Am #TagDerDeutschenEinheit geht der #Nobelpreis an einen schwedischen Wissenschaftler der in #Sachsen arbeitet – was für ein schönes Symbol: der Osten Deutschlands ist längst ein Ort internationaler Exzellenz.« (Rechtschreibung und Interpunktion hier wie folgend im Original) – Ministerpräsident Michael Kretschmer macht vor, wie man gratuliert. Man leitet etwas vom Prestige um, damit Glanz auch auf etwas anderes fällt. Hier ist es neben Sachsen gleich ganz Ostdeutschland, das der Nobelpreisträger Svante Pääbo mit Ruhm bekleckert. Kretschmer war nicht der Einzige, der den Nobelpreis für die eigene Sache reklamierte. »Das ist der erste offen queere Nobelpreisträger«, überschrieb das Online-Magazin Queer.de. Schwer tat man sich im rauschenden Blätterwald auch, das Ereignis und Pääbos paläogenetische Erkenntnisse über ausgestorbene Homininen und die menschliche Evolution einzuordnen. Die Komplexität ist wohl der Grund, warum der Boulevard nicht mit »Wir sind Nobelpreisträger – Wir sind Pääbo« auf Seite eins aufmachte.
Natürlich sind Glückwünsche zulässig. Dass sich das Max-Planck-Institut freut, wo Pääbo als Abteilungs-Direktor forscht und wo er seine bahnbrechenden Erkenntnisse gewonnen hat, versteht sich von selbst. Wenn die hiesige Universität ihm laudatiert, auch – immerhin ist er einer ihrer Honorarprofessoren. Eine bescheidene Nachricht kann gar etwas schelmisch wirken. »Leipzig darf stolz sein, ein wenig dazu beigetragen zu haben« (OBM Burkhard Jung). »Internationale Spitzenforschung Made in Sachsen« (Die Sächsische Union) geht aber doch etwas weit. Wie auch: »Bahnbrechende Erkenntnisse entstehen durch Exzellenz, Internationalität & interdisziplinäre #Wissenschaft. In #Leipzig haben wir nach 1990 einen Ort geschaffen, an dem dies alles zusammen kommt.« (Michael Kretschmer)
Es scheint, als könnten es viele nicht fassen, dass der Medizinnobelpreis an Elster und Pleiße ging. »Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin geht an den schwedischen Mediziner und Biologen Svante Pääbo. Er forscht und arbeitet in Leipzig.« (Süddeutsche Zeitung), »Medizinnobelpreis 2022: Svante Pääbo und seine Neandertaler-Forschung in Leipzig« (Leipziger Internetzeitung). Die Standort-Frage war einem Deutschlandfunk-Reporter wichtig: »Welchen Anteil hat Ihre Arbeit in Deutschland, in Leipzig, an dem Stand all dessen, was Sie erforscht haben, und an dieser Auszeichnung?« Missverständliches ist bei T-Online zu lesen: »Leipziger Forscher werfen Nobelpreisträger in Teich«. Zum Glück klärt der Stern auf: »Spezielles Feierritual: Leipziger Medizin-Nobelpreisträger wird von seinen Kollegen in den Teich geworfen«.
Biografisch näherten sich andere Texte: »Leipziger Preisträger Svante Pääbo – Schon sein Vater gewann einen Nobelpreis« (T-Online). »Auf Umwegen zum Nobelpreis: Wie Svante Pääbo zum DNA-Pionier wurde« (Tagesspiegel). Seriös bleibt man bei Spektrum: »Der Genetiker, der den Neandertaler in uns fand« und »Paläogenetik: Svante Pääbo über Neandertaler und Covid-19«. Die mögliche Relevanz für die Gegenwart interessierte wiederum andere. »Neandertaler schlägt Corona-Impfstoff«, meinte man bei Doccheck: »Stockholm ist so was von retro. Statt an die Covid-Impfstoffe geht der Medizin-Nobelpreis an die Neandertaler-Forschung. Zu Recht: Svante Pääbo ist eine tolle Wahl – und ein bisschen klinische Relevanz gibts auch.« Der Stern hebt die Pandemie ebenfalls hervor: »Medizinnobelpreis-Gewinner: Forschung könnte zu besserer Covid-Behandlung führen«. Enttäuscht gibt sich die Taz: »Der Schwede Svante Pääbo erhält für seine Erkenntnisse zu Neandertalern den Nobelpreis für Medizin. Corona-Forscher:innen gehen erneut leer aus.« Auf Nummer sicher geht die Zeit: »Neandertaler-Gene machen krank – oder auch nicht«.
Titelfoto: Christiane Gundlach.