bei Straftaten an die Täter rangehen, das muss aber jeder für sich entscheiden. Ich rate davon ab, sich als Einzelner oder als kleinere Personengruppe gegen so einen Mob zu stellen. Die sind brutal, da läuft man immer Gefahr, selbst Schäden davon zutragen. Wichtig wäre es, sofort die Polizei anzurufen, die Anzahl der Personen und, wenn diese sich entfernen, die Abgangsrichtung zu melden. Zudem müssen wir wissen, ob jemand verletzt ist, damit wir den Rettungsdienst unterrichten können.

kreuzer: Und wie sollte man als Opfer damit umgehen?

WAWRZYNSKI: Zu uns kommen, den Vorfall anzeigen. Oft werden Opfer bedroht, damit sie keine Anzeigen machen. Aber es ist der falsche Weg, solche Bedrohungen hinzunehmen und untätig zu bleiben, dadurch fühlen sich die Täter bloß noch mehr ermuntert.

kreuzer: Was würden Sie sich denn von den politischen Akteuren wünschen?

WAWRZYNSKI: Man muss ja aus meiner Sicht dieses Thema täglich neu austragen, da ist die Breite Masse der Gesellschaft noch nicht genug sensibilisiert. In Dresden haben zwar viele Menschen versucht, gegen dieses rechte Phänomen ihren Standpunkt darzustellen, aber es ist noch viel zu wenig Aufbegehren da. Vielleicht unterschätzt man auch die Problematik des rechtsideologischen Gedankengutes. Die Gesellschaft sollte viel deutlicher Farbe zu zeigen, bunte Farben.


Kommentieren


3 Kommentar(e)

Bernd 13.07.2011 | um 13:50 Uhr

Rechtschreibfehler!!!

daahl 14.07.2011 | um 23:32 Uhr

Mensch, das ist doch bloße Propaganda von Wawrzynski, um hier auch mal beim Kreuzer-Publikum als der tolle Police-Officer dazustehen, der ja soooo engagiert ist im Kampf gegen die Nazis. Wer sich mal bei LVZ.de die Fotostrecke zu dieser erneuten, völlig sinnlosen "Polizei-Großaktion" heute anschaut, der sieht woher der Wind wirklich weht. Da kommen die Robocops in Horden an und durchsuchen die Stiefel von irgendwelchen Leuten Dass der Kreuzer sich von so einem Typen hier einlullen lässt finde ich echt armselig!

michael mahler 19.07.2011 | um 15:36 Uhr

unsere tolle leipziger polizei. bei freien und selbständig organisierten brücken- oder parkpartys innerhalb von 5min vor ort und teilweise rechtswidrig diese für leipzig typischen kulturellen sachen auflösen und verbieten, aber messerstechende meuten dürfen stundenlang in der innenstadt marodieren oder nazis ausgelassene spaziergänge unternehmen.von polizei keine spur. ihr seid so großartig liebe leipziger polizei.mein freund und helfer..^^ diese profilierungs-aktion hier so unkritisch hinzunehmen zeigt wie schlecht der kreuzer geworden ist. sorry leute, hab euch immer gern gelesen, aber es geht seit monaten bergab mit euch. schade, dabei wart ihr mal die stimme eines großen spektrums leipziger bürger und hattet was zu sagen.damit ists wohl zu ende.