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Rezensionen

Flatout (2004)

Flatout (2004)

Der Klassiker

Wenn die Pfützen schön schmatzen und spritzen, bullige Boliden sich ineinander verkeilen und mit Vollgas durch finnische Nadelwälder pflügen, wissen wir: Das kann nur »Flatout« sein. Das Rennspiel des finnischen Entwicklers Bugbear schnappte sich im Jahr 2004 die wichtigste Zutat der Rennspielserie »Destruction Derby« – ein spektakuläres Schadensmodell – und kombinierte sie mit spektakulären Physikeffekten. So schön waren Reifenstapel und Fahrer bis dato noch nie durch die Gegend geflogen. Bis heute sind Schadensmodelle für viele Studios ein Problem. Bei lizenzierten Fahrzeugen liegt das teils an den Vorgaben der Autohersteller. Damit die Karren möglichst werbewirksam präsentiert werden, dürfen sie allenfalls verschmutzen. Außerdem machen Extras wie abfallende Türen auch viel Extraarbeit bei der Entwicklung. Bugbear nutzte deshalb Fantasie-Autos und setzte die mächtige Physik-Engine auch für absurde Minispiele ein. In der Disziplin Hochsprung mussten wir unseren Crashtest-Dummy aus der Karre schleudern. Der Klassiker »Flatout« hatte mehrere Nachfolger, der dritte Teil war ein Totalschaden. Doch Bugbear entwickelt auch 19 Jahre später noch Crashrennspiele. Und so fühlt es sich auch in »Wreckfest« seltsam befriedigend an, wenn unsere Karre zu einem Blechklumpen zerknautscht wird. Denis Gießler

Need for Speed: Unbound

Need for Speed: Unbound

Entwickler: Criterion Games Publisher, Electronic Arts, Plattform: PS5, XboxSeries, PC, Preis: 79,99 €

Eine Zeit lang war »Need for Speed« das Maß aller Dinge. So wie Electronic Arts mit »FIFA« eine Formel entwickelt hatte, um jedes Jahr das gleiche Spiel mit minimalen Änderungen zu verkaufen, so versuchten sie im Folgenden, auch Autorennspiel-Fans jährlich zu melken – und fuhren die Serie damit gegen die Wand. Schließlich setzte die seit 1994 vor allem auf Abwechslung durch den Einsatz unterschiedlicher Entwicklerstudios. Nach dem halbgaren »Heat« hat man sich nun drei Jahre Zeit gelassen für das Comeback und das läutet auch die Rückkehr der Rennprofis von Criterion-Games ein. Die »Burnout«-Macher haben ihr letztes »Need for Speed« vor zehn Jahren entwickelt und gehen bei »Unbound« den sicheren Weg eines »Best of« aus den Vorgängerserien, garniert mit einem Schuss eigener DNA. Der Anspruch, das Renngeschehen in eine Rahmengeschichte zu pressen, ist auch hier eher leidlich gelungen, aber immerhin nicht so krampfhaft cool wie zuletzt. Auf der Straße überzeugt Criterion dagegen auf ganzer Linie: Das frei befahrbare Stadtareal bietet viel Abwechslung und reichlich Auslauf für spannende Verfolgungsjagden mit der hartnäckigen Polizei. Die Straßenrennen sind herausfordernd, die Progression motiviert zum Weiterfahren. Die Präsentation ist ebenso fett wie die Beats aus der Trap/RnB/Hiphop-Schublade und zu Ausserkontrolle und Bonez MCs »In meinem Benz« gegen den Deutschen Street-Racer »Rudiger« zu heizen dann auch schon wieder ganz niedlich. Lars Tunçay

Underwater Discoveries

Underwater Discoveries

Entwickler & Publisher: sqr3lab, Plattform: PC, Preis: 20 €

Eine der schönsten Verheißungen von Computerspielen ist die Entdeckung neuer Welten. Regelmäßig ziehen sie ins Weltall, in die Vergangenheit, in Luftschlösser. Das Meer aber ist noch längst nicht ausgeschöpft. Spiele übers Tauchen und U-Boot-Fahren gibt es viele. »Sub-ROV« fragt nun Hobbyforscherinnen und Fischefreunde, wie tief ihre Liebe geht. Tief genug für einstündige, realistische Expeditionen mit einem langsamen, unbemannten Tauchroboter? Das ist der Anspruch, und er wird augenscheinlich nah an der Wirklichkeit umgesetzt. Das Spiel ist so ernst gemeint, dass es in Kooperation mit dem Bermuda Institute of Ocean Sciences und dem Schmidt Ocean Institute entwickelt wird. Am Anfang steht deswegen ein harter Realitätscheck: Etwa zwei Stunden Tutorial, in denen der mehrschrittige Prozess vom Ansteuern der Tauchregion bis zur Bedienung des Greifarms am Tauchroboter durchgeturnt wird. Das ist alles wichtig! Wer nachher das TMS nicht vom HUD unterscheiden kann, verpasst die schönsten Gelegenheiten. Die Einarbeitung ist hart, aber sie lohnt sich. Der erste souverän gemeisterte Temperaturcheck am rauchenden Schlot ist bereits erhabener als jede orchestral untermalte Nahaufnahme in irgendwelchen BBC-Dokus. Wenn beim Auftauchen plötzlich ein Riesenkalmar vorbeizieht, der Tauchroboter effizient abdockt, hinterherschwimmt und das Tier scannt, ist das ein großes Glücksgefühl. Jan Bojaryn

Scorn

Scorn

Entwickler: Ebb Software / Publisher: Kepler Interactive / Plattform: PC, Xbox / Preis: 40 € Game-Pass

Videospiele lieben den Ekel, den glänzenden Schleim, den persönlichen Schrecken der Egoperspektive. Und sie lieben HR Giger – sein Werk ist längst festgewachsen, im Medium inkorporiert. Auf den widerlichen, folgerichtigen Höhepunkt steigert sich die Verbindung mit »Scorn« – kein offizielles Gigerspiel, aber so vollgestopft mit körperlichen Verwachsungen und vage pornografischen Maschinen, dass jederzeit auch das Alien auftauchen könnte. Lange aber taucht kein Alien auf, und das ist gut so. »Scorn« ist anfangs ein kryptisches, unerklärtes und langsames Adventure. Es ist wie der Rätsel-Klassiker »Myst«, nur mit Gedärm statt Idylle. Verloren in der Egoperspektive in Fleischtunneln herumzustehen und in schmatzende Apparaturen hineinzugreifen, ist stark. Die Welt muss studiert und verstanden werden. So entsteht ein bleibendes Unbehagen. Weniger stark ist dann eine lange Strecke, in der es mit schlechten Waffen gegen Monster geht. Solche frustrierenden Kämpfe sind ein Standard im Horrorgenre, aber sie funktionieren nicht recht als Höhepunkt. Jedes Bedienfeld für Fahrstühle vermittelt in diesem Spiel einen größeren Schrecken, als wenn sich der Bildschirm mal wieder wolkig rot färbt. Diese Action braucht kein Mensch. Aber am Boden festgewachsen aufzuwachen und nackt durch eine septische Höllenwelt zu schlurfen, das ist eine wertvolle Erfahrung, die so nur »Scorn« bietet. Jan Bojaryn

A Little to the Left

A Little to the Left

Entwickler: Max Inferno / Publisher: Secret Mode / Plattform: PC, Switch / Preis: 15 €

Selten hat ein Titel so genau auf ein Spiel gepasst wie hier: In »A Little to the Left« geht es um ästhetischen Genuss, der durch kleine Korrekturen entsteht. Aufgeräumt wird in dem Spiel nicht unbedingt logisch oder sinnvoll, sondern optisch. In dem Puzzlespiel wird allerlei Nippes mit dem Mauszeiger gepackt und geschoben, um ihn zu ordnen. Mal müssen Briefmarken ansprechend geklebt, mal Post-it-Zettel arrangiert, Bücher verrückt oder Dokumente gestapelt werden. Was kreuzer-Redakteure normalerweise als Prokrastination betreiben würden, bevor sie die Maus in die Hand nehmen, ist hier schon die eigentliche Aufgabe. Das Spiel ist in stilvoller Low-Fi-Ästhetik gehalten, die Illustrationen wirken wie aus der Wochenendbeilage einer gehobenen Tageszeitung geschnitten. Dazu spielen behutsam Flöten. Die vielen kleinen Puzzles sind wahrscheinlich therapeutisch gemeint, sie wirken zumindest so: Das virtuelle Regalfach ist geordnet, schon stellt sich ein kleiner Glücksmoment ein. Eine gewisse Fallhöhe hat das Spiel allerdings auch. Oft ist unklar, welche Ordnung angestrebt wird. Nach Farbe? Nach Angespitztheit der Stifte? Doch nach Größe? Eigentlich ist »A Little to the Left« gut darin, sich auf verschiedene Lösungen einzustellen. Doch klappt es mal nicht, ist das überraschend frustrierend. Dann nerven auch die Flöten. Aber mit einem Klick auf »So lassen« darf jedes Rätsel übersprungen werden. Jan Bojaryn

Dark Seed (1992)

Dark Seed (1992)

Der Klassiker

Grafik-Adventures haben einen verschollenen, unheimlichen Onkel. 1992, in der Blütezeit der Point-and-Click-Spiele, erschien »Dark Seed«. Es hatte ein gutes Alleinstellungsmerkmal: Illustrationen des makabren Künstlers HR Giger persönlich! Extra dafür wurden Bilder aus seinem Archiv gescannt und in hochauflösenden 640 x 350 Bildpunkten auf die Monitore übersetzt. Zeitlos witzig ist die Entscheidung, Game-Designer Mike Dawson als Protagonist abzufilmen und digitalisiert in Gigers Kulissen herumlaufen zu lassen. Der Spiel-Mike hat zwar einen anderen Beruf, aber einen wunderschönen Neunziger-Jahre-Schnurrbart, den es so in Gigers Werk vorher nicht zu sehen gab. Heute lässt sich »Dark Seed« als Longplay auf Youtube finden. Selbst spielen führt dagegen in eine unerwartete Dimension des Grauens: Unlogische, unerklärte Rätsel treffen auf realen Zeitdruck. Mikes bedrohliche Kopfschmerzen werden stärker, und wenn er nicht pixelkleine Gegenstände wie etwa eine Haarklammer bemerkt, oder selbst darauf kommt, einem Hund den Stock zu klauen, dann geht die Welt unter. Das schlechte, aber faszinierende Spiel fand durchaus Fans; die Entwicklerfirma Cyberdreams ging erst nach der Fortsetzung pleite. Und Horrorspiele mit Giger-Einfluss wuseln bis heute durchs Medium wie ein Rudel Aliens. Jan Bojaryn

God of War: Ragnarök

God of War: Ragnarök

Entwickler: SIE Santa Monica Studio / Publisher: Sony / Plattform PS4, PS5 / Preis: 70 €

In der Nacht zum 20. April 2018 saß Cory Barlog heulend vor dem PC und filmte sich dabei. In diesem Moment fiel die Last von vier entbehrungsreichen Jahren Entwicklungszeit von ihm ab, in denen der Game-Director und das Team von Sony Santa Monica unbeirrt ihre Vision verfolgten. Die Reaktion auf die ersten bei Metacritics mit Traumwertungen eintrudelnden Reviews war echt und ging wohl auch deshalb viral. Mittlerweile hat sich »God of War« auf der PS4 mit über 23 Millionen verkauften Exemplaren zu einem der meistverkauften Titel auf der Plattform entwickelt. Anfang dieses Jahres erschien ein Windows-Port. Der Nachfolger versucht nun den Vorgänger in allen Belangen zu übertrumpfen und verfolgt damit das Konzept vieler Sequels. Alles an »God of War: Ragnarök« strahlt Größe aus – nicht nur der Protagonist Kratos. Schon gleich zu Beginn der rund 30-stündigen Odyssee öffnet sich die Götterwelt und spuckt einen eindrucksvollen Donnergott Thor aus (der Marvel-Kreation nicht unähnlich) und es dauert nicht lange, bis gar Göttervater Odin die Hütte betritt und die Götterdämmerung – Ragnarök – ankündigt. Mit seiner riesigen Axt hatte Kratos im Vorgänger eine Schneise der Zerstörung hinterlassen, er hat Zyklopen, Basilisken und Hydras kurz und klein geschlagen und Baldur besiegt, den Gott des Lichtes und Sohn Odins. Schließlich ist auch Kratos’ Sohn Atreus groß geworden und zum Teenager herangewachsen – mit all den Problemen, die das mit sich bringt. Das Verhältnis zwischen dem stoischen Vater und seinem rebellischen Sohn ist komplexer und komplizierter geworden. Erschwerend hinzu kommt sicherlich die Tatsache, dass sich Atreus unkontrolliert in einen mächtigen Bären verwandelt, wenn ihn die Wut übermannt. Gemeinsam machen sich Vater und Sohn also auf die Suche nach Týr, um das Ende von allem zu verhindern. Die »God of War«-Serie, die 2005 auf der Playstation 2 ihren Anfang nahm, stand lange Zeit für rohe, gewaltige Action. (...) Lars Tunçay

Tomb Raider II (1997)

Tomb Raider II (1997)

Der Klassiker

Würde man »Tomb Raider«-Fans fragen, was ihnen zum zweiten Teil der Reihe einfällt, fielen ziemlich sicher die Schlagworte »endlich keine eckigen Brüste mehr«, »den Butler im Gefrierschrank einsperren, lol« und »Venedig!«. Zusammen mit der aus dem Vorgänger bewährten Formel aus Erkunden, Klettern und Ballern entstand ein weiterer Klassiker. Nachdem der erste Teil das Mega-Franchise begründet hatte, zimmerte das englische Studio Core Design den Nachfolger in weniger als einem Jahr zusammen, entwickelte dabei aber das Spielprinzip nur behutsam weiter. Lara Croft kletterte und schwamm nun nicht mehr allein in Höhlen und Grabkammern herum, sondern auch in Außenlevels wie Venedig. Schon vier Jahre vor »Grand Theft Auto 3« konnten Spieler mit einem Boot durch 3-D-Level cruisen und dabei Laras physikalisch einigermaßen korrekt wippenden Zopf bestaunen. Core Design platzierte diesmal vor allem menschliche Gegner, von denen es im ersten Teil nur wenige gab. Die verbesserte Grafik-Engine verfügte nun über eine dynamische Beleuchtung, die Fackel erhellte die schummrigen Gräber. Seit 2016 arbeiten Fans an einem Remake des Klassikers in der Unreal Engine 4, Anfang 2021 war eine spielbare Demo erschienen. Vielleicht lassen sie bald den Venedig-Level in neuem Glanz erstrahlen. Denis Gießler

Alfred Hitchcock: Vertigo

Alfred Hitchcock: Vertigo

Entwickler: Pendulo, Publisher: Microids, Plattform: PC (Konsolen später), Preis: 30 €

Selten hat ein Name so großes Interesse geweckt – und sich dann so wenig für sich selbst interessiert. Das Adventure »Alfred Hitchcock – Vertigo« zeigt die Silhouette des berühmten Filmemachers Alfred Hitchcock. Aber warum? Wer jetzt glaubt, es liege daran, dass hier der berühmte Thriller »Vertigo« des legendären Filmemachers umgesetzt werde, der irrt. Es geht wohl eher um einzelne Motive. Einem Hauptverdächtigen ist schwindlig. Bedrohlich kreisen Vögel am Himmel. That’s Hitchcock! Reichlich eingelöst wird aber die zweite Hälfte des Titels. In dieser verschlungenen Detektivsause ist einem geheimnisvollen Schriftsteller wirklich schwindlig, es geht ihm schlecht, vielleicht hat er jemanden umgebracht. Gespielt werden Ermittlungen und magische Zeitreise-Hypnosesitzungen mit wechselnden Charakteren. Doch das Geheimnis um den schwindligen Hauptcharakter steht im Mittelpunkt der Geschichte, und das ist ein mögliches Problem. Noch bevor seine mögliche Schuld an Sexual- und Gewaltverbrechen geklärt ist, erleben wir ihn als melodramatisches, selbstverliebtes Arschloch. Wenn es in den folgenden Stunden darum geht, welche frühkindlichen Traumata ihn so haben werden lassen, dann brauchen die Menschen vor dem Bildschirm sehr viel Empathie und Geduld, um dranzubleiben. Technische Probleme gibt es auch. Wer das nicht aushält, der verpasst eine originell gedachte, aber schlecht gemachte Räuberpistole. Jan Bojaryn

Yuki

Yuki

Entwickler/Publisher: Arvore Immersive Experiences, Plattform: PSVR, Oculus, HTC Vive, Preis: 20 €, USK 6

Bullet Hell Shooter und Rogue-likes – Subgenres, die vor allem all jene ansprechen, denen der heutige Spielestandard zu langweilig geworden ist. Eine Gegenbewegung zum Trend der Convenient-Games, die den Spieler kaum noch fordern. Mit »Yuki« vermählt das brasilianische Studio Arvore diese beiden Strömungen und versetzt sie in den virtuellen Raum. Eine erstaunlich logische Weiterentwicklung, die schnell ein bemerkenswertes Suchtpotenzial entwickelt. Zumal sich der Einstieg – ganz genreunüblich – erfreulich zugänglich gestaltet. In der rechten Hand hält man Yuki, eine japanische Actionfigur eines Manga-Mädchens mit Blaster und Metallschwingen, in der linken ihren Robo-Sidekick. Beide navigiert man frei durch fernöstliche Welten, wobei die entgegenkommenden Kabuki-Gegner ein stete Ladung Projektile abfeuern. Wird Yuki getroffen, beginnt ihre Reise von vorn. Aber gesammelte Extrawaffen und Power-ups erleichtern den nächsten Durchgang, und so kommt man der nächsten der insgesamt sechs Welten immer ein Stückchen näher. Die Liebe der Entwickler zu japanischen Arcades zeigte sich schon in der Reihe »Pixel Ripped«. »Yuki« ist nicht nur Hommage an Segas Klassiker »Space Harrier«, sondern eine Reise mitten ins Herz der Arcadeliebe. Lars Tunçay

Chorus

Chorus

Entwickler & Publisher: Deep Silver, Plattform: PC, Playstation (ab 4), Xbox (ab One), Preis: 40 €

Videospiele sind, von vielen Menschen unbemerkt, explodiert. Sie haben sich sehr schnell in viele Richtungen ausgedehnt. Für jede Nische gibt es heute irgendwo ein hinreichend großes Publikum. Auch für aufwendig produzierte Weltraumaction in der Tradition von »Star Fox« und »Wing Commander«. Wie ein UFO aus dem Nichts taucht »Chorus« auf: Die deutschen Entwickler haben Weltraumerfahrung, aber das Spiel ist keine Fortsetzung. Es will uns einfach ein schickes Raumschiff vor atemberaubend schönen Space-Tapeten zeigen, und dann fliegt das Raumschiff  ganz wild hin und her und da kommen ständig neue Gegnerwellen und das Spiel macht währenddessen mit dem Mund passende Geräusche: »Pschrrrsch. Zap! Buuuuf.« Zentraler Unterschied zum Kinderspiel von früher: Zumindest die Playstation-5-Version sieht deutlich schicker aus. Sie klingt auch besser. »Chorus« hat eine halboffene Welt voller Missionen und Sammelstücke, es bietet verschiedene Waffensysteme zum Upgraden und steuert sich zunehmend komplex. Doch im Kern fühlt es sich so an wie die Erfüllung des urkindlichen Traums von richtig coolen Raumschiffen, die durch Asteroidengürtel und an Raumstationen vorbeizischen und umeinander herumwirbeln und dabei aufeinander ballern, und ständig explodiert irgendwo etwas. Statt um kühle Simulation geht es hier um driftende Raumjäger und magische Spezialangriffe. Das ist nicht neu, aber es ist gut gemacht, und es sieht besser aus als früher. Viele Weltraumspiele der letzten Jahre arbeiten sich an realistischen Vorstellungen einer möglichen Zukunft ab. »Chorus« ist dagegen ein Spiel für Menschen, die cool ballern wollen. Offen muss die Frage bleiben, an wen sich die düstere Geschichte der gebrochenen Supersoldatin Nara richtet. Allzu wichtig soll sie wohl nicht sein, sie wird eher zurückhaltend erzählt. Ein großer Teil der Dialoge wird zwischendurch über Funk geraunt und geschrien. (...) Jan Bojaryn

Anstoss 2 (1997)

Anstoss 2 (1997)

Der Klassiker

Die Bundesliga-Saison 1997/98 war eine besondere. Als Aufsteiger siegten sich die Fußballer des 1. FC Kaiserslautern unter Trainer Otto Rehhagel in einer berauschenden Serie zum Meistertitel. Zweiter wurde der FC Bayern München unter dem Original-Wutvulkan Giovanni Trapattoni. Rückblickend waren das goldene Zeiten. Nicht nur im echten Leben, sondern auch für Fußballmanager vor den Bildschirmen. Denn »Anstoss 2« aus dem Jahr 1997 war komplexe und spannende Wirtschafts- und Sportsimulation in einem. Von der Bockwurstbude bis hin zur VIP-Lounge: Transfers tätigen, Team aufstellen, Trainingsplan organisieren, Stadion ausbauen – das Betätigungsfeld eines Fußballmanagers kann vielfältig sein, und das bildete das Spiel hervorragend ab. Aufgrund fehlender Lizenzen waren die Mannschafts- und Spielernamen zwar verfremdet, mittels Editor konnte man diese aber anpassen. Für Entwickler Gerald Köhler war die »Anstoss«-Reihe ein echtes Sprungbrett. Im Anschluss an den Nachfolger »Anstoss 3« zog es Köhler zum Branchenriesen Electronic Arts, für den er bis 2013 jährlich mit großem Erfolg den »Fußball Manager« entwickelte. Irgendwann sind aber bekanntlich alle goldenen Zeiten mal vorbei. 2021 erstellte Köhler wieder in Eigenregie eine Hommage an sein Lebenswerk: »We Are Football«. Marc Bohländer

Puzzling Pieces

Puzzling Pieces

Entwickler/Publisher: Realities.io, Plattform: PSVR, Oculus, Vive, Preis: 24 €

Manche Dinge sind einfach füreinander geschaffen wie Film und Kino, John und Paul, Spaghetti und Tomatensauce. Wenn sie zusammenkommen, macht es klick. Mit »Puzzling Places« ist das genauso. Die Berliner Entwickler von Realities.io fügen Puzzeln und Virtual Reality zusammen und bilden die Brücke mit einer kinderleichten Bedienung. Hochaufgelöste 3-D-Bilder von Sehenswürdigkeiten und Landschaften lassen sich spielend einfach zusammenfügen. Die intuitive Steuerung senkt die Einstiegshürde. Da die Entwickler bewusst auf Bewegung und Effekte verzichten, bleibt selbst Puzzlern mit schwachem Magen der Zugang nicht verwehrt. Entstanden ist »Puzzling Places« eher zufällig. Ein Fehler in der Software für Fotogrammetriemodelle hatte die Bilder durcheinandergewirbelt, was die Entwickler zu der Idee inspirierte, die Teile einfach wieder zusammenzupuzzeln. Geboten werden zwanzig Puzzles, die aus detaillierten 3-D-Scans realer Orte erstellt wurden. Darunter ist die französische Stadt Biarritz ebenso wie die Mars-Wüstenforschungsstation in Utah. Jedes Puzzle ist ebenso in 25 Teilen erhältlich wie in 400. Das Aneinanderfügen von passenden Teilen wird mit einem befriedigenden Klick vollendet. Der Effekt ist so einfach wie suchterzeugend. Größter Vorteil: Die Puzzles belegen keine Küchentische und Wohnzimmer-Böden. »Puzzling Places« ist das Beste aus zwei Welten und wird zudem regelmäßig um neue Herausforderungen erweitert. Lars Tunçay

OlliOlli World

OlliOlli World

Entwickler: Roll7, Publisher: Private Division, Plattform: PC, Playstation (ab 4), Switch, Xbox (ab One), Preis: 30 €

In der Erinnerung, auf Schulhöfen und Röhrenfernsehern bleibt Skateboarden idyllisch. Im Sonnenschein zerhaut sich eine Handvoll nichtsnutziger Jugendlicher unbestimmten Alters die Knöchel. So fühlt sich auch »OlliOlli World« in der Erinnerung an. Beim Spielen endet jede Runde im Schmerz. Die Schmerzen sind aus früheren Spielen der Serie bekannt: Skaten durch lineare Level in dürrer Pixelartgrafik, komplett in 2-D, brutal schnell und schwer. Jetzt hat »OlliOlli World« die Idee komplett neu erfunden; es ist sehr hübsch, deutlich entspannter und gar nicht immer brutal schwierig. Es ist immer noch so schwierig, dass Durchkommen schon als Erfolg zählt. Es ist immer noch so schwierig, dass sich die Erklärung der Steuerung mit Tricks, Grinds, Grabs, Manuals, Spins, Spurwechseln und allerlei Hindernissen fast durch das komplette Spiel zieht. Es ist so schwierig, dass sich das Spiel wie ein immer absurderes Tutorial anfühlen kann. Und dabei ist es so schnell, dass schon im Ladebildschirm die wichtige Warnung erscheint, den Bildmodus des Fernsehers richtig einzustellen. Es ist aber auch nett. Dank seiner albernen Sprüche, der fantasievollen Zauberwelten und des sensationellen Flows, wenn das Brett einmal unter den Füßen bleibt, tri  »OlliOlli World« eine goldene Mitte. Es ist das perfekte Spiel für entspannt fließende Spielrunden, die sich nach einer halben Stunde in glühende Wut auflösen. Jan Bojaryn

Dark Project (1998)

Dark Project (1998)

Die Looking Glass Studios (LGS) standen 1998 kurz vor der Pleite. Und damit ausgerechnet die Entwickler revolutionärer Games wie »Ultima Underworld« und »System Shock«. Kritiker liebten die Spiele, doch sie verkauften sich nicht gut. Ein entschlackteres, weniger kompliziertes Game sollte LGS vor dem Abgrund bewahren. Nach vielen Überstunden entstand die Einbruchssimulation »Dark Project: Der Meisterdieb«. Als ebenjener Meisterdieb Garrett brachen wir in einer Dark-Fantasy-Welt in pompöse Villen und Banken ein. »Dark Project« drehte die Kernmechanik von Games aus der Ego-Perspektive um. In »Doom« oder »Quake« tötete der Spieler Hunderte Gegner. »Dark Project« belohnte, ja erforderte sogar ein lautloses Vorgehen, bei dem im besten Fall die Wachen gar nicht bemerkten, dass Garrett überhaupt vor Ort gewesen war. Man musste Geduld mitbringen und abwarten. Ein geschickt eingesetzter Seilpfeil zum Klettern war effizienter als ein Nahkampf mit der patrouillierenden Wache. »Dark Project« wurde zum Kassenschlager, konnte die Abwärtsspirale von LGS aber nicht mehr bremsen. 2000 folgte kurz vor der Insolvenz ein zweiter Teil. Zehn Jahre später fanden Fans den Quellcode der Grafik-Engine in einer Tasche. Dadurch können Fans das Spiel bis heute verbessern. Denis Gießler

Elden Ring

Elden Ring

Entwickler: From Software, Publisher: Bandai Namco, Plattform: Playstation, Xbox, Preis: ab 60 €

Ein Beben dröhnt durch das Medium. Die Gaming-Sessel wippen, die Energy Drinks schaukeln in ihren Dosen, weil der dicke Oschi heranstampft. Schwerer als ein Tyrannosaurus Rex wiegt in diesem Fall »Elden Ring«. Es ist ein schwieriges Action-Rollenspiel und nach Ansicht vieler Videospielfachleute ist es das beste Spiel seit Langem, vielleicht aller Zeiten. Haben sie recht? Vielleicht! Das Spiel ist zugänglich wie »Das Foucaultsche Pendel«, es ist verständlich wie »Mulholland Drive«. Wer es erklären will, wirkt schnell so sympathisch wie Menschen, die auf Partys ungefragt Gespräche über Umberto Eco oder David Lynch starten. Nur die Namen sind anders: George R. R. Martin und Hidetaka Miyazaki. Der eine ist ein gefeierter Fantasy-Autor, der andere macht schwierige Action-Rollenspiele. »Elden Ring« wirft seine Helden mehr oder weniger nackt über einer riesigen, feindseligen Welt ab. Hier müssen sie mächtige, uralte, wahnsinnige Boss-Gegner besiegen. Das Problem: Jeder Fußsoldat kann tödlich sein. Überall lauern geheime Schätze und gemeine Gags. Die Welt ist verschlungen, sie ist eine ergiebige Wundertüte möglicher Death-Metal-Bandnamen wie »Tarnished«, »Dung Eater« und »Deathbed Companion«. Wer sich durch den kompletten Sampler kämpfen will, hat das Jahr eigentlich schon verplant. Ist das ein guter Plan? Vielleicht! Zumindest ist es eine Herausforderung, an der Menschen wachsen können. Jan Bojaryn

Horizon Forbidden West

Horizon Forbidden West

In der weiten, offenen Spielwelt trifft Aloy auf eine alte Bekannte: Talanah lehrte sie einst die Jagd auf die Maschinen. Nun hat sie eine neue Novizin, die sich im Kampf beweisen muss. Aloy hilft ihr dabei und verdient sich Talanahs Respekt und die Ehrerbietung ihrer Schülerin. Eine Szene inmitten der verzweigten Geschichte von »Horizon Forbidden West«, in der deutlich wird, wie wenig männliche Charaktere eine Rolle spielen in der Welt, die der niederländische Entwickler Guerilla Games geschaffen hat. Die schlagkräftigen Helden unzähliger Videospielserien, die uns lehrten, dass nur markige Männer in ihrer Welt bestehen können, sind in der Welt von »Horizon« zu Nebendarstellern degradiert. Die Geschicke drehen sich mehr denn je um Aloy, die Auserwählte, die am Ende von »Horizon Zero Dawn« erkannte, dass die ihr vertraute Welt mit ihren Stämmen und Riten nicht mehr ist als der Überrest einer versunkenen Kultur. Seit ihrer Kindheit hatte sie sich damit abgefunden, die Ausgestoßene zu sein. Nun ist Aloy plötzlich die Heldin, nachdem sie in Teil eins das Land gegen die Maschinen verteidigte, verehrt von den einen, verhasst von anderen. Doch Aloys Wissen ist eine Bürde, die Bedrohung, die ihre Welt auslöschen könnte, ist nicht vorbei. Rote Sporen verteilen sich zunehmend über die Natur. Die KI, die dafür geschaffen wurde, Leben zu ermöglichen, wendet sich gegen den Planeten. Und Aloy ist die Einzige, die davon etwas ahnt. Wieder muss sie losziehen, um das Land zu retten und die Völker zu einen. »Horizon Forbidden West« ist in allen Aspekten mehr, größer, komplexer als der Vorgänger. Zahlreiche Dialoge eröffnen unterschiedliche Perspektiven, die Spielwelt bietet unzählige Möglichkeiten. Das könnte erschlagend wirken auf den Spieler, wäre die Welt nicht so vielfältig und mit so viel Liebe gestaltet, dass man sich einfach gerne in ihr aufhält. Die Ruinen des Westens zeugen entfernt von einer Welt, wie wir sie kennen. Die Postapokalypse war nie schöner. (...) Lars Tunçay

Resident Evil 2 (1998)

Resident Evil 2 (1998)

Im Mai 1998 waren die untoten Mordgesellen endlich auch in Europa angekommen und schlurften über die heimischen Bildschirme. Entwickler Capcom schaffte es mit »Resident Evil 2« endgültig, den Zombie in Videospielen zu etablieren, und legte den Grundstein für moderne Survival-Horror-Games. »Resident Evil 2« glich spielerisch dem Vorgänger: Man löste Rätsel, wich dabei allerlei Zombies aus und versuchte, bloß keinen Herzinfarkt zu kriegen, wenn mal wieder einer kopfüber durchs Fenster purzelte. Diesmal blieb man nicht im berüchtigten Herrenhaus, sondern erkundete die nahe gelegene Stadt Raccoon City. Capcom verbesserte das Spiel an den richtigen Stellen: Wenn die Spielfigur verletzt war, krümmte sie sich und humpelte. Mit den vorgerenderten Hintergründen und der expliziten Gewalt bewegten sich Spieler und Spielerinnen durch einen interaktiven Albtraum. Die Bundesprüfstelle sah die Gewalt nicht gern und indizierte das Horror- Game kurz nach Release. Weitere Versionen für andere Systeme folgten dennoch. Für das 64-MB-Modul der Nintendo 64 mussten die vielen Zwischensequenzen zusammengequetscht werden – vom Studio Rockstar San Diego, das später »Red Dead Redemption 2« mitentwickelte. 2019 folgte ein Remake von »Resident Evil 2«, das die Fans genauso begeisterte wie das Original. Denis Gießler

Inua

Inua

Entwickler: IKO & The Pixel Hunt, Publisher: ARTE, Plattform: PC, Switch, Android, Preis: 5–20 €

Die HMS Terror gibt es wirklich. Das Schiff liegt vor King William Island in 24 Meter Tiefe. Gesunken ist es nach dem August 1845 als Teil der legendär gescheiterten Franklin-Expedition auf der Suche nach der Nordwestpassage. Wiedergefunden und sicher identifiziert wurde das Wrack vor wenigen Jahren. Die Geschichte des Untergangs und der Wiederentdeckung handelt von Hybris und von den Grenzen unseres Wissens. Die genauen Gründe der Katastrophe sind noch unbekannt, aber vielleicht werden sie im Lauf der kommenden Jahre ermittelt; das Wrack liegt frisch gefunden und gut erhalten an einer schwer zugänglichen Stelle. Wer nicht warten will, kann sich von »Inua« ein wildes Seemannsgarn spinnen lassen. Das simple Grafikadventure ist »inspiriert« von historischen Fakten. Mindestens zwei der drei Erzählstränge arbeiten kenntnisreich und originell mit dem Hintergrund. Rätsel gibt es nur nominell, im Wesentlichen wird auf Interaktionspunkte geklickt, und dann geht die Story weiter. Aber die ist überraschend stark. Sie zeigt sich völlig desinteressiert an kriminalistischer Ermittlungsarbeit. Stattdessen geht es auf eine Traumreise mit Bezügen zur Glaubenswelt der Inuit – sie haben das Spiel auch mitentwickelt. Der magische Realismus passt zu einer Geschichte über extreme Situationen und Entscheidungen. »Inua« ist etwas kurz, ziemlich einfach, aber auch einfach gut. Jan Bojaryn

Gran Turismo vs. Grid Legends

Gran Turismo vs. Grid Legends

Entwickler: Polyphony Digital / Codemasters, Publisher: Sony / EA, Plattform: PS4, PS5 / PC, PS4, PS5, XOne, XSX, Preis: 69,99 €, USK 0

Gleich zwei Vertreter traditionsreicher Rennspielserien kämpfen in diesem Frühjahr um die Pole-Position. An der Startlinie: Polyphony Digitals Chromporno »Gran Turismo 7« und der Underdog »Grid Legends«. Der war ursprünglich als Tourenwagen-Grandprix »TOCA« gestartet, hat sich mit dem zehnten Teil aber hin zum Renngemischtwarenladen entwickelt. Ein Konzept, das nun unter Electronic Arts weiter verfolgt wird. Der legitime Nachfolger der »Need For Speed«-Reihe liefert packende Rennsport-Action. Der Simulationsanspruch früherer Serienteile weicht Style und Zugänglichkeit auf allen Ebenen. Vorzeigeobjekt für EA ist da vor allem der Story-Modus, der angelehnt an die Netflix-Doku »Formula 1: Drive to Survive« den Rennalltag dramatisiert. Die Rennereignisse sind ebenso vielfältig wie die Vehikel. Die Präsentation protzt. Der Plot ist aber erwartungsgemäß dünn und der eigene Einfluss auf den Verlauf praktisch nicht vorhanden. Mit solchem Kinderkram hält sich der siebte Teil der »Gran Turismo«-Reihe von Kazunori Yamauchi gar nicht erst auf: Vom minutenlangen Streifzug durch die (westliche) Renngeschichte im Intro über die originalgetreu modellierten Fahrzeuge im Showroom bis hin zum Museum mit Markengeschichten kann hier jeder Autonarr und jede Autonärrin viele Stunden abseits der Fahrbahn verbringen. Das wäre aber schade, schließlich wird »GT 7« auf dem Asphalt seinem Anspruch eines »Real Driving Simulator« mehr als gerecht: Wer den schnellen Adrenalinkick sucht, nimmt dagegen hinterm Steuer von »Grid« Platz. Freude am Fahren bieten beide Boliden. Lars Tunçay