Kristina Weyh und Tobias Peter haben ihre Macbooks in der Geschäftsstelle der Grünen im Neuen Rathaus aufgeklappt, vor dem Fenster zum Leipziger Innenstadtring hängt eine Pride-Flagge. Peter bildet zusammen mit Katharina Krefft die Fraktionsspitze der Grünen, Weyh ist ihre Stellvertreterin. Beide wirken entspannt, als sie die zurückliegenden fünf Jahre seit der letzten Wahl rekapitulieren, aus der sie mit enormen Zugewinnen und nur knapp hinter der Linken liegend hervorgingen. »Man kommt nicht so richtig an uns vorbei«, sagt Peter. »Konstellationen sind selten, in denen mal Mehrheiten ohne uns gefunden werden.« Aber nicht nur im Kommunalparlament sind die Einflussmöglichkeiten der Grünen größer geworden: Mehr Sitze im Stadtrat bedeuten auch mehr Sitze in den Aufsichtsräten und damit auch Wissensvorsprung, sagt Weyh, die selbst im Aufsichtsrat der LVB sitzt.
Man merkt ihr und Peter das Selbstbewusstsein an, mit dem sie über ihre Arbeit sprechen. Bei Linken und SPD zeigte man sich zuletzt regelrecht genervt davon, dass dieses Selbstbewusstsein auch mal überborden kann. Dass die Grünen mit Einzelanträgen vorpreschen würden, kotze ihn an, entfuhr es SPD-Stadtrat Andreas Geisler in der März-Ratsversammlung, als es darum ging, den queeren Bildungsverein Rosalinde mit kommunalen Mitteln im Gegenzug zu den gestrichenen Landesmitteln zu stützen. Linken und SPD Anträge vorlegen, gegen die sie nur schlecht stimmen können – ist das Kalkül? »Das ist keine Taktik, sondern normales politisches Gebaren«, sagt Weyh. »Das machen die anderen genauso, nur schreien wir nicht so laut.«
Grundsätzlich sei das Lager links der Mitte in den letzten fünf Jahren noch enger zusammengewachsen, bestätigen auch Weyh und Peter, die dafür vor allem den Oberbürgermeisterwahlkampf 2020 verantwortlich machen: Die Grünen-Kandidatin Krefft verzichtete im zweiten Wahlgang auf ihre Kandidatur, um Burkhard Jung (SPD) gegenüber Sebastian Gemkow (CDU) die notwendigen Stimmen zu verschaffen – nicht ohne Absprachen zu treffen, wie sich die Grünen denn die künftige Zusammenarbeit vorstellen. Ein hart geführter Wahlkampf von beiden Seiten stärkte zusätzlich die Fronten: »Darauf war der Wahlkampf der CDU ja zugeschnitten und wir wurden von der anderen Seite auch zu diesem Lager gemacht«, sagt Weyh. »Bis dahin war auch die Arbeit im Rat noch eine andere, viel mehr aufs Leipziger Modell ausgerichtet.«
Weyh hat sich die Broschüre der Grünen zurechtgelegt, in der die Fraktion auf 46 Seiten über ihre Erfolge berichtet. Klarer Schwerpunkt der Initiativen der Fraktion: Stadtentwicklung. »Wir müssen mehr an die Aufenthaltsqualität in den Quartieren ran, um den Menschen mehr Platz zu geben und sie auch wieder zueinanderzuführen«, sagt Weyh und sieht es als Aufgabe, darin Anforderungen von Klimawandel, Mobilitätswende und Demokratie zu vereinen. Eine Blaupause dafür bilde das Projekt Superblock an der Eisenbahnstraße. Für viele in der Stadt ein Reizwort, sehen die Grünen darin die Zukunft: »Wir haben viele vergleichbare Quartiere, in denen man das adaptieren könnte«, sagt Peter, der aus den Kommunikationsfehlern beim Erstversuch lernen und möglichst in allen Stadtbezirken einen Superblock etablieren will.
Ein weiterer Baustein in den Quartieren ist bezahlbares Wohnen. Dafür ist die Stadt auf Fördermittel von Bund und Land angewiesen – wo diese hinfließen sollen, ist für Peter klar: »Wenn es nur irgendwie geht: rein in die LWB oder Genossenschaften. Weil wir nur so langfristig bezahlbaren Wohnraum garantieren können.« Dass die LWB in den letzten Jahren 700 neue Wohnungen gebaut hat, ist für Peter eine Erfolgsstory, obwohl weiterhin Tausende Sozialwohnungen fehlen. Um den Wohnungsmarkt weiter zu entlasten, haben sich die Grünen die Forderung nach einem kommunalen Wohnfonds ins Wahlprogramm geschrieben: 100 Millionen Euro sollen in den gemeinwohlorientierten Wohnungsbau fließen.
Wichtigster Mann in der Stadtverwaltung ist bei alldem der Grünen-Baubürgermeister Thomas Dienberg, der gerade im Angesicht der Verkehrswende für viele zur Hassfigur im Rathaus geworden ist. Radweg um den Innenstadtring, Südsehne der LVB, Radschnellweg Leipzig–Halle: »Wir müssen jetzt die großen Schlüsselprojekte angehen«, sagt Weyh. Mit der 2018 beschlossenen Mobilitätsstrategie sieht sie die Stadt gut aufgestellt. Um die vorgesehene eine Milliarde Euro Investition für den ÖPNV bis 2030 auf die Straße zu bringen, müssten Prozesse nun aber beschleunigt und transparenter gemacht werden. Dafür müssten die bereits ausgeschriebenen Stellen in der Stadtverwaltung besetzt werden.
Konzepte nun weiter auszugestalten gelte es auch im Bereich Klimawandel. Ein großer grüner Erfolg in Richtung klimaneutraler Wärmeversorgung war der 2019 beschlossene Antrag der Fraktion zum Fernwärmeaussteig aus dem Braunkohlewerk Lippendorf. Der auf Grünen-Antrag erstellte kommunale Wärmeplan sieht vor, dass Leipzig spätestens 2038 klimaneutral ist. Im Energie- und Klimaschutzprogramm (EKSP) der Stadt wollen die Grünen künftig Sektorenziele festlegen, um konkrete Zahlen für CO2-Budgets und Einsparpotenziale zu erhalten.
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