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Rezensionen

Ein kleines Stück vom Kuchen

Ein kleines Stück vom Kuchen

IRN/F/SWE/D 2023, R: Maryam Moghaddam, Behtash Sanaeeha, D: Lili Farhadpour, Esmaeel Mehrabi, Mohammad Heidari, 97 min

Es gibt keinen Platz für eine Frau ihres Alters in der iranischen Gesellschaft. Deshalb hat sich die 70-jährige Mahin zurückgezogen. Ihr Mann ist vor einigen Jahren verstorben, die Tochter hat viel zu tun und meldet sich nur selten. Gelegentlich trifft sich Mahin mit ihren Freundinnen zu Kaffee und Kuchen, die sie motivieren, sich neu zu verlieben. Doch einen alleinstehenden Mann zu finden, ist gar nicht so einfach. In einem Restaurant für Rentner entdeckt sie abseits einer Gruppe verheirateter Männer den freundlich wirkenden Faramarz. Sie nimmt ihren Mut zusammen und folgt ihm zu seinem Taxistand. Dort spricht sie ihn an und es beginnt eine Nacht mit Tanz und Speisen, in der sich Mahin endlich wieder gesehen fühlt. Im Schutz ihrer vier Wände können sie sich gehen lassen. Nur gelegentlich klingelt mal eine neugierige Nachbarin und Faramarz muss sich verstecken. Männerbesuch ist schließlich streng verboten. – Einfühlsam erzählen Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha (»Ballade von der weißen Kuh«) ihre ganz alltägliche Geschichte in der Realität der iranischen Gesellschaft. Sie öffnen den Blick in die Wohnung und das Innenleben einer alleinstehenden Frau, ein Tabu im Iran. Doch »eine Frau wäscht ihre Wäsche nicht mit Hijab«, sagt die wundervolle Hauptdarstellerin Lili Farhadpour, und ein Film sollte die Welt einfach so zeigen, wie sie ist. Dazu gehören die schönen und die grausamen Momente, zwischen denen der preisgekrönte Film eine behutsame Balance findet. Lars TUNÇAY

Love Lies bleeding

Love Lies bleeding

USA 2024, R: Rose Glass, D: Kristen Stewart, Katy O’Brian, Anna Baryshnikov, 104 min

Jackie flieht vor ihrer Familie aus dem kleinen Nest in Oklahoma. Sie träumt davon, den Bodybuilding-Wettbewerb in Las Vegas zu gewinnen. Auf dem Weg dorthin strandet sie in einer Kleinstadt und trifft im örtlichen Fitnessstudio auf Lou. Die junge Frau sitzt dort fest, zwischen ihrem dominanten Vater und der Fürsorge für ihre Schwester, die in einer gewalttätigen Beziehung steckt. Jackie ist für Lou ein Lichtblick und die beiden verlieben sich ineinander. Mit der Beziehung wird Jackie zunehmend in die kriminellen Machenschaften von Lous Familie hineingezogen und muss ihre gesamte Stärke aufbringen, um sich und Lou daraus freizukämpfen. Damit beginnt ein Thrillerplot, der einem vertraut vorkommt, der durch das ungewöhnliche Setting und seine konsequente, kompromisslose Erzählung aber einzigartig ist. Die weibliche Perspektive und die Befreiung aus der männlichen Gewalt erinnern dabei an »Bound« von den Wachowskis. Die Atmosphäre, nicht zuletzt aufgrund des düsteren elektronischen Scores von Clint Mansell, erinnert an »Drive«. Regisseurin Rose Glass, die mit dem gefeierten Horrorfilm »Saint Maud« debütierte, hatte für ihre A24-Produktion alle inszenatorischen Freiheiten und kann sich auf ein großartiges Ensemble verlassen: Katy O’Brian (»The Mandalorian«) ist eine Offenbarung, Kristen Stewart lotet die Wandlung der unsicheren Lou glänzend aus und Ed Harris als Vater ist nicht nur wegen seiner irren Frisur ein Hingucker. »Love Lies Bleeding« ist düster, dreckig und teuflisch unterhaltsam. LARS TUNÇAY

Madame Sidonie in Japan

Madame Sidonie in Japan

F/D/J/CH 2023, R: Élise Girard, D: Isabelle Huppert, Tsuyoshi Ihara, August Diehl, 95 min

Sidonie Perceval weiß nicht so recht, was sie antworten soll, als die Zollbeamten bei ihrer Einreise nach Japan fragen, ob sie Schriftstellerin sei, so wie es in ihrem Pass steht. Denn seit dem Unfalltod ihres Mannes hat sie nichts mehr zu Papier gebracht. Da die Werke, mit denen die Französin einst bekannt wurde, nun neu ins Japanische übersetzt wurden, hat sie sich widerwillig auf eine Lese- und Interviewreise eingelassen. Begleitet wird die aufgewühlte Autorin dabei von ihrem unterkühlten japanischen Verleger Mizoguchi. Als Sidonie in den unterschiedlichen Hotelzimmern ihrer Reise immer wieder der Geist ihres toten Mannes begegnet, stellt das für Mizoguchi nichts Ungewöhnliches dar. Wahrscheinlich schwelt einfach noch etwas Unausgesprochenes zwischen den beiden Eheleuten. – Élise Girards Film baut sich langsam und meditativ auf. Auf seiner inhaltlichen Ebene passiert vergleichsweise wenig. Deswegen sollte man unbedingt in der richtigen Stimmung sein, um sich auf den Film einzulassen. Denn die Regisseurin hat die besondere Atmosphäre sowie die für viele Europäer noch immer fremd wirkende japanische Lebensweise in den Mittelpunkt gerückt. Isabelle Huppert nimmt uns mit auf diese Reise. In kleinen, liebevoll und dezent eingestreuten Details kommt es dabei immer wieder zu kulturellen Missverständnissen, die dem Publikum ein Schmunzeln entlocken. Erinnerungen werden wach an die Japan-Filme Doris Dörries (zuletzt »Kirschblüten und Dämonen«), die sich ebenfalls mit Vergänglichkeit und Geistererscheinungen auseinandersetzen. Frank Brenner

Kein Wort

Kein Wort

D/F 2023, R: Hanna Slak, D: Maren Eggert, Jona Levin Nicolai, Maryam Zaree

Das Leben von Nina und ihrem jugendlichen Sohn Lars scheint sämtliche Farbe verloren zu haben: Ob in ihrem Münchner Zuhause, im Klassenraum oder im Konzertsaal – dem Arbeitsplatz der renommierten Dirigentin – alles ist kühl und trostlos. Selbst die Farbpalette ihrer Kleidung reicht nicht weiter als von Eierschale bis hin zu kühlem Blau. Umso auffälliger ist es da, dass – als Nina ihren Sohn nach einem Sturz aus dem Fenster im Krankenhaus abholt – Lars’ Socken plötzlich bunt geblümt sind. Schnell werden sie unter der Decke versteckt. Denn so trist wie ihr Umfeld, so unterkühlt ist auch die Beziehung der beiden zueinander. Nina ist sich sicher, dass mit Lars etwas nicht stimmt, seit ein Mädchen aus seiner Schule gewaltsam zu Tode gekommen ist. So schlägt sie ihm eine Auszeit am See vor, er will lieber ans Meer. Obwohl Nina mitten in den Orchesterproben für einen großen Auftritt steckt, fahren sie und ihr Sohn kurzerhand nach Frankreich. Der Tristesse können die beiden dort mitten im Winter und ohne Handyempfang aber auch nicht entgehen. Regisseurin und Autorin Hanna Slak inszeniert mit »Kein Wort« einen klassischen Thriller. Die Kamera zeichnet ein atmosphärisches Bild und Maren Eggert gibt alles, um der Geschichte von der alleinerziehenden Karrieremutter mehr Tiefe zu verleihen. Am Ende bietet die Erzählung aber nur wenig Spannungspunkte, die über Genreklischees hinausgehen. Hanne Biermann

Juliette im Frühling

Juliette im Frühling

F 2024, R: Blandine Lenoir, D: Izïa Higelin, Sophie Guillemin, Jean-Pierre Darroussin, 95 min

Juliette macht Ferien zu Hause. Es treten auf: ihr allein lebender Vater, ihre Schwester, die gerne im Gewächshaus ihren Liebhaber verwöhnt und mit der Familie und ihrem passiven Partner völlig überfordert ist, und eine Ente. Diese Ente finden Juliette und Pollux im Park. Sie lernen sich kennen und lieben, aber Juliette ist sehr zögerlich. Ihr Job als Kinderbuchillustratorin fordert sie sehr, sie leidet unter Depressionen und dem Restless-Legs-Syndrome: Ihre zitternden Beine lassen sie nicht schlafen. Alles in allem erinnert »Juliette im Frühling« an eine etwas hektische Verfilmung eines US-amerikanischen Familienromans. Es gibt jede Menge charmanter Nebenfiguren: Juliettes Mutter, Künstlerin und selbstverständlich mit einem »Hippie« (so wird er im Film genannt) liiert, nachdem sie wegen eines tragischen Kindstods die Beziehung zu Juliettes Vater nicht aufrechterhalten konnte, Juliettes Großmutter, dement und frisch verliebt – und dann taucht eines Nachts auch noch ein Geist im Haus auf. Oder vielleicht auch nur der Liebhaber von Juliettes Schwester. Leider hat der Film dasselbe Problem wie seine Hauptfiguren: Er kommt nicht zum Durchatmen. Alle möglichen Konflikte und Konstellationen offenbaren bewegende Momente, werden aber viel zu schnell und damit auch zu oberflächlich abgehandelt. Immerhin bleibt am Ende das Gefühl, einen unterhaltsamen Abend im Kino gehabt zu haben – der leider viel zu schnell vorbeiging. Daniel Emmerling

Daddio – Eine Nacht in New York

Daddio – Eine Nacht in New York

USA 2024, R: Christy Hall, D: Sean Penn, Dakota Johnson, Marcos A. Gonzalez, 101 min

Als die Frau das Taxi am New Yorker Flughafen JFK betritt, wirkt sie müde und in sich gekehrt. Auf dem Weg in die Stadt kommt sie dann doch ins Gespräch mit dem Fahrer und die flüchtige Bekanntschaft bringt beide dazu, sich zu öffnen. Die Konversation fördert immer mehr schmerzhafte Wahrheiten zutage. – Ein scheinbar einfaches Konzept hat sich Regisseurin und Autorin Christy Hall, die zuvor die Highschool-Serie »I am not okay with this« für Netflix inszenierte, für ihren ersten Spielfilm ausgewählt. In 100 Minuten Echtzeit begleiten wir die beiden Fremden dabei, sich kennenzulernen. Sean Penn spielt den proletarischen Fahrer, geboren in Hell’s Kitchen, dem dunkelsten Ort in Brooklyn, als Großmaul mit losem Mundwerk. Dakota Johnson sitzt als Passagierin auf seinem Rücksitz und hat eine schwierige Familiengeschichte im Gepäck. Für sie ist die Unterhaltung mit dem Fahrer auch eine Ablenkung vom aufdringlichen Sexting ihres Freundes. Christy Hall orchestriert das gelungen und – trotz der Reduzierung auf einen Ort und zwei Menschen – bis zum Ende spannend und mit pointierten, natürlich wirkenden Dialogen. Wie bei einer Therapiesitzung kommt im Laufe der Zeit immer mehr zur Sprache und lässt die Figuren in einem neuen Licht erscheinen. Ein sehenswertes Debüt einer vielversprechenden Regisseurin. Lars Tunçay

Crossing − Auf der Suche nach Tekla

Crossing − Auf der Suche nach Tekla

DK/F/GE 2024, R: Levan Akin, D: Mzia Arabuli, Lucas Kankava und Deniz Dumanlı, 106 min

Nach dem Tod ihrer Schwester begibt sich die pensionierte Lehrerin Lia auf die Suche nach ihrer Nichte Tekla. Sie soll zurück nach Georgien, um damit den letzten Wunsch ihrer Mutter zu erfüllen. Der junge Achi kannte Transfrau Tekla und weiß, dass sie nach Istanbul aufgebrochen ist. Gemeinsam begibt sich das ungleiche Duo auf die Reise in die Türkei, wo es nach ersten Rückschlägen die Bekanntschaft mit der Transfrau Evrim macht, die in einer Pride-Organisation tätig ist und als juristischer Beistand für die Rechte von Minderheiten und Unterdrückten eintritt. Bald stoßen Lia und Achi auf Menschen, die Tekla kannten und weitere wichtige Hinweise für die Suche liefern. – Levan Akin hat 2019 mit seinem Film »Als wir tanzten« Georgien und die schwierige Situation von Homosexuellen im Land erstmals auf internationaler Bühne thematisiert. Auch in »Crossing: Auf der Suche nach Tekla« geht es nun wieder um das Konfliktpotenzial der Andersartigkeit, was den Betroffenen sowohl in Georgien als auch der Türkei nach wie vor Probleme bereitet. Akin beginnt seinen neuen Film als Road-Movie und entwickelt daraus im weiteren Verlauf ein spannendes Generationendrama, das von wunderbaren Darstellerleistungen getragen wird. Der mit dem diesjährigen Teddy-Jury-Award der Berlinale ausgezeichnete Film entfaltet die atmosphärischen Gegensätze in den beiden Ländern durch eine detaillierte und authentische Schilderung des Alltäglichen. Ein wichtiger Film, der dazu beitragen könnte, dass traditionelle, konservative Verhaltensmuster überdacht werden und man sich Neuem öffnen kann. Frank Brenner

A Killer Romance

A Killer Romance

USA 2023, R: Richard Linklater, D: Glen Powell, Adria Arjona, Austin Amelio, 115 min

In seinen Vorlesungen reflektiert Psychologie-Professor Gary Johnson die menschliche Natur, aber im Feld hat er nur wenig Erfahrungen damit. Nebenher arbeitet er fürs FBI und hilft dabei, Zielpersonen, die sich dazu entschlossen haben, jemanden zu töten, hinter Gitter zu bringen. Garys Job ist es, dafür zu sorgen, dass die Abhörtechnik funktioniert. Als jedoch der eigentlich vorgesehene Beamte ausfällt, muss Gary einspringen und gibt sich fortan als Killer aus. Sein analytisches Gespür für die menschliche Natur kommt ihm dabei sehr zu Hilfe. Bis er auf Madison trifft – die ihren gewalttätigen Ehemann loswerden will – und sich in sie verliebt. Das ist nur der Anfang des Plots, der völlig an den Haaren herbeigezogen wäre – wäre die Geschichte nicht so oder so ähnlich tatsächlich passiert. Der Journalist Skip Hollandsworth schrieb sie auf, Regisseur Richard Linklater (»Boyhood«) und sein Hauptdarsteller Glen Powell (»Wo die Lüge hinfällt«) haben daraus eine irrwitzige Komödie gemacht, die sich clever mit Identitäten auseinandersetzt. Der unbescholtene Gary wird vom Langweiler zum coolen Killer und Glen Powell hat sichtlich Spaß daran, in die verschiedenen Rollen zu schlüpfen. Linklater legt den Figuren wieder viele Worte in den Mund, die sich zu cleveren Dialogen entspinnen. »A Killer Romance« ist eine wendungsreiche und herrlich absurde romantische Komödie vom König des Plauderfilms. LARS TUNÇAY

May December

May December

USA 2024, R: Todd Haynes, D: Natalie Portman, Julianne Moore, Charles Melton, 113 min

Es ist die Liebe, die nicht sein darf, die Regisseur Todd Haynes immer wieder fasziniert. Die Beziehung zwischen einem Afroamerikaner und einer weißen Hausfrau in den 1950ern in »Dem Himmel so fern« etwa, oder die Liebe zwischen zwei Frauen in »Carol«. In »May December« setzt er sich nun mit einer wahren Liaison auseinander, die durch den Altersunterschied von mehr als zwanzig Jahren zum Fall für die Justiz wurde. Ebenso lange ist es her, dass die damals 36-jährige Gracie ins Gefängnis wanderte, weil sie eine Affäre mit dem 13-jährigen Joe begann. Die Liebschaft ging durch die Medien, Gracie hat ihre Strafe abgesessen und zwei Jahrzehnte später scheint endlich Ruhe eingekehrt zu sein, in die Ehe der beiden. Ihre gemeinsamen Kinder stehen kurz davor, das Nest zu verlassen, da tritt die Schauspielerin Elizabeth in ihr Kleinstadtleben. Sie soll Gracie in einem Film über die Ereignisse verkörpern. Ihre Fragen reißen verheilt geglaubte Wunden wieder auf. Gracie sieht sich mit dem moralischen Dilemma konfrontiert, das sie bislang erfolgreich verdrängte. Joe stürzt die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit in eine tiefe Lebenskrise. Haynes zeigt ambivalente Figuren in einer verlogenen amerikanischen Gesellschaft. Im Mittelpunkt: die überragenden Oscarpreisträgerinnen Julianne Moore und Natalie Portman. Der verstörende Soundtrack und die Kamera von Christopher Blauvelt (»First Cow«) tragen zur dichten Atmosphäre dieses meisterhaften Charakterdramas bei. Lars Tunçay

Mad God

Mad God

Phil Tippett ist eine Legende. Der 72-Jährige schuf die Tricktechnik für einige der größten Hollywood-Produktionen. Die Monster in »Star Wars«, der amoklaufende Überwachungsroboter in »Robocop«, die Rieseninsekten in »Starship Troopers« – unzählige Kreaturen hat er mit seinem Team geschaffen und animiert, in mühevoller Handarbeit, Bild für Bild. Für seine Arbeit an »Jurassic Park« wurde er schließlich mit dem Oscar ausgezeichnet. Unterdessen verwirklichte er in seiner Freizeit ein Leidenschaftsprojekt, das 30 Jahre später das Licht der Leinwand erblickt: »Mad God« ist ein dunkles Stop-Motion-Kunstwerk, ein irrer Abstieg in die Unterwelt, eine Reise durch die Pforten der Hölle, die von skurrilen Kreaturen bewohnt ist. Gleichermaßen abstoßend wie faszinierend, ähnlich den surrealistischen Kreationen der Gebrüder Quay (»The Piano Tuner of Earthquakes«) und doch ganz einzigartig. Reiseleiter ist ein stummer Protagonist mit Sturmhaube und Gasmaske. Er wandelt durch einen Albtraum aus Krieg und Zerstörung, Unterdrückung und Überwachung auf der Suche nach … irgendwas. »Mad God« ist voller Symbolik und doch kaum greifbar. Ein einzigartiger Albtraum, wild und wunderschön, grausam und grotesk. Ein Produkt der Leidenschaft eines Meisters und in jeder Einstellung so, wie Tippett es sich erträumt hat. Eine klassische Handlung ist dabei nur schwer auszumachen. Was zählt, ist das Erlebnis und das Ergebnis – und vor dem kann man nur in Ehrfurcht staunen. Lars Tunçay

Late Night with the Devil

Late Night with the Devil

AUS/VA 2024, R: Cameron Cairnes, Colin Cairnes, D: David Dastmalchian, Laura Gordon, Ian Bliss, 86 min

Found-Footage-Filme – Filme, die aussehen, als wären tatsächliche Ereignisse von realen Personen aufgezeichnet und später von anderen gefunden worden – haben im Horrorgenre eine lange Tradition. Berühmt-berüchtigt ist »Nackt und zerfleischt« von 1980. Richtig populär wurde das Subgenre aber erst 1998 durch den Erfolg von »Blair Witch Project«, es folgte Spannendes wie »[REC]«, »Cloverfield« oder »The Visit«. Mit ihrem dritten Spielfilm hieven die australischen Brüder Colin und Cameron Cairnes das Konzept nun auf eine durchaus originelle, neue Ebene – es wird suggeriert, dass das Gesehene der Mitschnitt einer fast fünfzig Jahre alten US-Talkshow ist, samt Hinter-den-Kulissen-Momenten und Hintergrundmaterial. Protagonisten sind der nach dem Krebstod seiner Frau strauchelnde Moderator Jack Delroy und die Gäste eines Halloween-Specials seiner Late-Night-Show »Night Owls«, in dem übernatürliche Phänomene das Thema sind. Während der Live-Übertragung ereignet sich dann aber Schreckliches – Fiktion oder Wirklichkeit? Die Atmosphäre des Jahres 1977 fangen die Cairnes-Brüder mit entsprechenden Studiodesigns, Jingles, Sprechern, Frisuren und Klamotten kongenial ein. Was im Verlauf der »Sendung« geschieht, verleitet dann aber meist mehr zum Schmunzeln als zum Gruseln, sodass am Ende eher ein netter Horrorsnack als ein waschechter Schocker steht, der dem um ihn gemachten Hype nicht standhält. Peter Hoch

King’s Land

King’s Land

D/DK/S/NOR 2023, R: Nikolaj Arcel, D: Mads Mikkelsen, Amanda Collin, Simon Bennebjerg, 128 min

Dänemark 1755: Der abgehalfterte Hauptmann Ludvig Kahlen (Mads Mikkelsen) will im Auftrag des Königs die unwirtliche Heide von Jütland frucht- und damit bewohnbar machen – und dafür einen Adelstitel einheimsen. Dabei stellt sich ihm nicht nur die Naturgewalt, sondern auch der lokale Herrschende in den Weg: Frederik de Schinkel. Ein Bauernpaar, das vor dem Großgrundbesitzer geflüchtet ist, und später auch ein Sintomädchen finden Zuflucht bei dem schwer zugänglichen Landveredler – bringen aber neben der Unterstützung auch jede Menge Probleme mit sich. Irgendwie spiegelt die gezeigte Landschaft die Qualität des Films wider: Es sieht ein bisschen langweilig und abweisend aus, aber bei genauem Hinsehen findet sich auch Schönes am Wegesrand. Thematisch streift der Film durch Klassenkämpfe und Charakterstudie eines einsamen Wolfs, bietet narrativ aber wenig Überraschungen – ähnlich wie Mikkelsens Gesichtsausdruck, den man natürlich sowohl intensiv als auch stoisch interpretieren kann. Immerhin hat es für den Europäischen Darsteller-Filmpreis 2023 gereicht. Das wäre bei Kahlens Gegenspieler nicht passiert, denn leider ist der blonde, folternde, vergewaltigende Tyrann derart platt-böse und minimaldimensional, dass er zur nervenden Lachnummer mutiert. Der Film präsentiert die Gnadenlosigkeit von Natur und Mensch in teils drastischen Szenen – etwa, als einer der Gefangenen mehrfach mit kochendem Wasser übergossen wird. Markus Gärtner

Ivo

Ivo

D 2024, R: Eva Trobisch, D: Minna Wündrich, Pia Hierzegger, Lukas Turtur, 104 min

Ivo lebt für ihre Patienten. Die Palliativpflegerin fährt von einem Termin zum nächsten, wechselt Infusionen und gibt seelischen Beistand. Ihre Mahlzeiten nimmt sie meist am Steuer oder auf dem Parkplatz ein. Ihre Tochter sieht sie erst spät am Abend. Die Teenagerin hat sowieso nur Augen und Ohren für ihren amerikanischen Freund. Ivos Ruhepol sind die regelmäßigen Besuche bei ihrer Freundin Solveigh, die an der Muskelkrankheit ALS leidet und ans Bett gefesselt ist. So ist Ivo auch hier Pflegerin und Seelsorgerin. Der Spagat zwischen dem privaten Gefühlsleben und ihrer Aufgabe wird zunehmend zur Belastung. Kann sie die richtigen Entscheidungen treffen, wenn sie persönlich betroffen ist? Autorin und Regisseurin Eva Trobisch (»Alles ist gut«) erzählt das moralische Dilemma im Vorbeigehen. Emotionale Ausbrüche leistet sich das Drehbuch ebenso wenig wie seine Protagonistin. Greifbar, fast beiläufig schildert »Ivo« ein Leben. Trotzdem trifft Eva Trobischs zweiter Spielfilm tief. Das ist vor allem Minna Wündrich zu verdanken, die hier in ihrer ersten Hauptrolle in jeder Szene präsent ist. Ihr natürliche Performance fügt sich nahtlos in den Cast aus Laien, die sich teilweise selbst spielen, so wie der Anästhesiearzt Dr. Johann Campean, Ivos Vorgesetzter. Dabei entstand ein ehrlicher, wahrhaftiger Film, der sich mit großen, elementaren Themen auseinandersetzt: würdevolles Leben und Sterben. Bei der Berlinale in diesem Jahr gab es dafür den Heiner-Carow-Preis der DEFA-Stiftung. Lars Tunçay

Golda – Israels Eiserne Lady

Golda – Israels Eiserne Lady

USA/GB 2023, R: Guy Nattiv, D: Helen Mirren, Camille Cottin, Rami Heuberger, 100 min

1973 tobte in Israel für drei Wochen der Jom-Kippur-Krieg, als das Land sowohl von Syrien als auch Ägypten angegriffen wurde und sich zwischen zwei Fronten behaupten musste. Damals wurde das Land von einem der ersten weiblichen Regierungsoberhäupter angeführt, Golda Meir (wieder einmal grandios: Helen Mirren). Obwohl es ihr gelang, die verfeindeten Nationen zu einem Friedensvertrag zu bewegen und Israel als Staat anerkennen zu lassen, wird Meirs Vermächtnis, gerade in Israel selbst, auch heute noch kontrovers betrachtet. Denn aufgrund einer gewagten Entscheidung Meirs fanden Hunderte israelische Soldaten damals den Tod. Guy Nattivs Film entstand bereits 2022 und wurde im Februar 2023 auf der Berlinale uraufgeführt, als noch keiner etwas von den aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen ahnen konnte. Dennoch unterstreichen sie nun sehr eindringlich, wie unverändert zeitgemäß das Thema leider nach wie vor ist. Ähnlich wie im Churchill-Film »Die dunkelste Stunde« mit Gary Oldman, der im Zweiten Weltkrieg angesiedelt ist, spielt auch »Golda« fast ausnahmslos in Verhandlungsräumen, in denen die Premierministerin mit ihren militärischen Leitern die verzwickte Lage bespricht. Das ist leider nicht durchweg packend, weil das Drehbuch Schwächen und plakative Symbolik aufweist. Vielleicht hätte man der spannenden Figur Golda Meirs noch mehr Raum geben sollen, aber ein richtiges Biopic zur Politikerin entstand schon 1982 mit Ingrid Bergman. Gleichwohl gewinnt der Film durch Mirrens faszinierende Performance und ihre für einen Oscar nominierte Maske. Frank Brenner

Die Gleichung ihres Lebens

Die Gleichung ihres Lebens

F 2023, R: Anna Novion, D: Ella Rumpf, Jean-Pierre Darroussin, Clotilde Courau, 112 min

Gedrungen, versteckt hinter der großen Brille wandelt Marguerite durch die Flure der Fakultät. Die junge Frau widmet ihr Leben ganz der Wissenschaft und der Lösung eines mathematischen Problems: dem Beweis der Goldbachschen Vermutung. Ein scheinbar unlösbares Phänomen. Doch damit gibt sich Marguerite ebensowenig zufrieden, wie ihr Professor Werner. Dem ist jedes Mittel recht, solange es zur Lösung führt. So zögert er nicht, einen fähigen Studenten aus Boston an die Uni zu holen. Die plötzliche Konkurrenz setzt Marguerite unter Druck, zumal es Lucas tatsächlich gelingt, ihre Theorie, für die sie die vergangenen Monate geopfert hat, zu widerlegen. Das wirft Marguerite aus der Bahn und zwingt sie dazu, ihr gesamtes Leben zu überdenken. Außerhalb der Mauern der Fakultät entdeckt sie eine neue Welt. Regisseurin Anna Novion visualisiert die Gleichungen ebenso lebendig wie das Nachtleben, in das ihre Protagonistin eintaucht. So wirkt die Welt der Wissenschaft vielleicht nicht zugänglich, aber doch faszinierend. Ebenso wie die Protagonistin: Marguerite muss die zwischenmenschliche Kommunikation mühsam erlernen. Ihr Coming-of-Age bleibt dabei weitgehend in den vorhersehbaren Bahnen. Hauptdarstellerin Ella Rumpf (»Raw«) spielt das Erwachen ihrer Figur aber einnehmend und stets nachvollziehbar. Dafür erhielt sie vollkommen verdient den César als Beste Nachwuchsdarstellerin. Lars Tunçay

The Bikeriders

The Bikeriders

USA 2024, R: Jeff Nichols, D: Jodie Comer, Austin Butler, Tom Hardy, 116 min

Harte Typen, wenig Worte, dafür jede Menge Gewalt, Harleys und Suchtmittel – die gängigen Klischees über Motorradclubs finden sich auch hier. Doch der Film zeigt noch mehr: Kampf um Anerkennung und Macht, Licht und Schatten verschiedener Gemeinschaftsgefüge und den unaufhaltsamen Wandel des Zeitgeistes. Im Chicago der sechziger Jahre treiben die Vandals unter dem skrupellosen Anführer Johnny ihr Unwesen. Dieser will, dass der stille, aber explosive Schönling Benny eines Tages sein Nachfolger wird. Doch Kathy, Bennys Ehefrau und Erzählerin des Films, fordert nach diversen Vorfällen dessen Abkehr von der immer mehr in eine Spirale aus Gewalt und Kriminalität treibenden Bande. Die Gegensätze treiben die Story an: Die Regeln der Gruppe versus das Aufbegehren gegen Gesellschaft und Gesetze, die Verbundenheit zu Familie und Partner versus die Loyalität zur motorisierten Ersatzfamilie sowie der Respekt und die gleichzeitige Abscheu gegenüber der Bikergang. So ist Benny hin- und hergerissen zwischen seinem Ersatzvater und seiner Gemahlin, die sich – im Gegensatz zu den Faust- und Messerkämpfen – geladene Dialogduelle liefern. Der Film von Regisseur Jeff Nichols (»Loving«) basiert auf dem Fotobuch von Danny Lyon, der selbst Mitglied der Motorrad-Gang »Outlaws Motorcycle Club« war. »The Bikeriders« überzeugt vor allem durch das atmosphärische Setting und die starken Charaktere, allen voran Tom Hardy als grimmig-manipulativer Bandenboss. Markus Gärtner

Der Junge, dem die Welt gehört

Der Junge, dem die Welt gehört

D 2024, R: Robert Gwisdek, D: Julian Vincenzo Faber, Denis Lavant, Corinna Harfouch, 96 min

Einsam sitzt der Künstler Basilio im großen Haus und ist doch nicht allein. An seiner Seite sitzt ein Kobold, ein Derwisch, gleichermaßen Inspiration und Blockade, Fluch und Segen. Basilio komponiert am Klavier, doch es will nicht gelingen. Er hört die Stimmen der Welt, aber kann sie nicht verstehen. Wenn er sich einmal über die Schwelle wagt, landet er beim Lebensmittelhändler an der Ecke, mit dem er sich spitze Wortgefechte liefert. Dort trifft Basilio eines Tages auf Klara, das einzige Mädchen, das wahrscheinlich noch verrückter ist als er. Mit ihr ist er bereit, seine Welt zu teilen. Einen Liebesfilm für Verrückte wollte Robert Gwisdek inszenieren. Also schrieb er ein Buch und drehte drei Monate später auf Sizilien inmitten der Pandemie. In den leeren Straßen von Palermo fand er ein leerstehendes Haus. Hier tobte er sich mit Julian Vincenzo Faber und Chiara Höflich in den Hauptrollen aus. Für alle drei war es ein Debüt: Faber steht eigentlich mit seiner gleichnamigen Band auf den Bühnen, Schauspieler, Autor und Rapper Robert Gwisdek inszenierte zuvor einige Kurzfilme und Musikvideos gemeinsam mit Chiara Höflich. Mit einem leidenschaftlichen Team, dem Geld von Freunden, ohne Förderung und Verleih schufen sie etwas Einzigartiges. Gekrönt wird die quirlige, urkomische Liebesgeschichte von Schauspiellegende Denis Lavant (»Holy Motors«) und der Musik von Sophie Hunger. Lars Tunçay

Auf trockenen Gräsern

Auf trockenen Gräsern

TRK/F/D, R: Nuri Bilge Ceylan, D: Merve Dizdar, Ece Bağcı, Musab Ekici, 197 min

Einer der vielen kleinen Kinotrends der letzten Jahre besteht darin, dass namhafte Regisseure ihre eigene Sinnsuche in Bilder übersetzen. Paolo Sorrentino wäre da gleich mehrfach zu nennen, genau wie Hollywood-Regisseur Alejandro González Iñárritu mit seinem Film »Bardo«. Der türkische Filmemacher Nuri Bilge Ceylan braucht den Vergleich mit solchen Größen nicht zu scheuen. Sein neuestes Werk erzählt von dem Kunstlehrer Samet, der aus Istanbul zum Pflichtdienst nach Anatolien versetzt wurde. Nach vier Jahren Dienst auf dem Dorf und unter widrigsten Bedingungen, möchte er nur zurück in die Stadt. Doch dann tauchen plötzlich Missbrauchsvorwürfe auf. Samet und sein Kollege Kenan sollen zwei Schülerinnen belästigt haben. Was als Me-too-Fall funktionieren könnte, ist hier Anlass für den Protagonisten, sich endgültig seiner Midlife-Crisis zu überlassen. Schwankend zwischen Selbstgerechtigkeit und Selbstmitleid wähnt er sich über den anderen, bis er der Englischlehrerin Nuray begegnet, gespielt von Merve Dizdar, die dafür in Cannes die Goldene Palme als beste Darstellerin gewann. »Auf trockenen Gräsern« erzählt all das in etwas mehr als drei Stunden. Trotz dieser stattlichen Länge wird der Film nie langweilig. Ein starker Cast, ausgiebige Dialoge und eigenwillige Kameraaufnahmen entfalten eine Stimmung, der man sich gerne überlässt. Am Ende wünscht man sich fast, man könnte mit am Feuer sitzen, wenn draußen wieder der Wind heult. Josef Braun

Von Vätern und Müttern

Von Vätern und Müttern

DK 2022, R: Paprika Steen, D: Katrine Greis-Rosenthal, Jacob Lohmann, Nikolaj Lie Kaas, 96 min

Okay, Triggerwarnung: Wer schulpflichtige Kinder hat, könnte hier unliebsame Erinnerungen an endlose Elternabende durchleben. Paprika Steen serviert in 97 Minuten eine Satire, die schmerzhafte Wahrheiten an den Tag bringt. Ob man das lustig findet oder als realitätsfern abtut, liegt also am eigenen Standpunkt. Es bleibt aber nun mal ein Fakt: Wer sein Kind zur Schule schickt, muss sich mit den Eltern der anderen Kinder arrangieren. So ergeht es auch Piv und Ulrik. Ihre Tochter Hannah soll auf eine Schule mit kreativer Ausrichtung, in der Hoffnung der Eltern, dass dort ihre Talente besser gefördert werden. Für die Sechstklässlerin ist es bereits der vierte Schulwechsel innerhalb kurzer Zeit. Meist scheitern die Institutionen am Anspruch der Mutter. Diesmal soll alles klappen, deshalb sind Piv und Ulrik auch sehr bedacht darauf, bei der gemeinsamen Hüttenfahrt einen möglichst guten Eindruck zu machen. Doch die scheinbare Harmonie innerhalb der Elternschaft trügt. Das Wochenende wird bald zur blutigen Schlammschlacht. Die vom Schauspiel in den Regiestuhl gewechselte Paprika Steen hat hier ein Ensemble bekannter dänischer Schauspielerinnen und Schauspieler versammelt: Lisa Loven Kongsli, Carsten Bjørnlund, Nikolaj Lie Kaas, Lars Brygmann: die 13 Akteurinnen und Akteure haben sichtlich Spaß in ihren Rollen und wer sich darauf einlässt, dass unter ihnen absolut keine Sympathieträger zu finden sind, kann sich über ihre Macken und Marotten genüsslich amüsieren. Zumindest bis zum nächsten Elternabend. Lars Tunçay

Sterben

Sterben

D 2024, R: Matthias Glasner, D: Corinna Harfouch, Lars Eidinger, Lilith Stangenberg, 180 min

Tom Lunies sitzt am Tisch seiner Mutter Lissy. Sie hat Kuchen gebacken und serviert ihm dazu die Nachricht ihres nahenden Todes. Was folgt, ist eine minutenlange Abrechnung ihrer nie gewollten Rolle als seine Mutter. In dieser Szene öffnen sich bodenlose Abgründe. Die Familie Lunies ist entzweit. Sohn Tom arbeitet rund um die Uhr an seiner Karriere als Dirigent und ruft gelegentlich bei den Eltern an. Von Tochter Ellen wird nur in der dritten Person gesprochen. Lissy geht am Stock, kann kaum noch sehen, ist alleine und überfordert mit der Pflege des Vaters, der an Parkinson erkrankt ist und nicht mehr für sich selbst sorgen kann. Eine unheilvolle Konstellation, die ungebremst auf den Abgrund zusteuert. Matthias Glasners Filme (»Der Freie Wille«, »Gnade«) gehen an die Substanz. Vielleicht begeben sich deshalb so viele namhafte Schauspielerinnen und Schauspieler in seine Hände. Auch »Sterben« ist Schauspielkino in Vollendung. Die zentrale 15-minütige Szene mit Corinna Harfouch und Lars Eidinger ist in ihrer Intensität kaum zu ertragen. Glasner unterteilt sein Werk in Kapitel, die jedes Mitglied dieser dysfunktionalen Familie in den Mittelpunkt stellen. Er lässt sie lieben und leiden, aber nie wirklich zueinanderfinden. Drei Stunden Blut und Tränen, Liebe und Hass, das Leben und immer wieder der Tod. Bei der Berlinale gab es dafür den Silbernen Bären für das beste Drehbuch. Lars Tunçay