Genka Lapön leitet das Referat für Gleichstellung und ist zugleich die städtische Gleichstellungsbeauftragte. Im Gespräch erklärt sie, wie es darum in der Stadt bestellt ist.
kreuzer: Wie steht es um die Repräsentanz von Frauen in Leipzig?Genka Lapön: Vor allem in strategischen Bereichen wie Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sind Männer überrepräsentiert. Hier geht es um Macht und Tradition. Wir sind aus den Geschichtsbüchern gewohnt, hier Männer zu sehen. Und auch medial wird das Bild vermittelt – besonders auffällig sind die VIP-Fotos von Empfängen. Zudem sind im produzierenden und Baugewerbe mehrheitlich Männer vertreten, in den sozialen Berufen sind es vor allem Frauen. Auch hier geht es um Tradition und auch Bezahlung. In Krisenzeiten wird sogar oft die Frage gestellt, warum man diese Tätigkeiten wie Erziehung und Pflege überhaupt bezahlen soll. Macht man das nicht aus Solidarität für die anderen? Beim Auto- oder Hausbau wird das niemand fragen.
kreuzer: Wie wird das sichtbar?Lapön: Leipzig hat 88 Ehrenbürger, da ist keine einzige Frau darunter – seit 1832. Bei den Denkmälern sind es zwei. Und auch bei den Straßen- und Schulnamen gibt es ein starkes Übergewicht bei den Männern. Da fehlt die Vorbildfunktion, weil Frauenleistungen aus dem gesellschaftlichen Gedächtnis gelöscht sind. Oder sie hatten gar keinen Zugang zu Bildung oder politischen Räumen – und wer keinen Zugang hat, hinterlässt auch keine Spuren.
kreuzer: Wie sieht es in der Stadtverwaltung aus?Lapön: Nach oben wird die Luft dünner für Frauen. Immerhin haben wir zwei Bürgermeisterinnen. Und die werden auch nicht in Frage gestellt. Man hat sich daran gewöhnt. Bei den Ämtern und Referaten haben wir 18 zu 23 Männern, das ist gar nicht so schlecht. Und hier wechseln die Geschlechter bei Besetzungen einer Position auch immer wieder, so dass sich das sehen lassen kann.
kreuzer: Was kann die Stadt tun?Lapön: Wichtig ist es, Verhältnisse sichtbar zu machen. Zweitens ist Nachwuchsarbeit wichtig, die Chancengleichheit im Fokus hat. Wir haben ein Mentoringprogramm, das sich nur an Studentinnen
der Uni und der HTWK richtet. Sie haben Mentoren und Mentorinnen, die aus
Führungspositionen kommen, und besuchen verschiedene Ämter, um Chancen kennenzulernen.
kreuzer: Weil Verwaltung nicht sexy erscheint?Lapön: Stadtverwaltung klingt nicht sehr attraktiv. Als Studierende habe ich hochfliegende Pläne. Da denkt man nicht an Stadtverwaltung oder nur: Muss ich Bescheide für die Hundesteuer ausstellen oder als Politesse draußen herumlaufen? Das Mentoring läuft im siebten Jahr und es klopfen weitere Hochschulen an. Ein dritter Punkt sind transparente Bewerbungsverfahren mit Interviewleitfäden. Und wichtig: Vereinbarkeit darf nicht allein mit Frauen verbunden sein. Man darf einer Frau mit drei Kindern nicht deswegen den Aufstieg verwehren, aber auch keinem Mann die Teilzeit, weil er ein Mann ist. Und dann ist noch eine geschlechtergerechte Erinnerungskultur wichtig.
kreuzer: Wie kann man die fördern?Lapön: Wir haben auf unseren Internetseiten 190 Porträts von Frauen, die etwas für Leipzig geleistet haben. Daran orientieren sich die Stadträte, wenn es um Namensgebungen geht. Sie werden aber auch rege im Unterricht zur Regionalgeschichte genutzt. Man sollte nicht nur auf Krieger und Feldherren schauen, sondern auch, wer zum Beispiel die erste Stifterin für Leipzig war.
Mehr zum Thema (Un-)Gleichheit in Leipzig lesen Sie in der Titelgeschichte der Mai-Ausgabe des kreuzer.