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Politik

Besonders rechts

Die AfD ist auf der Suche nach Normalitätsgewinnen im Stadtrat

  Besonders rechts | Die AfD ist auf der Suche nach Normalitätsgewinnen im Stadtrat  Foto: Symbolbild/Stadt Leipzig

Es sind die immer wieder zu erwartenden Eskalationsspiralen, die sich im Neuen Rathaus abspielen, wenn Stadträtinnen und Stadträte der AfD ans Rednerpult treten. Vermeintliche Sachthemen nutzt die Fraktion, um rassistische Narrative irgendwie in ihre Redebeiträge zu pressen. Zum Beispiel im Februar, als AfD-Stadtrat Marius Beyer eine Debatte um die Ausweitung des Empfängerkreises für den Leipzig-Pass nutzte, um pauschal gegen Geflüchtete zu hetzen. Dass Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) den Zwischenruf »Faschist!« in Richtung Beyer nicht rügen wollte, nutzte die AfD stilgerecht zur Opferinszenierung. 

Die Pöbeleien vonseiten der in Sachsen als gesichert rechtsextrem geltenden AfD erscheinen angesichts der Zusammensetzung der Leipziger Fraktion nicht überraschend: Der zum völkischen Flügel der AfD zählende Fraktionschef Siegbert Droese tauchte bereits 2019 mehrfach namentlich im Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz auf, in dem begründet wurde, weshalb die AfD damals als Gesamtpartei zum Prüffall erklärt wurde. Der 24-jährige Marius Beyer organisierte 2023 Proteste gegen eine in Stötteritz geplante Geflüchtetenunterkunft mit – unter den Demonstrierenden offensichtliche Neonazis. Zusammen mit Christian Kriegel sind Beyer und Droese die Lautsprecher der Fraktion. Droese lehnte eine Gesprächsanfrage des kreuzer ab, der Rest der Fraktion ließ Anfragen bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet. Einer, der die Ratssitzungen meist schweigend von den hinteren Reihen begleitet, ist Roland Ulbrich. Die sächsische AfD bemüht sich aktuell um ein Parteiausschlussverfahren gegen den Rechtsanwalt, weil dieser sich in einem internen Schiedsgerichtsverfahren auf ein NS-Reichsbürgergesetz bezogen haben soll. Aus der Landtagsfraktion trat Ulbrich aus, nachdem diese angekündigt hatte, ihn rausschmeißen zu wollen. Der Leipziger AfD-Kreisverband hingegen steht weiter hinter Ulbrich, der als Spitzenkandidat in Wahlkreis 4 antritt. 

Welcher Kahlschlag Leipzig bevorstünde, wenn es nach der AfD ginge, zeigte sich bei den Änderungsanträgen, die die Fraktion zum Anfang 2023 verabschiedeten Doppelhaushalt einbrachte. Neben den üblichen ideologiegetriebenen Forderungen wie den Streichungen der Referate Gleichstellung (»Gleichberechtigung ist eine Selbstverständlichkeit«), Migration und Integration (»Integration ist Bringschuld der Migranten«), Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung (»Klimaschutz entspringt einer pseudowissenschaftlichen Filterblase«) sowie Demokratie und gesellschaftlicher Zusammenhalt (»Deutschfeindlichkeit spielt keine Rolle«) will die AfD auch bei der Wohlfahrtspflege die Axt ansetzen. Gelder für Träger, die sich in der Seniorenarbeit oder Behindertenhilfe engagieren, wollte die Fraktion auf dem Niveau von 2022 einfrieren. 

Überall, wo sich freie Träger engagieren, vermutet die AfD »Vereine fragwürdiger Couleur«, so auch in der Kultur: Deren Förderung sollte ebenfalls auf dem Niveau von 2022 eingefroren werden. Keine diese Forderungen erlangte in der Ratsversammlung eine Mehrheit, ebenso wie sonstige AfD-Anträge in den letzten Jahren. Umso mehr versucht die AfD, die kleinen Erfolge zu zelebrieren: Dass die CDU-Fraktion ihrem Haushaltsantrag, die Gelder für Baumaßnahmen am Conne Island zu streichen, geschlossen zustimmte, feierte die AfD mit einem Post auf Instagram, inklusive Kommentar: »Aus aktuellem Anlass: Welche Brandmauer? Zwinkersmiley«. Es sind die kleinen Normalisierungen, von denen die AfD im Stadtrat trotz allen rhetorischen Gegenwinds zehrt.  

Anderes Beispiel: Bereits Ende 2019 brachten vier Stadträtinnen und Stadträte aus Engelsdorf einen gemeinsamen Antrag zur Eisenbahnbrücke in der Geithainer Straße ein. Neben Jens Lehmann, Siegrun Seidel (beide CDU) und Anja Feichtinger (SPD) auch mit dabei: AfD-Stadtrat Marius Beyer. Feichtinger, die wenige Jahre später den Protest gegen die maßgeblich von Beyer orchestrierten Coronaproteste in Engelsdorf mitorganisierte, begründete den gemeinsamen Antrag damals damit, dass sie sich für die Belange der Menschen im Leipziger Osten und Nordosten einsetzen wolle. 

Dass sie Anträge der AfD nicht grundsätzlich ablehnt, daraus machte die CDU in der Vergangenheit keinen Hehl. »Wenn die AfD sinnvolle Vorschläge bringt oder auch die Linkspartei – der Unvereinbarkeitsbeschluss gilt ja dann doch noch irgendwo für beide –, haben wir dem in der Vergangenheit immer zugestimmt«, sagte CDU-Stadtrat Michael Weickert im Sommer 2023 dem kreuzer. Belastbare Beziehungen seiner Fraktion zur AfD gebe es laut Weickert jedoch nicht, auch wenn die AfD gern anderes behauptet.  

Eindeutiger ist der Stadtrat bei Personalentscheidungen. Mehrfach verhinderte eine fehlende Mehrheit, dass AfD-Vertreter und -Vertreterinnen in Stadtbezirksbeiräte nachrücken konnten. Eine Klage der AfD dagegen vor dem Verwaltungsgericht Leipzig scheiterte. Ebenso eine Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht, weil der Stadtrat die Entsendung einer AfD-Vertrauensperson in den Schöffenwahlausschuss verhinderte. 
 

> www.afdleipzig.de 


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