Das Netzwerk »Die Komplizenschaft« will einer »immer größer werdende Lücke zwischen Lebenswelten« entgegenwirken. Kunst-Redakteurin Britt Schlehahn befürchtet jedoch, dass solche Initiativen nur versuchen, aus ihrem Elfenbeinturm heraus zu wirken, ohne selbst die Lücke zum Da-draußen zu überspringen.
Das Netzwerk »Die Komplizenschaft« hat sich im Mai zum ersten Aktionstag getroffen. Es wurde von Leipziger Kunst- und Kulturschaffenden initiiert, die sich »für einen respektvollen gesellschaftlichen Austausch einsetzen«. Anstoß zur Tat gab die Beobachtung, dass »eine immer größer werdende Lücke zwischen Lebenswelten« herrsche. Oder anders formuliert: Netzwerken gegen Rechts im Wahljahr.
Komplize bedeutet Mittäterschaft im negativen Sinne des Strafrechts. Jemand heckt etwas aus und ich stehe Schmiere. 2013 erschien das Buch »Komplizenschaft: Neue Perspektiven auf Kollektivität«, das die vormals gern mit Mafia-Strukturen verbundene kriminelle Verbundenheit nun positiv pragmatisch auf Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft ummünzte. Die Mittäterschaft besteht so in kreativen, temporären Allianzen, die zielorientiert agieren.
Die Leipziger Komplizenschaft richtet sich in erster Linie an »Museen und Theater in Leipzig, Dresden und Chemnitz, aber auch gemeinnützige Vereine und Kulturinitiativen in ländlichen Regionen zum Zwecke der Herstellung von Synergien«.
Nach dem ersten Treffen in der Galerie für Zeitgenössische Kunst soll es weitergehen. Eine Initiative ist dabei sehr konkret: Kino in Bewegung. Es geht um das Zeigen von bewegten Bildern an anderen Orten, ins Gespräch kommen, in Workshops mehr über sich und die anderen erfahren. Bisher sind Aktionen in Olbernhau und Glauchau geplant.
[caption id="attachment_77422" align="alignright" width="127"] Kunst-Redakteurin Britt Schlehahn.[/caption]
Mit den lokalen Akteuren vor Ort ins Gespräch zu kommen und zu planen – das stellt eine Form der Komplizenschaft dar und die kann sehr zeitintensiv und komplex werden. Denn solch ein Projekt darf sich nicht zum Kinderschminken gegen Rechts entwickeln. Heißt: Die in Leipzig wahrzunehmende abgeschottete Ausstellungspolitik und die intensiv praktizierte Schulterklopfpolitik im Kunstfeld, die sich auf ein hervorragendes Netzwerken versteht, aber Kritik außen vorlässt, darf solche Initiativen nicht bestimmen.
Hierbei werden nämlich auch einige Zusammenhänge sichtbar, die gern im Diskursalltag dahergeplappert werden: Wer nimmt die Sprecherrolle ein? Wie funktioniert Handeln auf Augenhöhe mit Akteuren aus anderen sozialen Zusammenhängen?
Leicht wirken gut gemeinte Vorschläge wie kolonialistisches Gebaren – wir Städter, Künstler sogar, erklären euch jetzt mal die Demokratie –, wenn sie nicht vor Ort verankert sind. Darin liegt die Gefahr und dagegen hilft eigentlich nur eins: Die Leute aus Bautzen, Borna und Wurzen sollen uns erst mal erklären, was man tun kann gegen Rechts.
Im Sportfeld gibt es seit fast zehn Jahren das zuerst in Ostdeutschland und mittlerweile auch in Westdeutschland vom Bundesinnenministerium geförderte Projekt »Im Sport verein(t) für Demokratie«. Dabei geht es um demokratiefeindliches Verhalten und Konfliktmanagement in Vereinen im ländlichen Raum – vom Fußballverein, dessen Fans rechte Obertrikotagen am Spielfeldrand tragen, bis zu Generationskonflikten. Stolz erklärte vor wenigen Wochen der sächsische Innenminister Sebastian Gemkow (CDU) die intensive Nutzung des Demokratietrainings, denn die Zahl der Projekte nimmt nicht ab, sondern zu.
Besonderer Wert wird bei dem Projekt darauf gelegt, dass der Demokratietrainer nicht lehrmeisterhaft das Problem naseweiß referiert. Von solchen Projekten kann das Kunstfeld viel lernen, muss dazu allerdings selbst erst einmal die Lücke zum Da-Draußen überspringen.