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Politik

Leerer Stuhl

Sachsens Kulturförderung ist unterbesetzt – fatales Signal zur Krisenzeit

  Leerer Stuhl | Sachsens Kulturförderung ist unterbesetzt – fatales Signal zur Krisenzeit

Die Kulturstätten bleiben verrammelt, Kunstschaffende können nicht auftreten, ihre Werke nicht zeigen. Weiterhin heißt es für sie mehr Bangen denn Hoffen. Während der Freistaat allerhand Geld zur Kulturförderung in die Hand genommen hat, verwundert, dass ausgerechnet das für allgemeine Kulturförderung und die Kulturräume zuständige Referat seit mehr als einem Jahr unbesetzt ist.

Insgesamt 2.819 Kunstschaffende haben in Sachsen das von der Staatsregierung aufgelegte Stipendium »Denkzeit« erhalten. Das Programm sah eine zweimonatige Förderung in Höhe von insgesamt 2.000 Euro vor. Abfangen konnte das die Kultur-Katastrophe natürlich nicht. »Wir haben drei neue Förderrichtlinien für insgesamt rund neun Millionen Euro für Tourismus und Kultur aufgelegt«, sagt Manja Kelch, Referentin des Ministeriums für Wissenschaft, Kultur und Tourismus (SMWK). »So werden Modellprojekte, Tourismus, Tierparks und zoologische Gärten, freie Musikschulen sowie freie und private Musik- und Tanzlehrkräfte und Kleinprojekte gefördert.«

Kunstschaffende an sich, ihre Institutionen und Auftrittsstätten sind nicht vorgesehen. Kelch verweist auf die Richtlinie »Corona-Härtefälle Kultur«, die bis zum 31. Dezember 2021 verlängert wurde. Fürs Jahr 2020 seien an 313 Zuwendungsempfänger insgesamt 5.032.397 Euro bewilligt worden – bis Ende Februar 2021 wurden davon 5.012.639 Euro ausgezahlt. »Trotz der Auswirkungen der Pandemie auf die Kultur haben wir alles Machbare getan, dass die Dichte, Vielfalt und Reichhaltigkeit der Kulturlandschaft in Sachsen erhalten bleibt«, sagt Kelch. Der neue Doppelhaushalt sehe mehr Geld als in den vorangegangenen Jahren vor. »Spätestens im Sommer soll ein Kulturdialog mit den Regionen angestoßen werden.«

Fragwürdige Besetzungen

Auffällig ist, dass das am SMWK für Kulturförderung zuständige Referat 22 seit anderthalb Jahren unbesetzt ist. Das ist umso erstaunlicher, weil auch andere Personalien in der Abteilung Kunst Fragen aufwerfen: Der Abteilungsleiter Manfred Franke war zuvor der persönliche Referent von Ministerpräsident Michael Kretschmer. Mit Fachkenntnissen im Bereich Kultur, ganz zu schweigen von Kulturförderung, ist er bisher nicht aufgefallen. Er erhielt seine Stelle ohne vorherige Ausschreibung.

Aus einem ganz anderen Sachbereich ist auch Gordian Meyer-Plath gekommen. Er war bis Juni vergangenen Jahres der Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes – und wurde schließlich ohne Begründung in die Abteilung Kunst des SMWK versetzt. Seitdem ist er, dem unter anderem aufgrund seiner Mitgliedschaft in einer Burschenschaft mangelnde Aufklärungsbereitschaft in Sachen extreme Rechte vorgeworfen wurde, zuständig für Strukturwandel und lndustriekultur, Europa und Internationales.

Laufendes Verfahren

Auf die lange unbesetzte Stelle in der Kulturförderung angesprochen, erklärte Pressereferentin Kelch: »Die Stelle wurde planmäßig im vergangenen Jahr ausgeschrieben und eine Auswahl wurde getroffen. Leider hat sich der Stellenantritt verzögert, wir hoffen aber auf einen baldigen Dienstbeginn der neuen Referatsleiterin.« Wer die Stelle besetzen soll, sagte sie nicht. »Das Stellenbesetzungsverfahren für die Referatsleitung läuft derzeit noch.« Die Aufgaben der Referatsleitung würden bis zur Neubesetzung »stellvertretend und vollumfänglich« durch Mitarbeiter des Referates übernommen. Zu Verzögerungen sei es dadurch aber nicht gekommen. »Die Kolleginnen und Kollegen, die teilweise schon sehr lange und mit großer Erfahrung im Referat arbeiten, haben nahezu im Dauereinsatz alle Aufgaben und die wichtige Krisenkommunikation ohne jeden Zeitverzug erledigt.« Dass es ein fatales Signal ist, wenn eine für die Kultur in Sachsen so entscheidende Stelle gerade in einer Krisenzeit derart lange unbesetzt bleibt, mag sie nicht erkennen.


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1 Kommentar(e)

Leoni Peters 20.05.2021 | um 00:32 Uhr

Das Stipendium »Denkzeit« sah eine zweimonatige Förderung in Höhe von insgesamt 2.000 Euro vor. Die im Artikel beschriebenen 4.000 Euro wären tatsächlich angemessener gewesen. Die Künstler*innenförderung in Sachsen ist in Betracht der Qualität und der Vielfalt, auch hinsichtlich des Outputs der beiden Kunsthochschulen zu gering. Sie müßte dringend verbessert werden. Der defizitäre Zustand hat zur Folge, dass gute Künstler*innen nach dem Studium nach Berlin abwandern. Eine gute Künstler*innenförderung hat auch nichts mit "Sozialhilfe-Programmen" zu tun. Sie stärkt aber die Internationalität des Standortes. Denn Internationalität sollte in Sachsen gepflegt werden. Die kommt nicht von außen... Dazu gehören auch Reisestipendien und kuratierte Ausstellungen oder Aufführungen der entstandenen Werke. Für die Mitarbeiter*innen und Resortleiter*innen sollte eine qualifizierte kulturhistorische oder kunstwissenschaftliche Ausbildung doch Bedingung sein? Dann sähe in Sachsen die Kunst vielleicht auch wieder zeitgenössischer, aktueller und diskursiver aus und würde nicht den privaten Galerien überlassen werden?