Die Schauspielerinnen Katharina Schmidt und Julia Preuß klagen gegen das Schauspiel Leipzig, weil ihre Verträge über diese Spielzeit hinaus nicht verlängert wurden und sie die Begründung für juristisch nicht haltbar halten. Ein erster Prozesstag endete ohne Ergebnisse.
Großer Besucherandrang herrscht vor Arbeitsgerichten selten. Aber der Saal am Bühnenschiedsgericht Chemnitz war gut besucht, als am Montagmittag eine Klage gegen das Schauspiel Leipzig verhandelt wurde. Die Leipziger Schauspielerin Katharina Schmidt hatte gegen ihre Kündigung geklagt, bei Bühnenverträgen rechtlich »Nichtverlängerung« genannt. Im Saal saßen sich mit ihr solidarisierende Schauspielerinnen und Schauspieler. Hierzu waren einige extra aus Leipzig angereist. Die zuständige Gewerkschaft Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA) war mit einer Kundgebung vor Ort. Zu einer Entscheidung kam es noch nicht, die Verhandlung wurde vertagt.
Arbeitsverträge am Theater sind für ein Jahr befristet. Sie verlängern sich automatisch um ein weiteres Jahr, wenn nicht rechtzeitig eine Vertragspartei die Nichtverlängerungsmitteilung ausspricht. Die Nichtverlängerung muss begründet werden – oft werden künstlerische Argumente angeführt, die juristisch schwer anzufechten sind. Die Begründung für ihr Vertragsende sieht Katharina Schmidt als ungerechtfertigt an und klagt deshalb gegen das Schauspiel Leipzig.
Die Schauspiel-Intendanz hatte »künstlerische Gründe« für die Nichtverlängerung angeführt. Der Richter des Schiedsgerichts appelliert für eine Einigung oder einen Vergleich zwischen beiden Parteien, bevor es zur inhaltlichen Auseinandersetzung kommt. Er schlägt eine Abfindung für oder die befristete Weiterbeschäftigung von Schauspielerin Schmidt vor. Die beklagte Partei bietet eine arbeitsrechtlich »übliche« Abfindung von einem halben Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr an, was die Klagepartei nicht annimmt.
Anschließend wird die Verhandlung aufgenommen und die Protokolle des Anhörungsgesprächs – das von Klägerin Schmidt und das des Schauspiel Leipzigs – werden verlesen und verglichen. Auffällig ist, dass das Schauspiel Leipzig im eigenen Protokoll verhältnismäßig wenige künstlerische Gründe anführt, die eigentlich ursächlich und notwendig für die Nichtverlängerung des Arbeitsvertrags von Schmidt sind. Laut dem Protokoll ist Schmidt »mit ihrem Kopf überall, aber nicht bei der Arbeit«. Die Schauspielerin wäre auf Proben nicht gut vorbereitet, komme zu spät, könne ihren Text nicht und sei eher an einer leitenden Position interessiert. Sie hätte sich in die Regiearbeiten eingemischt und zu viele eigene Ideen eingebracht, was Regisseure abschrecke. Viele Anhänger der GDBA und Kollegen von Schmidt reagieren im Saal empört auf die Vorwürfe. Schmidt verneint, dass Intendant Enrico Lübbe ihr im Gespräch Unpünktlichkeit und Textunsicherheit vorgeworfen hätte.
Der Richter nennt die Art und Weise, wie das Schauspiel Leipzig das Gespräch führte »dilettantisch«. Er gibt zu bedenken, dass von der Theaterleitung keine künstlerischen Gründe erfunden werden sollten, wenn andere Gründe ursächlich für die Nichtverlängerung seien. Der Richter vertagt die Verhandlung mit der Begründung, dass die Beweiszulage unzureichend sei und man ohne die Aussagen von Lübbe, der nicht vor Ort war, nicht fortfahren könne. Die Theaterleitung erklärt auf Anfrage: »Jede Partei hat Zeugen benannt und es wurde vom Gericht zum gestrigen Termin kein Zeuge geladen. Zeugen erscheinen nicht automatisch. Es wird zunächst abgewartet, welche Zeugen das Gericht in einer Beweisaufnahme hören möchte. Diese werden dann zur Beweisaufnahme in einem neuen Termin geladen. Es war auch nicht das persönliche Erscheinen des Intendanten angeordnet.« Der Zeuge auf Seiten von Katharina Schmidt war anwesend, wurde aber nicht angehört.
Ein nächster Termin wurde nicht festgelegt, soll aber noch im Laufe dieser Spielzeit, die im Sommer endet, stattfinden. Allerdings appellierte der Richter am Ende erneut für eine gütliche Einigung, etwa in Form einer einjährigen Vertragsverlängerung oder einer Abfindung für die Schauspielerin Schmidt.
Auf eine »gütige Einigung« hofft Schauspielerin Ulrike Euen. Sie sitzt der Chemnitzer Lokalgruppe vor, die die Kundgebung vor dem Arbeitsgericht organisiert hat, und erklärt die Reformbedürftigkeit der Bühnenarbeit: »Die Nichtverlängerungspraxis lädt zu Machtmissbrauch ein.« Intendanten rechtfertigen dieses besondere Arbeitsverhältnis mit künstlerischer Freiheit, sagt sie. Und Euen versteht das: »Wir wollen keine Angestellten sein, keine Beamtenschauspieler, wie das bei uns heißt. Dienst nach Vorschrift funktioniert nicht in der Kunst.« Sie fordert aber verpflichtende jährliche Mitarbeitergespräche, damit diese die Möglichkeit haben, etwas zu ändern. »Es kommt immer wieder vor, dass Schauspieler aus künstlerischen Gründen nicht verlängert werden, denen gegenüber zuvor nie Kritik geäußert wurde. Das kann nicht sein«, sagt sie. Derzeit befindet sich die Bühnengenossenschaft in Tarifverhandlungen mit dem Deutschen Bühnenbund, dem Arbeitgebervertretung der Theater.
Die Schauspielerin Katharina Schmidt klagt gegen das Schauspiel Leipzig, weil ihr Vertrag über diese Spielzeit hinaus nicht verlängert wurde. Sie halte die Begründung für juristisch nicht haltbar. Als sie zu einer offenen Betriebsversammlung ohne Leitung aufgerufen hatte, sprach die Schauspielleitung ihr und ihrer Kollegin Julia Preuß Hausverbote aus. Dieses nahm sie Ende Dezember wieder zurück, wohl auch, weil die Schauspielerinnen ein gerichtliches Eilverfahren angestrengt hatten.
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Hinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es, Schauspiel-Intendant Enrico Lübbe habe als Zeuge gefehlt. Dass war missverständlich formuliert, da er nicht offiziell als Zeuge zur Verhandlung geladen und seine Anwesenheit nicht angeordnet war. Wir bitten das zu entschuldigen.