Am Pfingstmontag gewann die BSG Chemie erstmals den Sachsenpokal. Davor gab es eine aufregende Regionalligasaison und kurz vor Ligaschluss noch einen offenen Brief des Vorstandes an den DFB zur Verbesserung der Atmosphäre zwischen den Verbänden und Vereinen. Jetzt wird für die Oberliga geplant und darüber murrt niemand.
Als sich die Mannschaft der BSG Chemie Leipzig am Pfingstmontag mit dem Sachsenpokal im Endspiel gegen den FC Oberlausitz Neugersdorf belohnte, war die Freude im Leutzscher Alfred-Kunze-Sportpark übergroß. Trainer Dietmar Demuth hatte bereits auf der Pressekonferenz am Freitag angekündigt, dass ein Sieg seiner Elf nur logisch sei. Nach einer Niederlage und einem Unentschieden gegen Neugersdorf in der abgelaufenen Regionalligasaison sah er die Chemiker klar im Aufwind.
Obwohl der Trainer kein Anhänger der dramatischen Rhetorik ist – hielt er vor dem Pokalfinale fest: »Ganz Deutschland guckt auf Leutzsch.« Das hatte zwar in erster Linie damit zu tun, dass sich hier die Schaltzentrale der ARD für die Übertragungen der Amateurpokalspiele befand, aber offensichtlich hat sich dieser Umstand auch sehr motivierend auf das Spiel ausgewirkt. Für den Präsidenten des Sächsischen Fußball-Verbandes (SFV) Hermann Winkler wiederum sollte das Spiel als »Schaufenster des sächsischen Fußballs« dienen. Denn stimmungsvolle Stadionbilder helfen das ramponierte Image von Verbänden aufzuhübschen und so die Realität zu übertünchen. Zumal Sachsen das erste Mal in der Liveschaltung vertreten war. Das Pokalfinale im vergangenen Jahr zwischen dem 1. FC Lokomotive Leipzig und dem Chemnitzer FC fand als Hochsicherheitsspiel zeitversetzt statt und der Pokal wurde damals neben der Reiterstaffel übergeben.
Solche Bilder gab es am Pfingstmontag nicht zu sehen. Stattdessen einen sehr schönen Schuss von Alexander Bury, der in der 23. Minute die Führung der Gastgeber markierte, und zehn Schlussminuten in bester Chemie-Tradition: Herzrasen bei den Fans, weil sich der Gegner dem Ergebnis nicht beugen wollte und im Gegenzug kein weiteres Tor für Chemie fiel.
Die Regionalligasaison
Nach dem direkten Marsch durch die Oberliga in der Saison 2016/17 unterschätzte Chemie die Profibedingungen in der Regionalliga, resümiert der Vorstandsvorsitzende Frank Kühne wenige Tage nach dem Pokalsieg.
Zur Ligahalbzeit hatte die BSG Chemie noch den Verbleib in der Regionalliga angepeilt. Neuverpflichtungen sollten die mangelnde Torausbeute bereinigen. Im Endeffekt fehlten drei oder vier Punkte, um das Saisonziel zu erreichen, so Kapitän Stefan Karau.
Obwohl sich die Torbilanz in der Rückrunde auf 21 erhöhte, stand Chemie mit den wenigsten Toren aller fünf Regionalligastaffeln da. Trainer Dietmar Demuth bescheinigte seiner Mannschaft nach dem letzten Saisonheimspiel gegen die TSG Neustrelitz, dass sie sich schnell in die Liga eingewöhnte hatte und viel gelernt hätte – das Ausnutzen von Tormöglichkeiten gehörte leider nicht dazu. So landete die BSG auf dem drittletzten Platz und muss in die Oberliga absteigen.
Dessen ungeachtet schaffte es Chemie sieben Mal zur Nominierung Tor der Woche im MDR und gewann jedes Mal sehr souverän. Im Vergleich dazu wurde Lok bei immerhin 48 Saisontoren drei Mal in diesen Wettbewerb geschickt.
Der DFB zu Gast in Leutzsch
Zum Pokalfinale gab es dann auch noch hohen Besuch. Der DFB-Präsident Reinhard Grindel schaute vorbei. Direkte Worte zur derzeitigen Debatte um den Amateurfußball fand der Präsident zwar nicht. Dafür zeigte er sich angetan von der Atmosphäre. Eine Zaunfahne mit dem Spruch »EM 2014? Kümmert Euch erst mal, um den Amateursport!« könnte ihn allerdings doch zu denken gegeben haben – auch im Hinblick auf die Situation im Leutzscher Stadion.
»Aufwachen Grindel! Schluss mit den Machenschaften von SFV und NOFV« – auch daran wurde der Funktionär durch eine Tapete erinnert.
Drei Tage zuvor schrieb der Vorstand einen offenen Brief an den DFB. Darin kritisiert der Vorstand das Strafmaß, das der Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV) unter anderem nach dem Derby gegen Lok Ende November erhob. Der Widerspruch seitens des Vereins wurde von Verbandsseite nicht akzeptiert.
Chemie fordert daher: »Verbesserung der Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Verbänden, Vereinen und Fans, Erarbeitung eines schlüssigen und nachvollziehbaren Beurteilungs- und Strafmaß-Katalogs für alle Verbände, Schulung der Regionalverbandsfunktionäre über aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen sowie die Initiierung einer unabhängigen, mit Fachexpertise ausgestatteten Schlichtungsstelle als vertrauenswürdiger Ansprechpartner für Vereine bei Diskrepanzen mit Regionalverbänden.«
Grindel nahm sich einige Minuten Zeit, um mit dem Vorstand darüber zu reden. Als DFB-Präsident ist er allerdings dafür nicht zuständig wie er auf kreuzer-Anfrage festhielt. Allerdings würde der Verband es sehr begrüßen, wenn sich etwas ändern und somit das Verhältnis von Vereinen mit dem NOFV begradigt werden würde.
Wann das geschieht und wie das aussehen könnte, steht derzeit noch in den Sternen. Wenn allerdings selbst Hermann Winkler als SFV-Präsident den Nordostdeutschen Verband als »verknöchert« bezeichnet, sollte damit nicht mehr lange gewartet werden.
Die Zukunft
Nach dem Pokalsieg steht nun die Vorbereitung auf die Oberliga an, obwohl Kapitän Karau als auch Vorstandsvorsitzender Frank Kühne jeweils ein kleines »Fünkchen« Hoffnung auf den Regionalligaverbleib besitzen. Der Trainer plant mit zwanzig Feldspielern und zwei Torhütern für die neue Saison und der Großteil der bisherigen Mannschaft bleibt in Leutzsch. Der direkte Aufstieg in die Regionalliga ist fest eingeplant.
Vor dem Oberligaauftakt Anfang August und dem Wiedersehen mit Mannschaften wie Wismut Gera oder Inter Leipzig steht allerdings die erste DFB-Pokalrunde, an welcher der Sachsenpokalsieger teilnimmt. Ein attraktiver Gegner wird gewünscht. Während Frank Kühne mit der Nennung von RB eher provozieren wollte, wünscht sich Stefan Karau den 1. FC Köln oder Dynamo Dresden oder Union Berlin.