Vor dem Leipziger Arbeitsgericht wurden in den vergangenen Wochen Klagen ehemaliger Beschäftigter gegen den Getränkelieferanten Durstexpress, der jetzt Flaschenpost heißt, verhandelt. Versuche seitens der Klägerinnen einen Vergleich mit dem Unternehmen zu erzielen, waren zuvor gescheitert. Die meisten stehen nun mit leeren Händen da.
Der Lieferdienst hatte im Januar dieses Jahres Massenentlassungen veranlasst, nachdem die Oetker-Gruppe das Start-up Flaschenpost aufgekauft hatte. Der Kaufpreis soll bei etwa einer Milliarde Euro gelegen haben. Damit kommt dem Konzern unter dem neuen alten Namen Flaschenpost eine erhebliche Machtstellung in der Branche zu.
Vor dem Leipziger Arbeitsgericht stellte sich nun die Frage, ob eine Betriebsübernahme stattgefunden hat: Wurden Fahrzeuge, Betriebsmittel und Kundenstamm übernommen? Dann wären die Entlassungen in Leipzig rechtswidrig, argumentierte die Vertreterin des DGB-Rechtsschutzes am Freitag vor Gericht.
Es habe keine Betriebsübernahme stattgefunden, argumentierten dagegen die Rechtsvertreter von Flaschenpost gegenüber dem kreuzer. »Bundesweit blieb die weit überwiegende Mehrheit der Durstexpress-Standorte bestehen«, teilt der Pressesprecher der Flaschenpost, Martin Neipp, auf Anfrage mit. Nicht so in Leipzig: Das frühere Lager der Durstexpress wurde aufgelöst, die meisten Beschäftigten kurzfristig entlassen, obwohl einige von ihnen noch kurz zuvor Vertragsverlängerungen unterschrieben hatten.
Die entlassenen Arbeiterinnen und Arbeiter hätten sich, so argumentiert die Oetker-Gruppe, bei Flaschenpost neu bewerben können. »Es hat uns gefreut, dass viele der betroffenen Mitarbeiter dieses Angebot auch angenommen« haben, erklärt Neipp für das Unternehmen. Doch Beschäftigte berichten davon, dass eine neuerliche Bewerbung mit einer erheblichen Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen einhergegangen wäre.
Das bestreitet Neipp: »Hinsichtlich der Entlohnung erwartete die Mehrheit der Durstexpress-Mitarbeiter in der Logistik bessere Gehaltsbedingungen als bislang, sowohl was den Grundlohn als auch die Option auf Leistungszulagen betrifft.« Zudem seien die von Schließungen betroffenen Mitarbeiter höher eingruppiert worden, um ihre bisherige Arbeitserfahrung zu honorieren.
»Da wir aber weniger Bewerbungen von Durstexpress-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bekommen haben als erhofft, suchen wir auch extern nach neuen Kolleginnen und Kollegen«, erklärt er für die Firma. Ganz so attraktiv, wie es das Unternehmen darstellt, scheinen die Arbeitsbedingungen also nicht zu sein.
Das bestätigten auch Recherchen der Taz. Danach würden viele Beschäftigte bei Flaschenpost unter befristeten Kettenverträgen nur knapp über dem Mindestlohn arbeiten. Es gebe keine Garantie auf die vereinbarten Arbeitsstunden und nur die wenigsten würden die Zuschläge tatsächlich erhalten. Von direkten Angriffen auf Gewerkschaftsarbeit ist gar die Rede.
In Leipzig sollte kurz vor der Schließung des Standortes ein Betriebsrat gegründet werden, teilt die Gewerkschaft Nahrungsmittel, Genuss und Gaststätten (NGG) dem kreuzer mit. Diese Pläne sind mit den Entlassungen und der Standortschließung vorerst vom Tisch. Der Verdacht steht im Raum, dass die Betriebsleitung die Initiative mitbekommen und in ihre Entscheidung einbezogen hat.
Das Unternehmen dementiert das: »Wir weisen diese Behauptung aufs Schärfste zurück«, heißt es aus der Presseabteilung der Flaschenpost. Die Entscheidung sei nach rein betriebswirtschaftlichen Kriterien gefällt worden. Ihrer Kalkulation folgend seien weder Fahrzeuge, Betriebsmittel und Kundenstamm übernommen worden. Die Entlassungen seien somit rechtens gewesen, argumentierten die Anwälte im Arbeitsgericht.
Die Arbeiterinnen und Arbeiter mussten vor Gericht ihre Niederlage eingestehen, weil das Gegenteil kaum nachweisbar ist. In den meisten Fällen folgte die Kammer der Darstellung des Unternehmens, sodass die Mehrheit der knapp 80 klagenden Beschäftigten nun mit leeren Händen dasteht.