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Politik

Politisch motivierte Kriminalität massiv angestiegen

In Sachsen haben rechts motivierte Straftaten zugenommen. Die Sicherheitsbehörden sehen das anders – ein Kommentar

  Politisch motivierte Kriminalität massiv angestiegen | In Sachsen haben rechts motivierte Straftaten zugenommen. Die Sicherheitsbehörden sehen das anders – ein Kommentar

In Sachsen sinkt die Kriminalität. Gegenüber 2019, dem letzten Referenzjahr ohne pandemiebedingte Verzerrung, ging 2022 die Anzahl der Straftaten um 1,7 Prozent zurück.  Das sind 4.484 Taten weniger. Innenminister Armin Schuster sprach von einem »weiterhin niedrigen Stand«, als er jüngst die sächsische Kriminalstatistik veröffentlichte. Massiv gestiegen hingegen ist die politisch motivierte Kriminalität. Die Crux: Ein Drittel soll nicht zuzuordnen sein – obwohl viele Beobachter von rechten Akteuren sprechen. Die unwissenschaftliche Extremismustheorie zeigt einmal mehr ihre Blindheit.

Um die Gefährdung des Verfassungsstaates anschaulich zu machen, bedienen sich die Behörden des Extremismusmodells. Dessen Basis bildet eine gute, den Boden des Grundgesetzes achtende gesellschaftliche Mitte. Von dieser zweigen rechts und links bogenförmig wie ein U die Ränder ab und berühren sich theoretisch irgendwann – schließlich sind alle Extremisten gleich. Damit soll die extreme Gefahr von links und rechts illustriert werden. »Religiöse« sowie »ausländische Ideologie« wurden dem Modell später zugefügt. Seit den Querdenken-Aufläufen führt der Verfassungsschutz zusätzlich die Gummikategorie »verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates«, um von einem Extremismus der Mitte nicht sprechen zu müssen. Denn dieser würde das ganze Modell ad absurdum führen. Darauf kann die sächsische Polizei aber noch nicht zurückgreifen – und verweigert lieber eine politische Zuordnung.

Die entsprechenden Straftaten sind auf Versammlungen gegen die Corona-Politik festgestellt worden sowie auf solchen, die im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg und der Energiekrise/Inflation stehen. Das Innenministerium schreibt dazu: »Hierbei handelt es sich um Delikte, die sich nicht den klassischen Bereichen zuordnen lassen beziehungsweise keinen klaren ideologischen Kontext erkennen lassen.« Schaut man sich entsprechende Veranstaltungen in Sachsen an, muss man sich darüber wundern. Die federführenden Akteure und mitgeführten Symbole waren klar identifizierbar und prägten den Charakter vieler dieser Versammlungen. Im Freistaat waren maßgeblich die Freien Sachsen an Mobilisierungen so gelagerter Proteste beteiligt. Die Verfassungsschutz bezeichnet diese Kleinstpartei, deren Fahnen oft mitgeführt wurden und werden, als »rechtsextremistische Organisation«. Vielerorts sind lokale AfD-Politiker involviert. In Leipzig ist einer der mittlerweile untereinander zerstrittenen Organisatoren der montäglichen Ring-Umrundungen ein Ex-NPD-Funktionär.  Überall waren einschlägig bekannte Gruppen von Nazis und Nazi-Hools zu beobachten. Selbst wenn nicht jeder, der hinter einschlägigen Bannern, zwischen Russlandfahnen und verschwörungsgläubigen Transparenten mitlief, die Ideologie wirklich teilte (was Fragen zurücklässt), so war der Tenor dieser Proteste eindeutig.

Schätzt man daher sehr zurückhaltend nur die Hälfte dieser »nicht zuzuordnenden« politischen Straftaten als tatsächlich rechtsmotiviert ein, dann hat sich ihre Zahl gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt. Natürlich nur, weil schon 2021 mehr als ein Drittel der Taten nicht zugeordnet wurde. In Wirklichkeit wird die Zahl rechts motivierter Kriminalität in beiden Jahren höher liegen. Das nicht benennen zu können oder wollen, ist ein politischer Skandal. In Sachsen nur nicht neu.

Foto: Tarek Barkouni


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