Nein, Doch! Ohh! – Nein: Sie haben kein Déjà-vu. Unter gleicher Überschrift erschien hier im vergangenen Jahr ein Kommentar, der die katastrophale Arbeit des sächsischen Innenministers Roland Wöller (CDU) kritisierte. Darin hieß es: »Filmkomödien leben vom falsch verstandenen Wort und Mehrdeutigkeiten, großer Geste und Wendungsreichtum. Bei jenen von Louis de Funès kommt noch eine bockige Hauptfigur hinzu. In dieser Hinsicht hat Innenminister Roland Wöller das Rezept für einen urkomischen Schenkelklopfer angerührt. Allein, sächsische Verhältnisse sind weder so locker leicht wie ein französischer Film, noch ist Innenpolitik ein heiteres Mörderraten.«
Anlass damals war die Absetzung des sächsischen Verfassungsschutzchefs und Unklarheiten um die Bewertung der AfD. Wöllers Leugnen von extrem rechten Akteueren im Querdenken-Umfeld, die unter anderem in Leipzig vor einem Jahr Gegendemonstrierende, Journalisten und Polizisten angegriffen hatten, war da noch gar nicht mit eingepreist. Von seiner Rollendarbietung des Unwillens hat Wöller bisher nicht abgelassen, auch wenn er neuerdings lautere Töne anschlägt. Nach dem Fackelaufmarsch vorm Haus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) hatte Wöller auch keine andere Wahl. Nun verdammt und verleugnet er, was über Jahrzehnte Praxis im Freistaat war: Kuscheln mit Rechts. Dabei wurden auch in den letzten Tage von extrem Rechten organisierte Demonstrationen oft von der Polizei weitestgehend laufen gelassen und damit fatale Signale gesetzt. Kein Wunder, wenn sich die rechten Akteure ermächtig fühlen, alles selbst in die Hand zu nehmen. Es muss ja einer Ermunterung gleichkommen, auf die Straße zu gehen, wenn die Polizei nichts unternimmt. Damit werden sie nicht nur in ihrer Nichteinhaltung des Infektionsschutzes bestärkt, sondern in ihrem gesamten Handeln. Wer wird eine Corona-Maßnahme ernst nehmen, wenn er in den Schneebergs und Zwönitzes dieses Freistaates so ungestört agieren konnte?
Innenminister Wöller redet sich wieder einmal heraus, dass man die Verhältnismäßigkeit wahren muss. Übermäßige Gewalt solle die Polizei nicht einsetzen, diese Bilder wolle er nicht. Das kann niemand glauben, der zum Beispiel gesehen hat, wie vergangene Woche eine friedliche und legale Kundgebung gegen Querdenken von der Polizei gestürmt wurde, während die illegale Demo von Corona-Leugnern unangetastet blieb. Das sind Signale der Ermutigung. So ist es auch nicht überraschend, dass die Demonstrierenden gerade vom Haus von Ossi-Versteherin Köpping (»Integriert doch erstmal uns!«) aufliefen. Fühlen sich nun von ihr verraten – und ja, darum geht es: ums Gefühl, um nichts anderes. Das übersehen alle, die meinen, mit Rechten reden zu wollen. Natürlich muss man zuhören, wenn es um ein Gespräch geht. Aber das ist hier nicht der Fall. Diese Leute wollen nur Recht haben und werden solange wie bockige Kinder auf den Boden stampfen. Nur leider sind sie gefährlicher – wie wir von Pegida wissen, der Gruppe Freital, Revolution Chemnitz und dem NSU.
Und was fällt Wöller dazu ein? Nichts. Auf der Innenministerkonferenz letzten Freitag hat er Schleuserkriminalität und »Linksextremismus« in Leipzig als die zwei großen Gefahren in Sachsen benannt. Während alle Welt entgeistert nach Freiberg, Bautzen und Co. blickt, schaut Wöller halt weg. Nur, um einen Tag später nach der Zivilgesellschaft zu rufen, die dem rechten Treiben Einhalt gebieten solle. Damit sind jene Menschen gemeint, die unter Wöller und seinen Amtsvorgängern in Sachsen permanent diskriminiert worden sind und im Zweifelsfall den Polizeiknüppel und Pfeffer schmecken durften. Der Staat hat die Aufgabe, alle Menschen zu schützen, nicht allein eine lärmende Minderheit, die nur darum zu hören ist, weil sie sich nicht um den Schutz anderer Menschen schert. So richtig Minderheitenschutz in einer Demokratie ist, so wichtig ist es, alle Menschen von Gefährdungen auszuschließen. Und das betrifft in einer Pandemie nun einmal die Einhaltung von Regeln, um diese Pandemie irgendwie einzudämmen. Statt auf einmal Zivilcourage zu beschwören, hätte Innenminister Wöller längst handeln können. Doch Moment, brennt da nicht ein Einkaufswagen…? – Nein, Doch! Ohh!
TOBIAS PRÜWER