Flucht nach Vorne
Frauenhäuser und Gewaltschutz in Leipzig
Zweihundertvierzigtausendfünfhundertsiebenundvierzig Betroffene häuslicher Gewalt registrierte die Polizei 2022 bundesweit. Das entspricht ziemlich genau der Einwohnerzahl von Chemnitz oder Halle/S. oder Kiel oder Freiburg. Ist aber Forschungen zufolge nur die Spitze des Eisbergs, das sogenannte Hellfeld öffentlich dokumentierter Taten. Heinz-Jürgen Voß, der an der Hochschule Merseburg zu sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt forscht, schätzt das Hellfeld für Fälle häuslicher Gewalt auf fünf Prozent. Die restlichen Taten bleiben verborgen. Fünf Prozent, also mal zwanzig: 4.810.945 Betroffene. Das wären dann Berlin und Köln zusammen. Oder: Ganz Sachsen plus Frankfurt am Main im Dunkelfeld.
In Leipzig kommt aber gerade Licht ins Dunkel: Immer mehr Betroffene suchen sich Hilfe. Seit 2022 haben sich die polizeilichen Meldungen zu häuslicher Gewalt verdreifacht. Das Leipziger Hilfesystem, das diese Fälle auffangen soll, besteht seit über zwanzig Jahren und arbeitet erfolgreich. Doch das reicht nicht. Jede dritte Schutzsuchende bekommt keinen Platz in einem der vier Leipziger Frauenhäuser, fast die Hälfte der von der Polizei gemeldeten Gewaltbetroffenen kann nicht beraten werden. Der kreuzer sprach mit im Hilfesystem Arbeitenden und der Politik.