Eine Anfrage der Linken im Stadtrat zeigt: Veränderungen an der Kamenzer Straße 12 scheinen keine Eile zu haben. Die Gedenkstätte für Zwangsarbeit zeigt sich enttäuscht.
Das erste Mal seit Langem erfolgte die Stadtratssitzung wieder in Präsenz. Als der Tagesordnungspunkt »Anfragen an den Oberbürgermeister« an die Reihe kommt, steht an erster Stelle der »Umgang mit dem ehemaligen Außenlager des KZ Buchenwald in der Kamenzer Straße 10/12«. Wie der kreuzer im April berichtete, weigerte sich die sächsische Denkmalpflege, das Gebäude zu einem Kulturdenkmal zu machen – und das, obwohl das Gelände derzeit von Rechten genutzt wird. Eine vor Ort angelegte Gedenktafel wurde wiederholt geschändet. Die Linke hatte den kreuzer-Artikel zum Anlass genommen, um nachzufragen, wie der aktuelle Stand seitens der Stadtverwaltung ist.
Die Linke wollte ganz konkret vom Oberbürgermeister wissen, ob die Stadt genaue Kenntnisse über die Besitzverhältnisse und die Nutzung des Objektes besitzt, für wann die Einrichtung der Gedenktafel geplant sei und wie die Stadt die Entscheidung des Landesamtes für Denkmalpflege bewertet. Baubürgermeister Thomas Dienberg antwortete kurz und knapp auf die Fragen: »Zur Nutzung der Gebäude wird der Eigentümer aktuell angehört.« Die geplante Gedenktafel sei im städtischen Gedenktafelprogramm 2021-2025 vorgesehen, ein genaueres Zeitfenster existiere bisher noch nicht. Es könne allerdings sein, dass die Stadt auf ihrem eigenen Boden in der Kamenzer Straße auch eine Gedenkstele errichtet - wann, steht in den Sternen. Zur Bewertung der Entscheidung des sächsischen Landesamt für Denkmalpflege sagte Dienberg: »Die Stadt Leipzig hält die Einschätzung des Landesamtes aufgrund der fragmentierten Überlieferung des baulichen Bestandes für angemessen und nachvollziehbar.« Wenn allerdings neue Dokumente auftauchen sollten, würde die Stadt das alles noch einmal prüfen. Keine Fragen aus dem Stadtrat, nächster Tagesordnungspunkt.
»Fehlendes Zeichen der Anerkennung«
Ein schwaches Zeichen: Ein Jahr nach dem ersten Stadtratsbeschluss bleibt die Zukunft der Kamenzer Straße 12 ungeklärt. Enttäuschung klingt auch bei der Gedenkstätte für Zwangsarbeit an. Der kreuzer fragte nach den Hoffnungen, die der Antrag gemacht hat. »Wir haben von diesem Antrag über die Recherche im Ratsinformationssystem erfahren. Grundsätzlich sind wir froh über solche Nachfragen zu länger zurückliegenden Stadtratsbeschlüssen und deren Umsetzung. Wir hatten gehofft, dass es einen konkreteren Zeitplan für die Umsetzung einer Gedenk- und Informationstafel gibt. Die jetzt angegebene Zeitspanne bis 2025 ist unseres Erachtens viel zu lang. Jetzt gibt es noch Überlebende, für die ein solches Gedenkzeichen am Ort des ehemaligen KZ-Außenlagers HASAG Leipzig ein wichtiges Bekenntnis der Stadt Leipzig zu ihrer NS-Vergangenheit und ein Zeichen der Anerkennung für ihr Leiden an diesem Ort wäre«, sagt Josephine Ulbricht von der Gedenkstätte.
Zudem unternahm die Stadt bisher noch keine Initiative, um überhaupt ein Gespräch mit den Akteuren rund um die Erinnerungskultur in der Kamenzer Straße aufzunehmen. »Insgesamt ist es sehr irritierend«, sagt Ulbricht nach der gestrigen Ratssitzung, »dass es nach dem nüchternen Vortrag der Stellungnahme keine einzige Nachfrage aus dem Stadtrat gab.« Die Gedenkstätte hätte beispielsweise interessiert, in welcher Form die Auskünfte von dem derzeitigen Eigentümer eingeholt werden oder wie das genaue Vorgehen hinsichtlich der Gedenktafel sein wird. Ulbricht wendet ein: »Auch bei der Frage des Denkmalschutzes hätte man nachhaken können, denn uns ist nach wie vor nicht klar, wie eine Behörde eine solche Entscheidung – dass dieses Gebäude keine Denkmalwürdigkeit besitzt – trifft, ohne dass das Gebäude von innen besichtigt wurde.« Die gestrige Stadtratssitzung hätte gezeigt, dass »das Engagement für den Erinnerungsort in der Kamenzer Straße sehr zu wünschen übrig lässt und das schon seit Jahren. Das ist sehr enttäuschend und es bleibt die Frage, warum das so ist.«