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Rezensionen

Season – A Letter To The Future

Season – A Letter To The Future

Entwickler/Publisher: Scavengers Studio Plattform: PS4, PS5, PC, Preis: 24,99 €

Was bleibt von uns, wenn wir einmal nicht mehr da sind? Welche Spuren werden die Menschen hinterlassen, wenn ihre Zeit gekommen ist? Die Welt von »Season« wirkt fremd und doch seltsam vertraut. Einst war sie eine Welt des Fortschritts, doch ein Krieg hat sie verändert. Jetzt sind die Skelette der Kräne und Bauten von Grün überwuchert und die Erinnerungen an ihren Zweck verblassen. Estelle kennt die Welt, wie sie einst war, nur aus den Geschichten der Alten. Die junge Frau wuchs in dem Bergdorf Caro auf. Ein mysteriöser Heiler namens Dr. Fumio errichtete die Kommune, um die Einwohnerinnen und Einwohner zu schützen. Zumindest sagen das die Aufzeichnungen. Die Grenze zwischen Wahrheit und Propaganda verschwimmt überall in der Welt von »Season«. Die titelgebende Jahreszeit endet und markiert einen Wandel in der Entwicklung der Menschen. Wird sie alle auslöschen oder sind die apokalyptischen Prophezeiungen nur eine Erfindung der »Grauen Hände«, einer Organisation, die über das Tal wacht? Estelle bricht auf, um die Erinnerungen der letzten verbliebenen Menschen aufzunehmen, zu dokumentieren, was ist – für die, die kommen. Ein Brief an die Zukunft. Mit ihrem Fahrrad radelt sie durch wunderschöne Landschaften in Cellshading-Look. Die spielerischen Elemente halten sich in Grenzen – »Season« vertraut voll und ganz seiner Geschichte, die von liebenswerten Charakteren in gut geschriebenen und vertonten Dialogen erzählt wird. Ein liebevoll gestaltetes melancholisches Märchen in den satten Farben des Sommers. Lars Tunçay

Forspoken

Forspoken

Entwickler: Luminous-Productions, Publisher: Square-Enix, Plattform: PS5, PC, Preis: 79,99 €

Ein Ort der Fantasie, ein magisches Reich, ganz wie im »Zauberer von Oz« malt »Forspoken« auf den Bildschirm – da könnte der Prolog nicht gegensätzlicher sein. Die junge New Yorkerin Frey findet sich in einem Gerichtssaal wieder. Die Anklage: schwerer Diebstahl. Die Richterin gibt der Wiederholungstäterin eine letzte Chance und verdonnert sie zu Sozialstunden. Freys Hoffnungen, einen Weg aus der Kriminalität zu finden und neu zu starten, werden durch ein Feuer jäh zerstört. Schweren Herzens gibt sie ihren geliebten Kater ab und streunt ziellos durch die Straßen, als sie plötzlich einen seltsamen Armreif findet, der sie in eine andere Welt transportiert, in der Drachen den Himmel verdunkeln und eine seltsame Seuche alles zu zersetzen droht. Frey ist dagegen immun und so steht es ihr frei, die farbenprächtige Welt zu erkunden, wobei ihr der gesprächige Armreif zur Seite steht. Gegen die Kreaturen der Welt setzt sie sich mit Magie und flotten Parkour-Moves zur Wehr. Die offene Welt ist weitläufig und schön gestaltet, die Prämisse einer Großstadt-Alice ebenso vielversprechend wie die einer afroamerikanischen Heldin. Aus alldem macht »Forspoken« aber leider zu wenig. Statt auf seine Eigenheiten zu setzen, will der Titel der »Final Fantasy«-Macher in einer Open-World-Liga mit »God of War« und »Horizon« spielen. Dafür ist die Präsentation aber stellenweise zu unbeholfen, die Charaktere sind ebenso uninteressant wie die Aufgaben. Was bleibt, ist eine reizvolle Welt und viel ungenutztes Potenzial für einen möglichen Nachfolger. Lars Tunçay

Red Dead Redemption 2 (2018)

Red Dead Redemption 2 (2018)

Das Westernepos »Red Dead Redemption 2« ist ein langweiliges und veraltetes Spiel – zumindest, wenn wir seine Story-Missionen spielen. Als Arthur Morgan ballern wir uns wie auf Schienen durch Western-Canyons und Western-Städtchen. Zum Glück lässt uns »Red Dead Redemption 2« als Open-World-Spiel abseits der Aufträge in Ruhe. Dann offenbart es seine wunderschöne Natur und zeigt, wie schön »Nichtstun« in einem Spiel sein kann. Die Holzfällersiedlung Strawberry im Norden. Wir kaufen Konserven, Kaffee und einen Perkulator für die Wildnis und packen alles in die Satteltaschen. Nach ein paar Minuten hören wir nur noch das Rauschen des Flusses, ein Kaninchen hopst vorbei und flieht in seinen Bau. Wir steigen ab und stapfen durch den kargen Nadelwald. Nieselregen sickert in unseren Mantel, es ist saukalt. An einer Böschung rasten wir, das Lagerfeuer wärmt, Kaffee sprudelt aus dem Perkulator. Durch die Regenwolken schimmert die Sonne, dünne Fäden zerstäuben über dem Feuer. Irgendwo hier in der Nähe soll Klassikerein alter Bär sein Unwesen treiben. Der Pelz ist sicher eine Menge wert, dann könnten wir endlich mal wieder ein Vollbad nehmen. Aber ach, der Bär kann warten. Noch ein Schlückchen Kaffee, und dann schauen wir in den Sonnenuntergang. Denn die Regenwolken haben sich endlich verzogen. Denis Gießler

The Feast

The Feast

Entwickler: Sever Games, Publisher: Prismatika, Plattform: PC, Preis: gratis

Lügen können sprach- und orientierungslos machen. Sie können jeden Sinn einer geteilten Wirklichkeit zerstören. Wer das nicht am eigenen AfD-Onkel auf der nächsten Familienfeier nachvollziehen kann oder will, erlebt es hier: »The Feast« ist ein kurzes Kunstspiel des russischen Studios Sever. Wir spielen eine Tochter, die zum Festessen nach Hause kommt und eine virtuelle Theaterbühne betritt. Hier herrschen Schrecken und Verwahrlosung, ins Absurde überzeichnet. Der Bezug zur Lage in Russland, zu einer tabuisierten Krise bleibt implizit, aber er ist schwer zu übersehen. Das Grauen hängt in Form einer Leiche über der festlich gedeckten Tafel. Wie sag ich’s Mutti? In Minuten ist das interaktive Theaterstück durchgeklickt. Während die Welt um sie herum zerfällt, übertreffen die Anwesenden sich in einem Leugnungswettbewerb und heucheln Zuversicht. Es beginnt und bleibt so grotesk, dass es kaum als Satire durchgeht. »The Feast« zeigt einen schwer zu ertragenden, ins Surreale gesteigerten Zustand, um eine Reaktion zu provozieren. So deutlich die Symbolik ausfällt, so offen bleibt der Ablauf des Stücks. »The Feast« erzählt in wenigen Sätzen und fragt dabei laufend die Reaktionen der Protagonistin ab. Wie wir uns verhalten, ob wir Mutti zuliebe mitlügen, alles über den Haufen schmeißen oder uns irgendwie durchwurschteln, ist unsere Entscheidung. Es bleibt eine Zumutung; aber eine sehr interessante. Jan Bojaryn

High on Life

High on Life

Entwickler + Publisher: Squanch-Games, Plattform: PC, Xbox, Preis: 50 €

Egoshooter beschäftigen sich schon immer intensiv mit ihren Schusswaffen. Die Knarren bleiben stets am Bildrand sichtbar und irgendwann scheint es, als hätte jede Waffe ihre eigene Persönlichkeit. Deswegen ist die Grundidee von »High on Life« treffend – hier sind Waffen Aliens und pressen Geschosse aus dem Hintern, während sie die Person am Abzug nonstop frontal zuquatschen. Das klingt nicht nur wie eine Pointe aus »Rick and Morty« – es kommt wirklich von Justin Roilands Studio Squanch-Games. Sowohl in der Show als auch im Shooter ist Roiland Co-Autor und spricht gefühlte 60 Prozent aller Rollen. Kurz zum Spiel: »High on Life« ist ein kompetenter Shooter mit dem Charme eines Leihwagens. Er bringt den Witz zum Publikum. Das Spiel ist nicht schlecht, aber funktional. Wichtiger sind die Sprechrollen. Einige gute und bekannte Stimmen lauern im Arsenal. Doch vor allem Roiland zerquatscht mit elend vielen geschwätzigen Auftritten sein Spiel. Einerseits funktioniert das; der nihilistische, von allem ermüdete Humor der Fernsehserie wirkt im Spiel noch einmal neu. Außerdem reagieren viele Charaktere sehr dynamisch darauf, wer erschossen wurde, wer ausreden darf und ob das Gegenüber während des Gesprächs auf Regale klettert. Andererseits wird die schonungslose Witzigkeit anstrengend. Die ganze Galaxie ist dumm, breit, faul und geil. Wer das spielen will, stopft sich besser vorher einen Furgle in die Kopfklappe. Jan Bojaryn

Blade Runner (1997)

Blade Runner (1997)

Der Klassiker

Es lebte zwar noch, roch aber schon ein wenig muffig: das Adventure. Ende der Neunziger hatte es seine besten Jahre hinter sich. 1997 erschienen dann gleich drei Klassiker, die das Genre vorerst würdig verabschiedeten: die Reise mit dem Orientexpress in »The Last Express«, der zeitlose Comiclook von »Monkey Island 3« und »Blade Runner«, das zeigte, wie ein Spiel zum Film aussehen muss. Früh wussten die Westwood Studios, dass sie den Film nicht nacherzählen wollten, und erfanden einen eigenen Charakter. Als Ray McCoy machte man als »Blade Runner« Jagd auf Replikanten, also Androiden, die Menschen täuschend ähnlich sehen. Ein Großteil des Spiels war Detektivarbeit: Bewohner befragen, Beweise sammeln und mutmaßliche Replikanten verhören mit dem Voigt-Kampff-Test. Dabei stapfte der Spieler durch eine interaktive Filmkulisse: Knallbunte Neonschrift, die durch Tropfen aufblitzte und sich im Wasserfilm auf den Straßen spiegelte, fing zusammen mit einem Synthie-Soundtrack die Filmatmosphäre perfekt ein. Der Preis für Grafik und Sound waren vier CDs. Gern hätten die Entwickler Harrison Ford mit einem Gastauftritt dabeigehabt, doch dieser antwortete ihnen nicht einmal. 2019 erschien der Klassiker dann auch auf GOG, bald soll eine erweiterte Fassung folgen. Denis Gießler

Moncage

Moncage

Entwickler: Terri, Dose, Kitty and JW / Publisher: Devolver Digital / Plattform: PC, Switch / Preis: 15 €

Es gibt Spielideen, die sind so unerhört, so neuartig, dass eine herkömmliche Rezensionslänge kaum ausreicht, sie auch nur zu erklären. Aber bitte: »Moncage« präsentiert einen gläsernen Würfel, der mit dem Finger oder dem Mauszeiger hin und her gedreht werden kann. Jede Seite erlaubt den Blick in eine andere, dreidimensionale Welt. In jede dieser Welten kann der Finger hineintippen, um Dinge heranzuholen oder zu manipulieren. Das ist noch nicht die Spielidee. Wer es schafft, am eigentlichen Wesen der Gegenstände in diesem Würfel vorbeizuschauen, bis sie nur noch als geometrische Formen erscheinen, der erkennt irgendwann Gemeinsamkeiten: die Schreibtischlampe hier und der Kran da; die Kurbel am Schloss und das Pedal am Fahrrad dort. Nun muss der Würfel so gedreht werden, dass die ähnlichen Gegenstände sich zu berühren scheinen, und plötzlich tun sie es, auf magische Weise, durch die Welten hinweg. Auch das ist noch nicht die ganze Idee, aber wir nähern uns. Wenn die Gegenstände sich berühren, dann enthüllen sie in der Regel etwas. Die Welten verändern sich oder drehen sich weiter. Und aus den Metaphern der Rätsel, aus den Veränderungen, entwickelt sich eine überraschend düstere Geschichte. Geschafft! Idee erklärt! Tatsächlich fühlt sich so auch das Spielen an: Ein einziges Fragezeichen, durchzuckt von einem Blitz der Erkenntnis, wenn es fast schon zu spät ist. Das ist »Moncage«, und es ist ein gutes Spiel. Jan Bojaryn

Riders Republic

Riders Republic

Entwickler/Publisher: Ubisoft, Plattform: PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X, PC, Preis: 59,99 €, USK 6

Willkommen in Riders Republic! Hier sind alle hip! Lerne Suki, Brett und all die anderen coolen Fahrer kennen, schwing dich aufs Rad und suche das Weite! Ja, Ubisoft definiert mit dem Einstieg in die Welt des Funsports die Bedeutung des diesjährigen Jugendworts des Jahres: So viel Cringe war selten. Erfreulicherweise kann man dem Hipstercamp entfliehen, nachdem man die Einführung hinter sich hat, und die Karte bietet irrsinnig viele Orte und Möglichkeiten, damit man nie wieder dorthin zurückkehren muss. Von frostigen Bergen im Norden über Waldlandschaften bis hin zu staubtrockenen Canyons im Süden bietet die Republik jeden Untergrund für jedes der fünf Vehikel. Dabei steht es dem Spieler offen, ob er die Landschaft mit einem Mountainbike oder dem Schneemobil durchpflügt, mit dem Rad, mit dem Snowboard oder auf Skiern waghalsige Tricks vollführt oder die Szenerie per Fallschirm oder Raketenrucksack überfliegt – der fliegende Wechsel der Verkehrsmittel erfolgt ebenso nahtlos wie der Übergang der Klimazonen. Das beeindruckt und lädt zum unbeschwerten Sightseeing ein. Wem es dann aber doch eher nach Action ist, der findet an jeder Ecke ein Rennen, zahllose Rivalen und alle halbe Stunde einen Massenstart von bis zu 64 Online-Kontrahenten, um sich in herrlich chaotischen Abfahrtsrennen Kudos zu verdienen. Aber auch noch der letzte Platz wird gefeiert und kratzt nicht an der Coolness – denn hier ist schließlich jeder hip! Lars Tunçay

Exo One

Exo One

Entwickler: Exbleative, Publisher: Future Friends, Plattform: PC, Xbox One, Xbox Series S/X, Preis: 16 €

Den Höhepunkt von »2001 – Odysseeim Weltraum« haben heutzutage alle vor Augen. Wer nicht im Fernsehen gesehen hat, wo alles voller Sterne war, sieht es unweigerlich in der Twitter-Timeline. Alle Momente aller Science-Fiction-Filme verfolgen uns als animierte Sammelbildchen. Längst verschwimmen Erinnerungen an die sich gegenseitig zitierenden Filme zu einer transzendenten Soße. Das dazu passende All-You-Can-Eat- Buffet heißt »Exo One«: Es ist ein kurzes Indie-Spiel über eine futuristische Raumsonde. Aus dem Off, in unverständlicher Sprache und mit andeutungsschweren Untertiteln, wird die Geschichte des Kontakts erzählt. Außerirdische haben den Menschen einen Bauplan geschickt. Astronauten sind am Jupiter verschollen. Vielleicht wird irgendjemand gerettet oder von irgendwo zurückgeholt. Und das muss als Erklärung reichen. Ab in die Raumsonde! In »Exo One« wird die kugelrunde Sonde über verschiedene Planeten gesteuert. Sie rast durch den Raum, und dann sind wir schon selbst in der Atmosphäre und schießen auf ein Licht am Horizont zu. Alles gleißt und leuchtet. Hinter dem Licht geht es nach einem kryptischen Geschichtenschnipsel mit dem nächsten Planeten weiter. Nach ein paar Stunden ist das Spiel vorbei. Tatsächlich ist die Begegnung mit »Exo One« zwangsläufig etwas oberflächlich. Im Kern ist es eine Art Surfspiel. Die Sonde kann mit einem Knopfdruck sehr schwer werden, mit einem anderen kann sie sich in ein Frisbee verwandeln. Das reicht als Antrieb, sie muss halt Schwung holen. Ein paar Minuten lang ist das frustrierend schwierig, dann flowt es, und die Sonde schießt auf den Horizont zu. Wer keine bekifften Freunde hat, die vom Sofa aus gelegentlich »Woah« raunen, der kann das beim Spielen auch selber tun. Das Spiel wirkt, als sei es für genau diesen Zweck gestaltet worden: halboffene Tränaugen in die Ferne richten und staunen. (...) Jan Bojaryn

Flatout (2004)

Flatout (2004)

Der Klassiker

Wenn die Pfützen schön schmatzen und spritzen, bullige Boliden sich ineinander verkeilen und mit Vollgas durch finnische Nadelwälder pflügen, wissen wir: Das kann nur »Flatout« sein. Das Rennspiel des finnischen Entwicklers Bugbear schnappte sich im Jahr 2004 die wichtigste Zutat der Rennspielserie »Destruction Derby« – ein spektakuläres Schadensmodell – und kombinierte sie mit spektakulären Physikeffekten. So schön waren Reifenstapel und Fahrer bis dato noch nie durch die Gegend geflogen. Bis heute sind Schadensmodelle für viele Studios ein Problem. Bei lizenzierten Fahrzeugen liegt das teils an den Vorgaben der Autohersteller. Damit die Karren möglichst werbewirksam präsentiert werden, dürfen sie allenfalls verschmutzen. Außerdem machen Extras wie abfallende Türen auch viel Extraarbeit bei der Entwicklung. Bugbear nutzte deshalb Fantasie-Autos und setzte die mächtige Physik-Engine auch für absurde Minispiele ein. In der Disziplin Hochsprung mussten wir unseren Crashtest-Dummy aus der Karre schleudern. Der Klassiker »Flatout« hatte mehrere Nachfolger, der dritte Teil war ein Totalschaden. Doch Bugbear entwickelt auch 19 Jahre später noch Crashrennspiele. Und so fühlt es sich auch in »Wreckfest« seltsam befriedigend an, wenn unsere Karre zu einem Blechklumpen zerknautscht wird. Denis Gießler

Need for Speed: Unbound

Need for Speed: Unbound

Entwickler: Criterion Games Publisher, Electronic Arts, Plattform: PS5, XboxSeries, PC, Preis: 79,99 €

Eine Zeit lang war »Need for Speed« das Maß aller Dinge. So wie Electronic Arts mit »FIFA« eine Formel entwickelt hatte, um jedes Jahr das gleiche Spiel mit minimalen Änderungen zu verkaufen, so versuchten sie im Folgenden, auch Autorennspiel-Fans jährlich zu melken – und fuhren die Serie damit gegen die Wand. Schließlich setzte die seit 1994 vor allem auf Abwechslung durch den Einsatz unterschiedlicher Entwicklerstudios. Nach dem halbgaren »Heat« hat man sich nun drei Jahre Zeit gelassen für das Comeback und das läutet auch die Rückkehr der Rennprofis von Criterion-Games ein. Die »Burnout«-Macher haben ihr letztes »Need for Speed« vor zehn Jahren entwickelt und gehen bei »Unbound« den sicheren Weg eines »Best of« aus den Vorgängerserien, garniert mit einem Schuss eigener DNA. Der Anspruch, das Renngeschehen in eine Rahmengeschichte zu pressen, ist auch hier eher leidlich gelungen, aber immerhin nicht so krampfhaft cool wie zuletzt. Auf der Straße überzeugt Criterion dagegen auf ganzer Linie: Das frei befahrbare Stadtareal bietet viel Abwechslung und reichlich Auslauf für spannende Verfolgungsjagden mit der hartnäckigen Polizei. Die Straßenrennen sind herausfordernd, die Progression motiviert zum Weiterfahren. Die Präsentation ist ebenso fett wie die Beats aus der Trap/RnB/Hiphop-Schublade und zu Ausserkontrolle und Bonez MCs »In meinem Benz« gegen den Deutschen Street-Racer »Rudiger« zu heizen dann auch schon wieder ganz niedlich. Lars Tunçay

Underwater Discoveries

Underwater Discoveries

Entwickler & Publisher: sqr3lab, Plattform: PC, Preis: 20 €

Eine der schönsten Verheißungen von Computerspielen ist die Entdeckung neuer Welten. Regelmäßig ziehen sie ins Weltall, in die Vergangenheit, in Luftschlösser. Das Meer aber ist noch längst nicht ausgeschöpft. Spiele übers Tauchen und U-Boot-Fahren gibt es viele. »Sub-ROV« fragt nun Hobbyforscherinnen und Fischefreunde, wie tief ihre Liebe geht. Tief genug für einstündige, realistische Expeditionen mit einem langsamen, unbemannten Tauchroboter? Das ist der Anspruch, und er wird augenscheinlich nah an der Wirklichkeit umgesetzt. Das Spiel ist so ernst gemeint, dass es in Kooperation mit dem Bermuda Institute of Ocean Sciences und dem Schmidt Ocean Institute entwickelt wird. Am Anfang steht deswegen ein harter Realitätscheck: Etwa zwei Stunden Tutorial, in denen der mehrschrittige Prozess vom Ansteuern der Tauchregion bis zur Bedienung des Greifarms am Tauchroboter durchgeturnt wird. Das ist alles wichtig! Wer nachher das TMS nicht vom HUD unterscheiden kann, verpasst die schönsten Gelegenheiten. Die Einarbeitung ist hart, aber sie lohnt sich. Der erste souverän gemeisterte Temperaturcheck am rauchenden Schlot ist bereits erhabener als jede orchestral untermalte Nahaufnahme in irgendwelchen BBC-Dokus. Wenn beim Auftauchen plötzlich ein Riesenkalmar vorbeizieht, der Tauchroboter effizient abdockt, hinterherschwimmt und das Tier scannt, ist das ein großes Glücksgefühl. Jan Bojaryn

Scorn

Scorn

Entwickler: Ebb Software / Publisher: Kepler Interactive / Plattform: PC, Xbox / Preis: 40 € Game-Pass

Videospiele lieben den Ekel, den glänzenden Schleim, den persönlichen Schrecken der Egoperspektive. Und sie lieben HR Giger – sein Werk ist längst festgewachsen, im Medium inkorporiert. Auf den widerlichen, folgerichtigen Höhepunkt steigert sich die Verbindung mit »Scorn« – kein offizielles Gigerspiel, aber so vollgestopft mit körperlichen Verwachsungen und vage pornografischen Maschinen, dass jederzeit auch das Alien auftauchen könnte. Lange aber taucht kein Alien auf, und das ist gut so. »Scorn« ist anfangs ein kryptisches, unerklärtes und langsames Adventure. Es ist wie der Rätsel-Klassiker »Myst«, nur mit Gedärm statt Idylle. Verloren in der Egoperspektive in Fleischtunneln herumzustehen und in schmatzende Apparaturen hineinzugreifen, ist stark. Die Welt muss studiert und verstanden werden. So entsteht ein bleibendes Unbehagen. Weniger stark ist dann eine lange Strecke, in der es mit schlechten Waffen gegen Monster geht. Solche frustrierenden Kämpfe sind ein Standard im Horrorgenre, aber sie funktionieren nicht recht als Höhepunkt. Jedes Bedienfeld für Fahrstühle vermittelt in diesem Spiel einen größeren Schrecken, als wenn sich der Bildschirm mal wieder wolkig rot färbt. Diese Action braucht kein Mensch. Aber am Boden festgewachsen aufzuwachen und nackt durch eine septische Höllenwelt zu schlurfen, das ist eine wertvolle Erfahrung, die so nur »Scorn« bietet. Jan Bojaryn

A Little to the Left

A Little to the Left

Entwickler: Max Inferno / Publisher: Secret Mode / Plattform: PC, Switch / Preis: 15 €

Selten hat ein Titel so genau auf ein Spiel gepasst wie hier: In »A Little to the Left« geht es um ästhetischen Genuss, der durch kleine Korrekturen entsteht. Aufgeräumt wird in dem Spiel nicht unbedingt logisch oder sinnvoll, sondern optisch. In dem Puzzlespiel wird allerlei Nippes mit dem Mauszeiger gepackt und geschoben, um ihn zu ordnen. Mal müssen Briefmarken ansprechend geklebt, mal Post-it-Zettel arrangiert, Bücher verrückt oder Dokumente gestapelt werden. Was kreuzer-Redakteure normalerweise als Prokrastination betreiben würden, bevor sie die Maus in die Hand nehmen, ist hier schon die eigentliche Aufgabe. Das Spiel ist in stilvoller Low-Fi-Ästhetik gehalten, die Illustrationen wirken wie aus der Wochenendbeilage einer gehobenen Tageszeitung geschnitten. Dazu spielen behutsam Flöten. Die vielen kleinen Puzzles sind wahrscheinlich therapeutisch gemeint, sie wirken zumindest so: Das virtuelle Regalfach ist geordnet, schon stellt sich ein kleiner Glücksmoment ein. Eine gewisse Fallhöhe hat das Spiel allerdings auch. Oft ist unklar, welche Ordnung angestrebt wird. Nach Farbe? Nach Angespitztheit der Stifte? Doch nach Größe? Eigentlich ist »A Little to the Left« gut darin, sich auf verschiedene Lösungen einzustellen. Doch klappt es mal nicht, ist das überraschend frustrierend. Dann nerven auch die Flöten. Aber mit einem Klick auf »So lassen« darf jedes Rätsel übersprungen werden. Jan Bojaryn

Dark Seed (1992)

Dark Seed (1992)

Der Klassiker

Grafik-Adventures haben einen verschollenen, unheimlichen Onkel. 1992, in der Blütezeit der Point-and-Click-Spiele, erschien »Dark Seed«. Es hatte ein gutes Alleinstellungsmerkmal: Illustrationen des makabren Künstlers HR Giger persönlich! Extra dafür wurden Bilder aus seinem Archiv gescannt und in hochauflösenden 640 x 350 Bildpunkten auf die Monitore übersetzt. Zeitlos witzig ist die Entscheidung, Game-Designer Mike Dawson als Protagonist abzufilmen und digitalisiert in Gigers Kulissen herumlaufen zu lassen. Der Spiel-Mike hat zwar einen anderen Beruf, aber einen wunderschönen Neunziger-Jahre-Schnurrbart, den es so in Gigers Werk vorher nicht zu sehen gab. Heute lässt sich »Dark Seed« als Longplay auf Youtube finden. Selbst spielen führt dagegen in eine unerwartete Dimension des Grauens: Unlogische, unerklärte Rätsel treffen auf realen Zeitdruck. Mikes bedrohliche Kopfschmerzen werden stärker, und wenn er nicht pixelkleine Gegenstände wie etwa eine Haarklammer bemerkt, oder selbst darauf kommt, einem Hund den Stock zu klauen, dann geht die Welt unter. Das schlechte, aber faszinierende Spiel fand durchaus Fans; die Entwicklerfirma Cyberdreams ging erst nach der Fortsetzung pleite. Und Horrorspiele mit Giger-Einfluss wuseln bis heute durchs Medium wie ein Rudel Aliens. Jan Bojaryn

God of War: Ragnarök

God of War: Ragnarök

Entwickler: SIE Santa Monica Studio / Publisher: Sony / Plattform PS4, PS5 / Preis: 70 €

In der Nacht zum 20. April 2018 saß Cory Barlog heulend vor dem PC und filmte sich dabei. In diesem Moment fiel die Last von vier entbehrungsreichen Jahren Entwicklungszeit von ihm ab, in denen der Game-Director und das Team von Sony Santa Monica unbeirrt ihre Vision verfolgten. Die Reaktion auf die ersten bei Metacritics mit Traumwertungen eintrudelnden Reviews war echt und ging wohl auch deshalb viral. Mittlerweile hat sich »God of War« auf der PS4 mit über 23 Millionen verkauften Exemplaren zu einem der meistverkauften Titel auf der Plattform entwickelt. Anfang dieses Jahres erschien ein Windows-Port. Der Nachfolger versucht nun den Vorgänger in allen Belangen zu übertrumpfen und verfolgt damit das Konzept vieler Sequels. Alles an »God of War: Ragnarök« strahlt Größe aus – nicht nur der Protagonist Kratos. Schon gleich zu Beginn der rund 30-stündigen Odyssee öffnet sich die Götterwelt und spuckt einen eindrucksvollen Donnergott Thor aus (der Marvel-Kreation nicht unähnlich) und es dauert nicht lange, bis gar Göttervater Odin die Hütte betritt und die Götterdämmerung – Ragnarök – ankündigt. Mit seiner riesigen Axt hatte Kratos im Vorgänger eine Schneise der Zerstörung hinterlassen, er hat Zyklopen, Basilisken und Hydras kurz und klein geschlagen und Baldur besiegt, den Gott des Lichtes und Sohn Odins. Schließlich ist auch Kratos’ Sohn Atreus groß geworden und zum Teenager herangewachsen – mit all den Problemen, die das mit sich bringt. Das Verhältnis zwischen dem stoischen Vater und seinem rebellischen Sohn ist komplexer und komplizierter geworden. Erschwerend hinzu kommt sicherlich die Tatsache, dass sich Atreus unkontrolliert in einen mächtigen Bären verwandelt, wenn ihn die Wut übermannt. Gemeinsam machen sich Vater und Sohn also auf die Suche nach Týr, um das Ende von allem zu verhindern. Die »God of War«-Serie, die 2005 auf der Playstation 2 ihren Anfang nahm, stand lange Zeit für rohe, gewaltige Action. (...) Lars Tunçay

Tomb Raider II (1997)

Tomb Raider II (1997)

Der Klassiker

Würde man »Tomb Raider«-Fans fragen, was ihnen zum zweiten Teil der Reihe einfällt, fielen ziemlich sicher die Schlagworte »endlich keine eckigen Brüste mehr«, »den Butler im Gefrierschrank einsperren, lol« und »Venedig!«. Zusammen mit der aus dem Vorgänger bewährten Formel aus Erkunden, Klettern und Ballern entstand ein weiterer Klassiker. Nachdem der erste Teil das Mega-Franchise begründet hatte, zimmerte das englische Studio Core Design den Nachfolger in weniger als einem Jahr zusammen, entwickelte dabei aber das Spielprinzip nur behutsam weiter. Lara Croft kletterte und schwamm nun nicht mehr allein in Höhlen und Grabkammern herum, sondern auch in Außenlevels wie Venedig. Schon vier Jahre vor »Grand Theft Auto 3« konnten Spieler mit einem Boot durch 3-D-Level cruisen und dabei Laras physikalisch einigermaßen korrekt wippenden Zopf bestaunen. Core Design platzierte diesmal vor allem menschliche Gegner, von denen es im ersten Teil nur wenige gab. Die verbesserte Grafik-Engine verfügte nun über eine dynamische Beleuchtung, die Fackel erhellte die schummrigen Gräber. Seit 2016 arbeiten Fans an einem Remake des Klassikers in der Unreal Engine 4, Anfang 2021 war eine spielbare Demo erschienen. Vielleicht lassen sie bald den Venedig-Level in neuem Glanz erstrahlen. Denis Gießler

Alfred Hitchcock: Vertigo

Alfred Hitchcock: Vertigo

Entwickler: Pendulo, Publisher: Microids, Plattform: PC (Konsolen später), Preis: 30 €

Selten hat ein Name so großes Interesse geweckt – und sich dann so wenig für sich selbst interessiert. Das Adventure »Alfred Hitchcock – Vertigo« zeigt die Silhouette des berühmten Filmemachers Alfred Hitchcock. Aber warum? Wer jetzt glaubt, es liege daran, dass hier der berühmte Thriller »Vertigo« des legendären Filmemachers umgesetzt werde, der irrt. Es geht wohl eher um einzelne Motive. Einem Hauptverdächtigen ist schwindlig. Bedrohlich kreisen Vögel am Himmel. That’s Hitchcock! Reichlich eingelöst wird aber die zweite Hälfte des Titels. In dieser verschlungenen Detektivsause ist einem geheimnisvollen Schriftsteller wirklich schwindlig, es geht ihm schlecht, vielleicht hat er jemanden umgebracht. Gespielt werden Ermittlungen und magische Zeitreise-Hypnosesitzungen mit wechselnden Charakteren. Doch das Geheimnis um den schwindligen Hauptcharakter steht im Mittelpunkt der Geschichte, und das ist ein mögliches Problem. Noch bevor seine mögliche Schuld an Sexual- und Gewaltverbrechen geklärt ist, erleben wir ihn als melodramatisches, selbstverliebtes Arschloch. Wenn es in den folgenden Stunden darum geht, welche frühkindlichen Traumata ihn so haben werden lassen, dann brauchen die Menschen vor dem Bildschirm sehr viel Empathie und Geduld, um dranzubleiben. Technische Probleme gibt es auch. Wer das nicht aushält, der verpasst eine originell gedachte, aber schlecht gemachte Räuberpistole. Jan Bojaryn

Yuki

Yuki

Entwickler/Publisher: Arvore Immersive Experiences, Plattform: PSVR, Oculus, HTC Vive, Preis: 20 €, USK 6

Bullet Hell Shooter und Rogue-likes – Subgenres, die vor allem all jene ansprechen, denen der heutige Spielestandard zu langweilig geworden ist. Eine Gegenbewegung zum Trend der Convenient-Games, die den Spieler kaum noch fordern. Mit »Yuki« vermählt das brasilianische Studio Arvore diese beiden Strömungen und versetzt sie in den virtuellen Raum. Eine erstaunlich logische Weiterentwicklung, die schnell ein bemerkenswertes Suchtpotenzial entwickelt. Zumal sich der Einstieg – ganz genreunüblich – erfreulich zugänglich gestaltet. In der rechten Hand hält man Yuki, eine japanische Actionfigur eines Manga-Mädchens mit Blaster und Metallschwingen, in der linken ihren Robo-Sidekick. Beide navigiert man frei durch fernöstliche Welten, wobei die entgegenkommenden Kabuki-Gegner ein stete Ladung Projektile abfeuern. Wird Yuki getroffen, beginnt ihre Reise von vorn. Aber gesammelte Extrawaffen und Power-ups erleichtern den nächsten Durchgang, und so kommt man der nächsten der insgesamt sechs Welten immer ein Stückchen näher. Die Liebe der Entwickler zu japanischen Arcades zeigte sich schon in der Reihe »Pixel Ripped«. »Yuki« ist nicht nur Hommage an Segas Klassiker »Space Harrier«, sondern eine Reise mitten ins Herz der Arcadeliebe. Lars Tunçay

Chorus

Chorus

Entwickler & Publisher: Deep Silver, Plattform: PC, Playstation (ab 4), Xbox (ab One), Preis: 40 €

Videospiele sind, von vielen Menschen unbemerkt, explodiert. Sie haben sich sehr schnell in viele Richtungen ausgedehnt. Für jede Nische gibt es heute irgendwo ein hinreichend großes Publikum. Auch für aufwendig produzierte Weltraumaction in der Tradition von »Star Fox« und »Wing Commander«. Wie ein UFO aus dem Nichts taucht »Chorus« auf: Die deutschen Entwickler haben Weltraumerfahrung, aber das Spiel ist keine Fortsetzung. Es will uns einfach ein schickes Raumschiff vor atemberaubend schönen Space-Tapeten zeigen, und dann fliegt das Raumschiff  ganz wild hin und her und da kommen ständig neue Gegnerwellen und das Spiel macht währenddessen mit dem Mund passende Geräusche: »Pschrrrsch. Zap! Buuuuf.« Zentraler Unterschied zum Kinderspiel von früher: Zumindest die Playstation-5-Version sieht deutlich schicker aus. Sie klingt auch besser. »Chorus« hat eine halboffene Welt voller Missionen und Sammelstücke, es bietet verschiedene Waffensysteme zum Upgraden und steuert sich zunehmend komplex. Doch im Kern fühlt es sich so an wie die Erfüllung des urkindlichen Traums von richtig coolen Raumschiffen, die durch Asteroidengürtel und an Raumstationen vorbeizischen und umeinander herumwirbeln und dabei aufeinander ballern, und ständig explodiert irgendwo etwas. Statt um kühle Simulation geht es hier um driftende Raumjäger und magische Spezialangriffe. Das ist nicht neu, aber es ist gut gemacht, und es sieht besser aus als früher. Viele Weltraumspiele der letzten Jahre arbeiten sich an realistischen Vorstellungen einer möglichen Zukunft ab. »Chorus« ist dagegen ein Spiel für Menschen, die cool ballern wollen. Offen muss die Frage bleiben, an wen sich die düstere Geschichte der gebrochenen Supersoldatin Nara richtet. Allzu wichtig soll sie wohl nicht sein, sie wird eher zurückhaltend erzählt. Ein großer Teil der Dialoge wird zwischendurch über Funk geraunt und geschrien. (...) Jan Bojaryn