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Kultur

Man muss auch richtig reden

Neue Entwicklungen im Fall um das Hausverbot am Schauspiel

  Man muss auch richtig reden | Neue Entwicklungen im Fall um das Hausverbot am Schauspiel

Mittlerweile reagierte die Politik auf die Hausverbote am Schauspiel, die zwei Schauspielerinnen klagen weiter wegen ihrer Verträge und eine Mediatorin soll die Stimmung im Haus beruhigen – derweil erschüttert eine Personalfrage auch das TdJW

»Wir waren von den Vorgängen insgesamt am Schauspiel überrascht und nehmen bis heute die Hinweise, die wir erhalten, ernst«, sagt Grünen-Stadträtin Annette Körner. Im kreuzer habe die kulturpolitische Sprecherin ihrer Fraktion und Mitglied im Kulturausschuss sowie Betriebsausschuss Kulturstätten zuerst über die Hausverbote von zwei Schauspielerinnen gelesen. »Vorher, auch im Zusammenhang mit der Vertragsverlängerung des Intendanten, die ja nicht geheim stattgefunden hat, ist mir von schlechter Stimmung nichts bekannt gewesen«, zeigt sich auch SPD-Stadtrat Christian Schulze überrascht von den Ereignissen, der als kulturpolitischer Sprecher seiner Fraktion und wie Körner Mitglied in beiden Kultur-Ausschüssen ist.

Zur Erinnerung: Die Schauspielerinnen Katharina Schmidt und Julia Preuß klagen gegen das Schauspiel Leipzig, weil ihre Verträge über diese Spielzeit hinaus nicht verlängert wurden. Sie halten die Begründung für juristisch nicht haltbar. Als beide zu einer offenen Betriebsversammlung ohne Leitung aufriefen, sprach die Schauspielleitung ihnen Hausverbote aus. Diese nahm sie Ende Dezember wieder zurück, wohl auch, weil die Schauspielerinnen ein gerichtliches Eilverfahren angestrengt hatten. Katharina Schmidt spielt seit 28. Dezember wieder ihre Rollen, während Julia Preuß krankgeschrieben ist. Die Klagen der beiden gegen die Nichtverlängerung ihrer Anstellungen laufen weiter. Unterdessen meldeten sich weitere aktuelle und ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Schauspiels zu Wort – und kritisierten das Klima am Theater und den Führungsstil des Intendanten Enrico Lübbe.
 

Künstlerische Freiheit vs. Festanstellung

Lübbe sieht das naturgemäß anders: »Die Behauptung eines ›Klimas der Angst‹ oder dass von oben ›durchregiert‹ werde, ist absurd und ich muss diese entschieden zurückweisen. Ich glaube, dass ich ziemlich kompromissbereit und freundlich bin, sehr vermittelnd zu führen versuche. Aber Führung heißt eben auch leiten, entscheiden und verantworten.« Er sieht in der Sache vor allem ein Kommunikationsproblem. Daher strenge er weiterhin Gespräche im Haus an: »Bereits im November habe ich mit Unterstützung des Bühnenvereins eine theatererfahrene Coachin gewinnen können. Im Detail laufen diese Gespräche jetzt nach ihren Empfehlungen ab«, schreibt Lübbe auf kreuzer-Anfrage. Die Leitung eines Theaters sei »komplex«, es würde »nicht immer funktionieren, mit allen einen Konsens zu finden.« Außerdem ergänzt Lübbe: »Ich denke, es ist nachvollziehbar, dass im Theater auch andere Arbeitsbeziehungen entstehen können müssen, andere Interessen, Arbeits- und Sichtweisen – gerade in einem mitunter sehr subjektiven, hochsensiblen Bereich wie der Kunst.«

Flexible Verträge hält Lübbe für die künstlerische Freiheit für unabdingbar. Wie könne sonst Schauspielnachwuchs in Anstellung kommen oder wie könnten freie Künstlerinnen und Künstler engagiert werden, »wenn der Stellenplan an einem Theater über Jahre festgezurrt ist und keinerlei Spielräume lässt«? Deshalb wurde die Tarifsituation gemeinsam vom Deutschen Bühnenverein und den Gewerkschaften so gestaltet. »Dass die Gewerkschaft GDBA (Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger, Anm. d. Red.) nun ernsthaft und sehr öffentlichkeitswirksam fordert, alle Verträge des Leipziger Ensembles bis 2027 zu verlängern, zeigt genau, worum es hier eigentlich geht. Aber der Tarifstreit von GDBA und Bühnenverein muss zwischen diesen beiden Parteien ausgefochten werden, den können nicht wir führen, nicht das Schauspiel Leipzig und schon gar nicht ich.«


Überraschte Kulturpolitik

Die kulturpolitische Grünen-Sprecherin Annette Körner erklärt, gleich nach Bekanntwerden der Nichtverlängerungen Stellungnahmen bei der Schauspielleitung und bei der Kulturbürgermeisterin erbeten und erhalten zu haben. »Zu den ausgesprochenen Hausverboten haben wir kritisch nachgefragt. Grundsätzlich werden Themen der städtischen Eigenbetriebe im Betriebsausschuss Kultur besprochen, der als Aufsichtsgremium arbeitet.« Über diesen nicht öffentlichen Ausschuss ist der Stadtrat eingebunden. Im Ausschuss, so ergänzt SPD-Stadtrat Christian Schulze, hat Enrico Lübbe »uns über die Unzufriedenheit in Teilen der Mitarbeitendenschaft informiert«. Die Stadt habe eine Fürsorgepflicht für die Mitarbeitenden und Eigenbetriebsleitung, müsse zudem den Ruf des Schauspielhauses im Blick haben. »Der Betriebsausschuss, als zuständiges Gremium, hat sich in den letzten zwei Monaten in jeder seiner Sitzungen mit der Situation im Schauspielhaus befasst. Da ist das Thema meines Erachtens zunächst mal gut aufgehoben.« Die kulturpolitischen Sprecher der CDU und Linken reagierten auf kreuzer-Anfrage zum Thema nicht.

Auch die Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke (Linke) ist mit Intendant Enrico Lübbe, Verwaltungsdirektor Daniel Herrmann sowie dem Personalrat zu den Vorgängen im Gespräch. Mitte Januar wollte sie außerdem mit dem Ensemble sprechen. »Dass die beiden in Rede stehenden Nichtverlängerungen eine Situation erzeugt haben, in der manches Verdeckte zutage tritt, war zugegebenermaßen überraschend. Mir scheint das vielschichtig und kann demnach auch nur auf mehreren Ebenen sukzessive bearbeitet werden. Es geht schlussendlich darum, Vertrauen in die jeweils andere Seite zurückzugewinnen. Mit der angekündigten Mediation wird ein guter Weg eingeschlagen, um wieder miteinander in den Dialog zu kommen und Vertrauen neu aufzubauen.«
 

TdJW ohne Verwaltungschef

Währenddessen wurde eine andere Theater-Personalie öffentlich. Marian Schmidt, erst seit August 2022 Verwaltungsdirektor am Theater der Jungen Welt (TdJW), hat seinen Posten verloren. Mehreren voneinander unabhängigen Quellen zufolge wurde er aufgrund einer Privatfahrt mit dem Dienstwagen suspendiert. Das TdJW verwies den kreuzer an die Stadt. Detaillierte Fragen zur Härte der Maßnahme und dem Vertrauensverhältnis zum Haus beantwortete die Kulturbürgermeisterin nicht. »Über die Vorstellungen über die Stelle eines Verwaltungsdirektors sowie die Erwartungen an das Tagesgeschäft haben sich zwischen Herrn Schmidt und der Stadtverwaltung unterschiedliche Positionen ergeben«, lässt Skadi Jennicke den kreuzer wissen. »Herr Schmidt hat zum 1. Januar 2023 eine neue Aufgabe innerhalb der Stadtverwaltung übernommen.« Bis Sommer soll ein Nachfolger gefunden werden. »Dankenswerterweise ermöglicht es Enrico Lübbe, dass bis zur Neubesetzung der Stelle Daniel Herrmann interimistisch die Verwaltungsgeschäfte im TdJW leiten kann.«


 


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