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Politik

»Weiß als Chiffre für europäische Kultur«

Der Leipziger Juraprofessor Thomas Rauscher fiel mit rassistischen Tweets auf, dem kreuzer will er sich erklären

  »Weiß als Chiffre für europäische Kultur« | Der Leipziger Juraprofessor Thomas Rauscher fiel mit rassistischen Tweets auf, dem kreuzer will er sich erklären

»Ich lehne die Multikulti-Ideen einer offenen Migration ab«: Thomas Rauscher will sich erklären. Darum zeigte sich der Jura-Professor der Universität Leipzig zum Telefonat mit dem kreuzer bereit. Er fühlt sich unverstanden, allein gelassen und unter Druck gesetzt – von außen und der Universität. Dabei habe er doch bloß auf Twitter von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht.

Das sah unter anderem so aus: Anno 2016 zwitscherte er »Je suis Pegida«: »Es gibt keinen friedlichen Islam. Dschihad ist der Auftrag dieser Leute. Deutschland wird sich mit dem wohlmeinenden Irrtum selbst zerstören.« In diesem Jahr folgen Aussagen wie »Wir schulden den Afrikanern und Arabern nichts. Sie haben ihre Kontinente durch Korruption, Schlendrian, ungehemmte Vermehrung und Stammes- und Religionskriege zerstört und nehmen uns nun weg, was wir mit Fleiß aufgebaut haben.« Montag vergangener Woche teilte er einen Link zu einem Artikel über rechtsradikale Demonstrationen in Polen und kommentierte ihn mit den Worten: »Polen: ›Ein weißes Europa brüderlicher Nationen.‹ Für mich ist das ein wunderbares Ziel!«

Bereits 2016 distanzierte sich das Rektorat der Universität von Rauschers Äußerungen, sah sie aber als Privatmeinungen nicht im Konflikt mit seiner Rolle als Forschender und Lehrender. Es verwies auf die Meinungsfreiheit, weshalb dienstrechtliche Maßnahmen nicht folgten. Darüber hinaus nahm die Rektorin die causa zum Anlass, eine Podiumsdiskussion mit Rauscher über die Grenzen der Meinungsfreiheit zu organisieren. Auf die jüngste Twitter-Botschaft fiel die Reaktion der Universitätsleitung deutlicher aus. Sie kündigte disziplinarische Maßnahmen an: »Wir werden nun Untersuchungen einleiten und dienstrechtliche Schritte gegen Herrn Prof. Rauscher prüfen«, so das Rektorat. Kritik kam auch aus Dresden, zum Beispiel schrieb die Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Eva-Maria Stange, auf ihrem privaten Twitter-Account: »Die ausländerfeindliche Meinung von Rauscher kritisiere ich scharf.« Es sekundierte die Staatskanzlei: »Die privaten Äußerungen von Prof. Rauscher entsprechen nicht dem weltoffenen und toleranten Anspruch unserer Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen.«

Studentischer Protest erfolgte am Donnerstag während einer Vorlesung von Thomas Rauscher, in der Studierende mit den entsprechenden Tweets Rauschers Haltung dokumentierten. Auch die unvermeidliche Onlinepetition wurde gestartet – Protest 2017 scheint nicht ohne Change.org auszukommen. Am Dienstag nahmen dann zwischen 600 und 900 Menschen (Angaben der Gruppe Durchgezählt) an einer Kundgebung teil, auf der Redebeiträge von Vertreter und Vertreterinnen verschiedener linker und/oder studentischer Gruppen, eines Juraprofessors und eines Jurastudenten zu hören waren. Dabei hielt ein Mann ein Plakat mit »Gegen linken Meinungsterror und Globalfaschismus« und wurde ausgebuht. Der Gegenprotestler drückt gut Rauschers Position aus.

»Meinungsfreiheit bedeutet für mich«, sagt er dem kreuzer, »dass man seine Meinung als Professor in den Grenzen des strafrechtlich Zulässigen äußern darf, wie als Privatperson auch.« Dabei übersieht er – wie üblich im Lager der »Besorgten«, »Ethnopluralisten« und mit welchen Etiketten sie sonst rassistische Äußerungen (noch) salonfähig(-er) machen wollen –, dass Meinungsfreiheit keine Einbahnstraße ist. Rauscher durfte ja offensichtlich tweeten, was er wollte, nur muss er eben Kritik aushalten können. Auch das gehört zur Meinungsfreiheit dazu.

Hatte Rauscher schon im vergangen Jahr den Vorwurf, Rassist zu sein, auf kreuzer-Nachfrage als »geradezu absurd« bezeichnet, so wiederholt er das: »Bei dem Satz bleibe ich.« Und weiter: »Rassismus ist für mich nicht, wenn man einräumt, dass es diverse Kulturen gibt. Wenn man nicht mehr darüber reden kann, ob Europa seine bisherige Kultur bewahren will oder zu einer Mischkultur kommen will, wie man sie in den USA hat, das ist eine Grundsatzfrage.« Er nennt sich selbst einen »für fremde Kulturen begeisterten Menschen«, der seit Jahrzehnten viele Reisen mache. »Weltoffenheit ist für mich, dass man Austausch pflegt, voneinander lernt, aber nicht, dass man versucht zu amalgamisieren am Ende, sondern gerade die Eigenheiten in ihrer Verschiedenheit als wertvoll ansieht.« Damit folgt er nicht nur einem Kulturverständnis der sogenannten Neuen Rechten, die Menschen statt über Blut nun beispielsweise über Habitus in Gruppen teilt und Individuen ebenso in Kollektive presst. Herkunft bleibt hier weiterhin das entscheidende Diskriminierungsmerkmal. Wenn Rauscher sagt, »die diversen Kulturen in ihrer Diversität zu erhalten ist mein Anliegen«, dann passt das darüber hinaus auch zu jenen Linken, die Kulturen in identitätspolitischen Exklusionszirkeln essentialisieren.

An seinem Lob eines »weißen Europas« kann Rauscher nichts finden: »Weiß« sei eine »Chiffre für europäische Kultur, wie sie sich entwickelt hat, die natürlich eine Kultur eines weiß besiedelten Europas war.« Und das müsse eben vor »massenhafter Migration« geschützt werden. Die werde angetrieben durch »hausgemachte Probleme« in Afrika, wie der Überbevölkerung. »In den Kolonialzeiten sind sicher Fehler entstanden, aber die Selbstzerstörung durch Stammeskriege und Ähnliches, das hat ja nicht unmittelbar mit der Kolonialzeit zu tun.« Immer wieder spricht er von »Arabien«.

Zu Pegida sagt Rauscher, dass er sich aufgrund von Morddrohungen gegen dessen Gründer Lutz Bachmann mit diesem »solidarisieren« wollte. Er stehe nicht hinter Pegida, »verstehe aber den ein oder anderen in seinem Gefühl der Machtlosigkeit.« Das fremdenfeindliche Demonstrationsbündnis »ist mir insgesamt a) nicht intellektuell genug und b), die Art und Weise, wie sie sich nach außen darstellen, schadet insgesamt jedem vernünftigen nationalkonservativen Ansatz.« Auch zur AfD bezieht er Position: »Die Migrationspolitiken der AfD teile ich, wirtschaftspolitisch stehe ich wo anders.«

Seinen Twitter-Account hat Thomas Rauscher gelöscht, weil er »schlicht dem Druck nicht mehr standgehalten« habe. Die Unileitung habe demnach nicht den Kontakt zu ihm gesucht. Im Gegenteil, er sieht eine Revolte gegen sich im Gange: »Herr Drygala gehört zu Initiatoren des Aufstandes.« Tim Drygala ist Dekan der Juristenfakultät. Die klassische Opferhaltung spricht aus Thomas Rauscher. Denn nicht nur uniintern fühle er sich ungerechtfertigter Kritik augesetzt, ja an den Pranger gestellt: »Offen gestanden halte ich den Wirbel für weit überzogen. [...] Ich habe auch Anlass zu glauben, aufgrund von Informationen, die ich vertraulich bekommen habe, dass das Ganze innerhalb Sachsens organisiert ist, und zwar, dass da eine Journalistin bei Spiegel Online eine tragende Rolle spielt, die sichtlich von Aktivisten aus der Universität eingeschaltet worden ist.«


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4 Kommentar(e)

Rauscher Thomas 22.11.2017 | um 21:08 Uhr

Sie schreiben mir "klassische Opferhaltung" zu. Ich übersähe, "wie üblich im Lager der Ethnopluralisten", dass man Kritik aushalten müssen. Sie übersehen hierbei, dass ich keinerlei Problem mit Kritik habe und auch gerne mit jedem diskutiere. Der Ruf nach der Obrigkeit und Drohungen mit Berufsverboten sind jedoch keine Kritik, sondern Maßnahmen, um Meinungsfreiheit zu unterbinden. Vorverurteilungen ohne Anhörung durch eine Behörde sind zudem rechtsstaatswidrig. Verwechseln Sie also bitte nicht zulässige Kritik und unzulässige, die Meinungsfreiheit beschränkende behördliche Drohungen.

ybacu 23.11.2017 | um 13:39 Uhr

Da kann man dem Kreuzer nur recht geben: der absolut klassische Opfer-Schlumpf y

Jonas 23.11.2017 | um 19:03 Uhr

Das ist doch mittlerweile vor allem im Osten Gang und Gebe, es geht dabei vor allem um die Deutungshoheit der breiten Masse gegenüber. Sowohl von "rechts" und der "Mitte", vor allem aber von "links" Beliebte Begriffe sind dabei z.B. Verschwörungstheorietiker, Anarchist, Rassist, Sexist, Faschist oder Nazi. Dies bedeutet, die Masse über ein gewähltes Medium (hier eine Zeitung) in eine bestimmte Richtung zu lenken. Also Gedankengänge und mögliche unangenhme Tatsachen mit Begriffen zu labeln, um diese gedanklich zu "versperren" & eine basisdemokratische freie Diskussion zu unterbinden, im Endeffekt um einzuschüchtern. Meist steckt eine ideologische Agenda & Angst dahinter. Also ob das noch groß jemand ernst nimmt, es hat sich aus-rechtisiert und zieht immer öfter nicht mehr. Teilweise lachen viele nur noch drüber... Unabhänger meiner Meinung zum Sachverhalt eine bedenkliche Entwicklung, bei der am Ende meist nur die Gewalt übrigbleibt, um die eigene moralisch korrekte Meinung aufzudrücken.

ybacu 25.11.2017 | um 16:38 Uhr

Wie üblich in der "man wird doch mal sagen dürfen" Fraktion verwechselt Rauscher Meinungsfreiheit mit "alle stimmen mir zu und niemand darf mir widersprechen". Klassische Opferhaltung trifft dies nur zu genau. y