»Ich glaube, dass die Entfremdung und Abkapselung der Leitung von der Basis schon vor Corona begonnen hat«, sagte Claudia Bauer im Interview mit Nachtkritik. Sie hatte am am Montag bekannt gegeben, ihr Engagement als Hausregisseurin am Schauspiel Leipzig zu beenden. Und sie spricht aus, was schon lange aus dem Haus zu vernehmen ist. Nur öffentlich darüber reden wollte bisher niemand. Das hat sich mit dem erzwungenen Vertragsende und Hausverboten für zwei Schauspielerinnen geändert. Und nicht nur im Ensemble herrscht Unruhe, auch bei den Gewerken – dem technischen Betrieb eines Theaters – wird die Unzufrieden deutlich, wie erfährt, wer sich unter den hier Mitarbeitenden umhört.
Von einem Klima des Misstrauens ist die Rede und gefühlt fehlender Wertschätzung, die schon lange am Schauspiel verbreitet sind. Das fördert nicht unbedingt die Motivation. Wenn eine Produktion, in die viel Arbeit investiert wurde, nur ein paar Mal gespielt und dann abgesetzt werde, fühle sich das wie eine Missachtung der Arbeit an, ist zuhören. »Große Teile der Gewerke stehen hinter den Schauspielerinnen«, sagt einer der Gesprächspartner. Die Hausverbote seien untragbar und widersprächen jener Meinungsfreiheit, mit der sich Theater als Orte der Kritik schmücken würden. »Wir sind ein Haus und Theater funktioniert auf und hinter der Bühne nur gemeinsam.«
Unzufrieden sind Teile der Gewerke auch mit der Reaktion der Theaterleitung auf kürzlich durchgeführte Gespräche. Nachdem Mitarbeitende der Gewerke Unterstützungsnoten an die geschassten Schauspielerinnen entsandten, lud Intendant Enrico Lübbe zu klärenden Einzelgesprächen. Nicht jeder beschreibt dieses als offen. Es sei vor allem um die Solidaritätsschreiben gegangen und eher darum, Kritik leise zu schalten, als ein konstruktives Gespräch zu führen. Auch die Schlüsse, die die Intendanz aus den Treffen zieht, klingen befremdlich. »Umsetzung der Ergebnisse der Einzelgespräche« heißt das Papier vom 14. Dezember, das an die Mitarbeitenden ging und dem kreuzer vorliegt. Demzufolge sind neben Öffnungszeiten und Angebot der Kantine, unnötig empfundene ständige Auf- und Abbauarbeiten in der Diskothek und mangelnde Kommunikation zwischen den Abteilungen die Hauptkritikpunkte.
Verwunderlich, dass solche Verbesserungen einem Intendanten erst nach neun Jahren auffallen. So sollen in Zukunft zum Beispiel alle Mitarbeitenden an Betriebsfeiern teilnehmen können. Der Abbau der Silversteraufführung wurde auf den 2. Januar verlegt, damit die Mitarbeitenden ins neue Jahr hinein feiern können. Die vom kreuzer Befragten stimmt dieses Papier jedenfalls nicht versöhnlich.
»Man bekommt den Intendanten eigentlich nie zu sehen. Es wird die Hierarchieleiter von oben nach unten durchregiert, kompromisslos«, sagt eine Mitarbeiterin. Enrico Lübbes Führungsstil »spaltet das Gemeinsame«: »Wir wünschen uns, dass wieder Ruhe ins Haus einkehrt, weil man arbeiten möchte und will.« Die aktuelle Stimmung zehre an den Nerven, ziehe sich über zwei Monate. Ein anderer meint: »Wir sind ein städtischer Betrieb, im Grunde muss die Stadt sich dann auch einmischen.«
Titelfoto: Szene aus »Faust«, Rolf Arnold.