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Rezensionen

Valheim

Valheim

Minecraft meets Skyrim

Entwickler: Iron Gate Studio, Plattform: PC, Preis: 17 €

Bäume sind böse. Und weil Bäume böse sind, roden wir im Wikinger-Survival-Spiel »Valheim« ganze Wälder, um daraus Langhäuser, Holzpalisaden oder Drachenboote zu bauen. Das Indie-Game des schwedischen Studios Iron Gate hat sich in den Wochen nach Release zum Verkaufsschlager auf Steam gemausert: Die fünf Entwickler haben inzwischen weit über fünf Millionen Kopien verkauft. Ein Teil der Faszination hat damit zu tun, dass »Valheim« sehr einsteigerfreundlich ist. Man spielt allein oder mit bis zu zehn Freunden auf einem Server, weitgehend allein. Über weite Strecken ist es ein sehr entspanntes, geradezu meditatives Spiel. Rohstoffe gibt es im Überfluss, man kann nicht verhungern, sondern wird durchs Essen nur stärker. Der tolle Baumodus lädt zum Experimentieren ein, weil man die Ressourcen vollständig zurückbekommt, wenn man ein Gebäude wieder abreißen möchte. Für Abwechslung sorgen die Expeditionen, zu denen man immer wieder aufbricht, um die riesige Spielwelt zu erkunden. Dabei setzt man sich seine Ziele selbst und stößt nach und nach in neue Biome vor, wo es neue Rohstoffe gibt – aber auch immer gefährlichere Gegner. Das ist nicht zuletzt so aufregend, weil der Tod in »Valheim« mitunter schmerzhafte Konsequenzen hat. Von diesem Kontrast lebt der Titel. In der nur ein Gigabyte großen Software steckt eine gigantische Sandbox voller Möglichkeiten, die sehr viel spielerische Freiheit bietet. Alexander Praxl

Dyson Sphere Program

Dyson Sphere Program

Fließbandmanager Deluxe

Entwickler: Youthcat Studio, Preis: 17 €

Bei seinem Early-Access-Release im Januar war »Dyson Sphere Program« der neue, heiße Scheiß auf Steam: 200.000 verkaufte Exemplare in vier Tagen, Anfang Februar 97 Prozent positive Reviews, die Website Rock Paper Shotgun nannte es ein »mustplay«. Und die Gamestar schrieb, es sei »so gut, dass es ruhig teurer sein dürfte«. Ich muss sagen: Ich bin froh, dass ich mein Pressemuster umsonst bekommen habe. Schon das Spielziel klingt absolut größenwahnsinnig: Wir sollen eine gigantische Maschine um eine Sonne herum bauen, eben die titelgebende Dyson-Sphäre. Dazu landen wir mit einem Mecha auf einem Planeten einer zufallsgenerierten Galaxie. Zunächst bauen wir Rohstoffe per Hand ab, werden aber bald schon alle Vorgänge automatisieren, bis Fließbänder die gesamte Planetenoberfläche umspannen – von den automatischen Erzschürfern zu Schmelzöfen und weiter zu anderen Fabrikanlagen. Knapp vierzig Gebäude zur Stromerzeugung und für die Produktion gibt es sowie etwa achtzig Komponenten zum Bauen, vom einfachen Eisenbarren bis zum Quanten-Computerchip. Sobald wir den ersten Planeten ausgebeutet haben – und die nötigen Technologien erforscht –, starten wir ins All und machen uns über den nächsten Himmelskörper her. Komplizierte Produktionsketten und kleinteiliges Fließbandmanagement liefern irgendwann das nötige High-Tech-Equipment für die Dyson-Sphäre. Das dauert Dutzende Stunden, die eher Arbeit als Unterhaltung sind. Alexander Praxl

Call of the Sea

Call of the Sea

Wahnsinnsurlaub!

Entwickler: Out of the Blue, Preis: 20 €

Im Exotischen vermuten wir gern das Bedrohliche. Ständig schippern wohlhabende Weiße auf Sinnsuche zu möglichst abgelegenen Inseln und finden dort nur den Wahnsinn. Vielleicht verstehen wir den vermeintlichen Absturz aber nur falsch. Andersherum gefragt: Wenn der satanische Kult auf einer Insel nett und das Wetter super ist, wer wollte da nicht zum Teufelsanbeter werden? In »Call of the Sea« geht es nicht direkt um den Teufel, aber um einen beliebten Ersatz; es geht um den Mythos des brillanten Horrorautors H. P. Lovecraft, der das Verzweifeln des Menschen an seiner eigenen Bedeutungslosigkeit auf den Punkt brachte. Lovecraft stand auf bedrohliche Exotik, er pflegte rassistische und sexistische Ansichten, die seine Geschichten bis heute vergiften. Trotzdem kommt heute kaum ein Horrorspiel ohne Monster oder Motive von Lovecraft aus. »Call of the Sea« übernimmt komplette Figuren des Schriftstellers – aber es spinnt eine ganz andere Bedeutung daraus. Getragen wird das Adventure aus der Ego-Perspektive von der mysteriös erkrankten Kunstlehrerin Norah. Sie reist in den 1930er Jahren ihrem verschollenen Ehemann in den Südpazifik hinterher. Hier löst sie Rätsel aus der Indiana-Jones-Schule der Archäologie und hat dabei übelst gute Laune. Das ist ansteckend. Nicht alles an dem Spiel ist gewitzt, nicht jede Zeile sitzt. Aber der Urlaub im subversiven Anti-Horror ist überaus erfrischend. Jan Bojaryn

The Curse of Monkey Island (1997)

The Curse of Monkey Island (1997)

Der Klassiker

Flipwood, Tripwood oder doch Fliepwood? In seiner Laufbahn als »grausamer Pirat« hatte der schlaksige Jüngling Guybrush Threepwood schon so allerhand Versionen seines Nachnamens gehört. Auch in »The Curse of Monkey Island« oder einfach »Monkey Island 3« änderte sich daran nichts. Besonders während dieses Winters ist das Point-and-Click-Adventure von Lucas Arts ein echter Stimmungsaufheller, bei dem man sich unweigerlich fragt: Dieses Spiel soll schon fast ein Vierteljahrhundert alt sein? Vor allem die Optik und die Sprachausgabe bewahren das Spiel vorm Altern. Alle Hintergründe im Spiel waren handgezeichnet, auch die Sprite-Figuren im Comiclook. Guybrushs Odyssee, bei der er seine Geliebte Elaine aus Versehen in eine Goldstatue verwandelte, führte ihn auf verschiedene Inseln. Dort musste er blassen Piraten die Rückenhaut abziehen, um an Seekarten zu gelangen, an Gummibaumweitwurf-Wettbewerben teilnehmen oder laktoseintoleranten Vulkanen Durchfallattacken bescheren. »Monkey Island 3« verkaufte sich in Deutschland am besten, laut Schätzungen bis 2009 mehr als 700.000 Mal. Der Spieleredakteur Heinrich Lenhardt vermutete, Lucas Arts habe die Serie nur wegen des deutschen Marktes fortgeführt. Angesichts des schlechten vierten Teils war das aber keine gute Idee. Denis Gießler

Heisenberg’s Uncertain Pinball / One in Hole / Dear Devere

Heisenberg’s Uncertain Pinball / One in Hole / Dear Devere

Kurzgefasst

Gut Ding will nicht immer Weile haben, das beweisen Game Jams seit schon fast 20 Jahren. Ein paar kluge Köpfe setzen sich bei diesen Events ein, zwei Tage zusammen (aktuell logischerweise nur online) und zimmern in Rekordzeit ein paar coole Indie-Spiele. Satan sei Dank steht dabei zwangsläufig zumeist eine starke Idee im Fokus – so wie bei den drei folgenden Titeln, die während des vergangenen »Pirate Jam« entstanden sind. Um »Heisenberg’s Uncertain Pinball« von Andrew C. Wang zu spielen, braucht es nur wenige Minuten Zeit und eine funktionierende Webcam. Mit der werden nämlich die eigenen Augenbrauen erkannt, auf die die Flipper reagieren. Das hört sich nicht nur komisch an, das ist auch so. Es geht skurril weiter: Angelehnt an die Heisenbergsche Unschärferelation sind zwei Perspektiven auswählbar. Entweder die Bewegung der Kugel und ihre Kollisionen (ohne zu wissen, wo auf dem Spielfeld man sich befindet) – oder ein Quasi-Standbild von allem, allerdings ohne Momentum. Die Visualisierung lässt sich fortlaufend ändern. Außerdem werden starke Augenbrauen-Muskeln benötigt, um der beste menschliche Flipper-Kontrolleur zu werden. Jeder liebt Minigolf. Was aber ist mit Fast-Golf? »One in Hole« von Guido Out arbeitet mit einem Umkehrprinzip. Das Ziel des Spiels lautet zwar immer noch, den Ball ins Loch zu befördern. Allerdings schießt man nicht die kleine weiße Kugel durch die Gegend. Stattdessen wird das Loch gesteuert – eine Minigolf-Antithese sozusagen. Später nisten sich auch Mäuse nahe der Fahnenstange ein und beeinflussen damit dieSchlaggeschwindigkeit. Diese Mechaniken machen »One in Hole« zu einer sehr cleveren Angelegenheit, sozusagen einem Meta-Game. Wenn mit Traditionen gebrochen wird, müssen Spieler die Levels aus anderen Perspektiven angehen. Das ist bekanntlich immer gut und so bekommt der Begriff Handicap eine ganz neue Bedeutung. Viel zu lesen gibt es in »Dear Devere« von Katy 133. Die sehr ausgeklügelte Story beginnt 1935 auf einer schottischen Insel, als sich Protagonistin Angela Bard im Buchclub über jemanden ärgert und den Frust in einem Brief kanalisiert. Den adressiert sie an sich selbst, schickt ihn nicht ab, sondern legt ihn im Wald unter einen Stein. Kurz darauf hat sie eine Antwort im Briefkasten – von einem ominösen Mr. Devere. Sie schreiben sich hin und her und lernen immer mehr übereinander. Voyeuristisch und spannend erzählt, entfaltet sich das Zusammentreffen zweier Unbekannter. Marc Bohländer

Spider-Man: Miles Morales

Spider-Man: Miles Morales

Miles and more

Entwickler: Insomniac, Publisher: Sony, Preis: 69 €

Ja, es ist faul, hier erneut den durchgekauten Satz von Tobey Maguires Spider-Man zu zitieren, aber mit der Macht des mit einer Stückzahl von 13 Millionen best- und schnellstverkauften PS4-Exklusivtitels kommt nun einmal verdammt viel Verantwortung. Da darf man gespannt sein, was das Spin-off (sic!) rund drei Jahre später zu bieten hat. Zunächst einmal einen neuen Helden: Niemand Geringeres als Miles Morales steckt im Anzug. Die Einführung einer Person of Color als Protagonist in Marvels Flagship-Serie würde vermutlich für mehr Aufsehen sorgen, wäre nicht zwischenzeitlich »Into the Spiderverse« in die Kinos gekommen – einer der erfolgreichsten und bisher besten Filme zur Comic-Serie. Ein perfekter Auftritt für Miles und ein guter Aufhänger für sein erstes Videospielabenteuer, das ihn allerdings auf etwas plumpe Art und Weise in die Schuhe des Stadtwächters hievt: Peter Parker macht Urlaub, also ist es an Miles, die Schurken in Schach zu halten. Dass er dazu mehr als in der Lage ist, beweist er gleich beim eindrucksvollen Auftaktkampf gegen Rhino. Eine atemlose Ouvertüre, nach der erfreulicherweise ein wenig Ruhe einkehrt. Wie in einem Open-World-Spiel üblich, können die Schurken so lange warten, bis wir auch das letzte der zahlreichen Sammelobjekte in der lebendigen und wunderschön gestalteten Stadt entdeckt haben. Doch um die Geschichte voranzutreiben, gilt es reichlich Ganoven zu vermöbeln. Das gleicht dem Erstling und einem Ballett der Fäuste und Füße, angereichert mit der neuen spannungsreichen Venom-Energie. Dazu ballern die Hiphop-Beats und wer eine PS5 sein Eigen nennt, erfreut sich an realistischen Spiegelungen und Raytracing. Aber auch ohne ist dem Studio Insomniac eine nahezu perfekte Comicadaption gelungen. Lars Tunçay

Sony

El Hijo

El Hijo

Junge!

Preis: 20 €

Ein Kind wiegt wenig. Es ist klein. Wir sehen es eher von oben und nicht besonders gut. Wir schauen nicht hin. Läuft ein Kind vorbei, fragen wir nicht nach seinen Plänen. Deswegen ist die Draufsicht, mit der wir diesen Kinderwestern spielen, eine treffende Perspektive. Der Sohn ist sehr allein, seine Mutter irgendwo unterwegs, um Banditen in die Luft zu sprengen, und so bricht er aus einem Kloster aus und durchquert eine Revue der Western-Schauplätze. Sie wirken nicht glaubwürdig, aber hübsch und abwechslungsreich, wie Filmsets in einem Studio. Im Wechsel der Levels geht der Überblick verloren. Bricht der Junge ein oder aus? Insgesamt eher durch, immer auf dem Weg zu einem dezent leuchtenden Ziel, und zwar heimlich. Die Geschichte dazu wird in ausdrucksstarken Bildern erzählt, aber wortlos und mit wilden Sprüngen. Deswegen bleibt sie unscharf, irgendwas mit Klerus und Kinderarbeit. In der Praxis ist »El Hijo« vor allem ein Schleichspiel an der Schwelle zum abstrakten Rätsel. Der Junge tapst unhörbar leise durch die Welt, meidet Lichtkegel und zündet kleine Ablenkungen, um bloß nicht erwischt zu werden. Wird er gesehen, dann ist es fast schon zu spät. Das liegt nicht an der Intelligenz der Gegner, im Gegenteil, die Halunken bleiben ratlos vor jeder Leiter stehen. Es liegt an den Geschwindigkeiten. Der Junge ist klein, also hat er kurze Beine. Wer nicht gerade übertrieben sorgfältig spielt, der wird häufiger eingeholt. Erwischt zu werden, ist allerdings nicht schlimm. Im Minutentakt läuft der Junge durch neue Checkpoints, und wenn er gestellt wird, dann hüpft das Spiel kommentarlos zurück zur letzten Hürde. Einerseits fühlt sich das gut an, denn es geht schnell weiter, bevor sich jemand über die träge Steuerung, das unpräzise Zielen mit der Fletsche oder die fehlende Orientierung ärgern kann. Weil kaum je etwas verloren geht, macht auch wildes Ausprobieren Spaß. Die Geschichte fällt bei diesem Schluckauf allerdings komplett auseinander. Beim fünften Anlauf sieht der Klostergarten nur noch wie ein Pac-Man-Level aus. Hier wird nicht mitgefiebert, hier wird ein Rätsel gelöst, egal wie viele Jungen dabei draufgehen. Den pfiffigen Sohn, der einsam durch das Böse schleicht, Mutti und den Tag rettet, den bekommen Spieler zwar auf Bildern zu sehen, aber sie spielen ihn nicht selbst. Sie spielen stattdessen ein gefälliges Puzzlespiel mit einer Spielfigur, die schnell kaputtgeht und die aussieht wie ein kleiner Junge. Das ist eine kleine Enttäuschung; aber eine schöne und unterhaltsame. Jan Bojaryn

NBA Live 98 (1997)

NBA Live 98 (1997)

Der Klassiker

Wer sich 1997 über die Basketball-Liga NBA informieren wollte, war auf feste Formate und Publikationen angewiesen. Da gab es die Sport-Bild, die einmal die Woche Ergebnisse abdruckte, oder die Fernsehsendung »Inside NBA« mit Frank »Buschi« Buschmann auf DSF. Meine Kumpels Frank und Klotzi und ich waren ganz aus dem Häuschen, als wir ein Exemplar von »NBA Live 98« für die Playstation an Land zogen – denn wir waren große Fans des körperlosen Sports. Und natürlich bauten wir uns per Charaktereditor eigene, uns nachempfundene Basketballer und vermöbelten so die verhassten Utah Jazz und Chicago Bulls. Abend um Abend spielten wir, bis der Arzt kam oder wenigstens das Weed alle war. Wir bauten ein starkes Zusammenspiel auf, aber irgendwann merkte Frank an, dass wir doch auch mal wieder unter Leute müssten. Da hatte er natürlich recht, also peilten wir eine Drum-’n’-Bass-Party an. Nach zwei Heineken vor Ort wurde Klotzi sehr schlecht und er übergab sich recht unbemerkt auf die noch sehr leere Tanzfläche. Nach ein paar Sekunden des gemeinsamen Schweigens schlug er missmutig vor, dass wir wieder fahren. Frank und ich willigten ein, zu Hause konnten wir dann weiterspielen. Da war ich ganz froh – hatte ich zu diesem Zeitpunkt doch eine sehr starke Quote von der Dreierlinie. Marc Bohländer

Disc Room

Disc Room

Ein Himmel voller Scheiben

Entwickler: Terri, Dose, Kitty and JW, Plattform: PC, Switch, Preis: 15 €

Alles könnte so einfach sein. So wie »Disc Room«. Ein Mensch steht in einem Raum. In dem wirbeln riesige Kreissägeblätter umher. Wie lange kann der Mensch ausweichen? Fertig ist das Videospiel. Wem die Prämisse gefällt, der sollte jetzt einfach »Disc Room« spielen gehen. Jeder zusätzliche noch gelesene Satz dieses Textes ist länger als die erste Partie. Aber bitte: »Disc Room« kocht Actionspiele auf die simpelste mögliche Interaktion herunter. Der Charakter muss nur ausweichen. Er schaltet laufend neue Räume frei, in denen sich immer neue Sägeblätter nach neuen Mustern drehen. Er sammelt Spezialfertigkeiten wie etwa eine Zeitlupe ein. Die meisten Räume haben eine Lernkurve. Fünf überlebte Sekunden sind oft schon ein wichtiger Schwellenwert, 20 sind dann ein richtiger Erfolg. Nach jedem Tod ist die nächste Runde nur einen Knopfdruck entfernt. Während des Spielens staucht und dehnt sich die Zeit. Sekunden dauern plötzlich Minuten. Jeder Anlauf erzählt eine neue Geschichte mit mehreren Höhepunkten und einer Katastrophe zum Schluss. Entwickelt wurde dieses Kleinod von einem überraschenden Team aus Indie-Superstars. Es pflegt einen handfesten Lo-Fi-Stil, der direkt im Gesicht der Spieler einschlägt. »Disc Room« klingt cool und sieht stilbewusst aus. Es besitzt sogar eine Story mit freischaltbaren Comics, die aber eher ein Meta-Witz ist. Auch die Panels zu studieren, dauert länger als eine Partie. Jan Bojaryn

Sackboy: A Big Adventure

Sackboy: A Big Adventure

Geschickt gestrickt

Entwickler: Sumo Digital, Preis: 65 €

Daran gibt es nichts zu rütteln: »Toxic« war Britney Spears’ bestes Lied. »Let’s dance« nicht David Bowies geilster Song, aber auch kein schlechter. Was die beiden vereint, sind wirkungsvolle Auftritte in »Sackboy: A Big Adventure«. Dabei handelt es sich um ein Hüpfspiel, das besonders zu zweit auf der Couch seine volle Wirkung entfaltet. Gemeinsam mit dem exquisiten Soundtrack breitet sich jeder der putzigen Levels in einer atemberaubend schönen Kohärenz auf dem Bildschirm aus. Die gehäkelten und gestrickten Stoff-Protagonisten springen und schwingen über Abgründe, hüpfen auf und hauen Gegner und sammeln neue putzige Kostüme ein. »Mr. Zom Zom«, Kleidungsverkäufer mit französischem Akzent, verkauft sie auch gegen eingesammelte Schellen. Landschaftlich geht es ins Gebirge, ins Meer und bis in den Weltraum. Dabei macht neben dem Ton immer auch die richtige Balance die Musik. Nicht nur im steuerungstechnischen Sinne, denn »Sackboy« ist ausgewogen und hat eine prima Lernkurve. Levels, die einem wahnsinnig schwierig erscheinen, sind ein paar Sitzungen später viel besser zu bewältigen – weil man die Mechaniken irgendwann durchschaut und versteht. Und dann kann man auch viel besser auf die Details in den Levels achten, Geheimgänge und -türen finden und verborgene Bereiche entdecken. »Sackboy: A Big Adventure« ist ein Spiel, das gute Laune macht. Davon gibt es zu wenige auf dieser Welt. Marc Bohländer

Assassin’s Creed: Valhalla

Assassin’s Creed: Valhalla

Fighting and Flyting

Preis: 60 €

Das neue »Assassin’s Creed« ist eine Spiel gewordene Wikinger-Fantasie. Als Eivor vom Rabenclan – wahlweise männlich oder weiblich, dann allerdings ohne Bart – macht man sich im späten 9. Jahrhundert von Norwegen auf nach England, um im Westen eine neue Siedlung zu gründen. Thematisch und stilistisch erinnert das frappierend an die TV-Serie »Vikings«, man begegnet im Verlauf der Geschichte sogar den Söhnen von Ragnar Lothbrok. Das eigene Dorf spielt eine zentrale Rolle in »Valhalla«, und die Wikinger und vor allem Eivor werden nicht als barbarische Eroberer, sondern als ziemlich pragmatische Siedler inszeniert. Die offene Welt ist in mehrere Regionen eingeteilt, mit deren jeweiligen Herrschern man in gut einem Dutzend Story-Kapiteln Allianzen schmiedet – mal an der Spitze einer Armee, mal verstrickt in Intrigen. Die Assassinen spielen dabei zunächst nur eine Nebenrolle. Erst im späteren Spielverlauf stellt man fest, dass Eivors persönliche Rachegeschichte – die dankenswerterweise ebenfalls keinen hohen Stellenwert einnimmt – mit dem Schicksal Englands und der Geschichte des Meuchelmörder-Ordens verknüpft ist. Die Spielwelt ist, wie immer bei Ubisoft, grandios. Das England von »Assassin’s Creed: Valhalla« umfasst mehr als 100 virtuelle Quadratkilometer, von den weißen Klippen von Dover im Süden bis zum Hadrianswall im Norden und von der Ostküste bis an die Grenze von Wales. Neben den vier Königreichen Wessex, Mercia, East Anglia und Northumbria – die jeweils in mehrere Grafschaften unterteilt sind – spielen Teile von »Valhalla« in Norwegen, Vinland und sogar an noch sagenumwobeneren Orten. Die wunderschöne Landschaft erkundet man zu Fuß, zu Pferd, mit Eivors Raben und mit dem Schiff. Die arglos an den Ufern der Flüsse liegenden Klöster sind leichte Beute, mit den geplünderten Rohstoffen baut man das Dorf Ravensthorpe aus. Dennoch wird Eivor als weitgehend friedliebend – im Rahmen einer wohl unvermeidlichen, ludonarrativen Dissonanz, da man sich ja durch Tausende Gegner hackt und meuchelt – wissbegierig und wortgewandt inszeniert. Ein eigenes Minispiel dreht sich um das sogenannte Flyting, eine Art mittelalterlichen Battle-Rap, bei dem man in Multiple-Choice-Dialogen auf passende Reime und Versmaß achten muss. Das Spiel ist riesig, auch nach über 100 Stunden Spielzeit ist kein Ende in Sicht, überall gibt es etwas zu tun, überall warten kleine Belohnungen. Dass die Entwickler für all das mehr Zeit gebraucht hätten, merkt man hier und da, etwa bei der Tonmischung oder den Animationen. Doch unterm Strich bleibt ein gigantisches Spiel, an dem man über Wochen Spaß haben kann. Alexander Praxl

Wing Commander 4 (1996)

Wing Commander 4 (1996)

Der Klassiker

Chris Roberts ist einer der wenigen Menschen, die Schöpfer von Computerspielen und Filmen zugleich sind. So hat der heute 52-Jährige in seiner Laufbahn Filme wie »Lord of War« oder »Lucky Number Slevin« produziert. Sein bislang größter Wurf ist jedoch die »Wing Commander«-Serie, mit der er dem PC 1990 als Spieleplattform zum Durchbruch verhalf. Mit dem vierten Serienteil lieferte Roberts Fans wieder Weltraumgefechte – und endgültig mehr interaktiven Film als Computerspiel. So nutzte »Wing Commander 4« nicht mehr allein Bluescreen-Aufnahmen wie sein Vorgänger. Roberts drehte auf 35-mm-Film und zeigte dank eines Millionenbudgets mehr als 40 echte Filmsets. Schauspieler wie Mark Hamill, »Clockwork-Orange«-Star Malcolm McDowell oder John Rhys-Davies kehrten zurück und kreierten echte Spielfilm-Atmosphäre. Die drei Stunden Laufzeit vereinnahmten ganze sechs CDs für sich. Spieler und Spielerinnen trafen darin Entscheidungen und ballerten sich wie in den Vorgängern durchs schicke Weltall. Roberts war indes nur noch an den Filmarbeiten beteiligt. Nach »Wing Commander« blieb Roberts dem Weltraumgenre treu und entwickelt seit 2010 »Star Citizen«, mit dem er über Crowdfunding mehr als 300 Millionen US-Dollar gesammelt hat. Im Spiel kehrt ein alter Bekannter zurück: Mark Hamill aka Luke Skywalker. Denis Gießler

Unrailed!

Unrailed!

Bahn frei, ihr Dösköppe!

Entwickler: Indoor Astronaut, Publisher: Daedalic Entertainment, Preis: 19 €

Der Lokführer ist ein Döskopp. Er war sich sicher, irgendwas vergessen zu haben, als er an diesem Morgen ins Führerhaus stieg. Aber egal: Kohle schaufeln und los geht die Reise. Jetzt ist es an den Spielern, die Strecke zu legen, denn bis zum nächsten Bahnhof fehlen die Schienen! So stiefeln also ein Pinguin, ein Frosch, Frankensteins Monster oder einer der anderen illustren Charaktere los, hacken munter Granit und fällen Bäume, um daraus Schienen zu fertigen und sie auf dem unwegsamen Gelände bis zur sicheren Station zu verlegen. Dabei wird die Arbeit erschwert durch herumlungernde Diebe, friedlich grasende Kühe und Wetterkapriolen. Und während die Spieler emsig herumwuseln, rollt der Zug unaufhaltsam weiter voran. Arbeitsteilung führt zum Ziel, sei es im Online-Koop oder – besser noch – auf der Couch, wo man sich absprechen und anschreien kann, wenn mal wieder einer der vielen Waggons anfängt zu brennen und dringend gelöscht werden muss, bevor der Zug zerbröselt und die Spielrunde vorzeitig beendet wird. Das macht eine Menge Laune und motiviert mit Schrauben, die in der liebevoll gestalteten Welt verteilt sind und in neue Spezialwaggons und stärkere Loks investiert werden können. Der Schweizer Entwickler Indoor Astronaut und das deutsche Studio Daedalic haben einen kurzweiligen 3-D-Knobler im hübschen Pixel-Look geschaffen, der allein recht schnell fad wird, mit bis zu vier Spielern aber viel Spaß verspricht. Lars Tunçay

Daedalic Entertainment

Watch Dogs: Legion

Watch Dogs: Legion

Anarchy in the UK

Publisher: Ubisoft, Preis: 60 €

Die britische Hauptstadt hatte schon so einige Krisen zu überstehen – Guy Fawkes und den Gunpowder-Plot, Boris Johnson und den Brexit – aber was »Watch Dogs: Legion« auffährt, das ist auch für London zu viel. Die Hackergruppe Zero Day zündet an verschiedenen Stellen der Stadt Bomben und stürzt England damit in eine Regierungskrise. Doch die private Söldnertruppe Albion und das aus den Vorgängern bekannte digitale Überwachungssystem »ctOS« stehen bereit, um für Recht und Ordnung zu sorgen. London wird zur brutalen Polizei- und Überwachungsstadt, die ihre Bürger drangsaliert und mit kriminellen Banden gemeinsame Sache macht, um ihre Macht auszubauen. Auftritt Dedsec, die Gray-Hat-Hacker, die für soziale Gerechtigkeit und die gute Sache kämpfen. Das Problem ist jedoch, Dedsec gelten als Terroristen und sind in alle Winde zerstreut. Also muss die Gruppe neue Mitglieder rekrutieren und ein Netzwerk aufbauen, das Anarchie in der Stadt verbreitet und die Mächtigen zur Rechenschaft zieht. Cyberpunk-Games, in denen es um Computertechnologie geht und die vor fiesen Hackern nur so wimmeln, stehen derzeit hoch im Kurs. Was die »Watch Dogs«-Reihe von anderen unterscheidet, sind zum einen die deutlich näher am aktuellen Tech-Status-quo orientierten Welten und zum anderen die Darstellung eines sozialen Konflikts um Gleichheit und Gerechtigkeit, der mithilfe von Daten ausgetragen wird. Das London von »Legion« ist düsterer als das Silicon Valley des zweiten Teils, aber es scheint angesichts der aktuellen Entwicklungen in den USA und UK nicht so weit hergeholt. Eine private Sicherheitstruppe, die Menschen niederprügelt, weil sie eine andere Meinung haben? Keine Fiktion. Und auch die anarchistischen Bemühungen Dedsecs gegen die Datenkrake »ctOS« sind nicht aus der Luft gegriffen.  Und genau diesen Realitätsbezug haben die Macher von »Legion« gut umzusetzen verstanden. Denn nicht ein einzelner Superhacker oder dunkler Rächer ist im Kampf gegen die Evil-Corps dieser Welt wichtig, sondern eine ganze Heerschar an Menschen, die sich wehren und genug haben von Unterdrückung. Das Spiel setzt aus diesem Grund nicht auf einen einzelnen Protagonisten, sondern erlaubt es, jeden Menschen in der Stadt zu rekrutieren. Jeder wird mal vom System gebeutelt und erfährt in seinem Leben Ungerechtigkeiten irgendeiner Art. »Watch Dogs: Legion« wirft darauf ein Schlaglicht. Es zeigt auf, wie Überwachung und Neoliberalismus unsere Sozialsysteme untergraben und uns schutzlos zurücklassen. Bis man sich organisiert, im Dedsec-Style. Lars Schmeink

Ubisoft

Star Wars: Squadrons

Star Wars: Squadrons

Ganz die alte Schule

Die goldene Zeit der Weltraumsimulationen ist lange vorbei. Heute treffen sich Spacecaptains höchstens noch in Baukästen wie »Eve Online« oder Chris Roberts’ nicht fertig werden wollendem »Star Citizen«, das seit sieben Jahren im Alphastadium verharrt. Space-Shooter sind ebenso aus der Mode wie abgeschlossene Titel ohne Download-Inhalte und Mikrotransaktionen. Da ist es nur konsequent, beides zu vereinen – und das Ganze zum Budgetpreis zu verhökern. Man kommt nicht umhin zu vermuten, dass Electronic Arts nach dem »Battlefront II«-Debakel den Drang verspürte, Wiedergutmachung zu betreiben. So gab man Motive Studios freie Hand, und die haben abgeliefert. »Squadrons« ist wunderbar schnörkellose Weltraumaction im »Star Wars«-Universum. Am Steuer eines imperialen oder Rebellen-Fliegers geht es darum, Wegpunkte zu erreichen, Flotten zu flankieren und natürlich jede Menge gegnerische Jäger zu zerbröseln. Ganz wie in alten »X-Wing vs. Tie Fighter«-Zeiten eben. Der Bonus: Mit Helm und Headphones kann man direkt selbst Platz im Cockpit nehmen. Die Virtual-Reality-Unterstützung ist mehr als nur eine Beigabe, sie verleiht dem Spiel eine neue Ebene, stahlharter Magen vorausgesetzt – so eine Barrel-Roll ist eben nichts für Grünschnäbel. Aber auch ohne VR-Brille ist »Squadrons« ein kurzweiliger, pathosgeladener Weltraumausflug mit angenehm oldschooligem »Krieg der Sterne«-Flair für Solisten und ein herausfordernder Wettkampf für Onlinepiloten. Lars Tunçay

Crusader Kings 3

Crusader Kings 3

Arsch für alles

Ich mag Strategiespiele, aber mit »Europa Universalis« und »Crusader Kings«, diesen Geschichtswälzern von Paradox, bin ich nie warm geworden. »Crusader Kings 3« soll einsteigerfreundlicher sein, also wollte ich es ausprobieren. Mehr noch: Ich wollte es mögen. Denn die Art, wie die Entwickler Geschichte vermitteln, wie detailliert sie die Gesellschaft des Hochmittelalters abbilden, finde ich faszinierend. Tatsächlich ist »Crusader Kings 3« freundlich zu Einsteigern und versucht artig, ihnen das Spiel näherzubringen. Es gibt ein gelungenes Tutorial, und auch das Interface tut sein Bestes: Es hat übersichtliche Menüs und für jeden Knopf, mit dem man die Weichen für sein Reich und seine Regenten stellt, gibt es einen Tooltip. So findet man auf Anhieb genau die Regeln, die man gerade braucht. Doch so übersichtlich sie auch präsentiert werden, die schiere Menge an Spielregeln ist überwältigend. Und selbst das beste Tutorial kann in einem Spiel dieses Umfangs nur das Nötigste erklären. So bin ich immer noch nicht weit gekommen. Aber die Mischung aus Strategiespiel und Rollenspiel bringt mich allabendlich dazu, ein bisschen weiterzuspielen. Als heimgekehrter Bayer habe ich als Graf Heinrich von Frontenhausen angefangen. Das ist ein kleines Kaff ganz bei uns in der Nähe, und ich war begeistert, es in »Crusader Kings 3« vorzufinden. Familienplanung, Diplomatie, Intrigen, Kriege – ich bringe die Grafschaft auf Vordermann. Alexander Praxl

Civilization II (1996)

Civilization II (1996)

Der Klassiker

Nach dem Abitur hat man ja ziemlich viel Zeit, jedenfalls war das bei mir Ende der neunziger Jahre so. Da kam der Zeitfresser namens »Civilization II« gerade recht. Zug um Zug, Stunde um Stunde zog ins Land, während ich die klobig-pixelige Welt mit meinem spartanischen Siedler entdeckte und ein Imperium nach dem anderen aufbaute. Mal spielte ich die Zulus, mal die Russen, mal die Amerikaner. Neben dem immensen Wiederspielwert habe ich viele durchgezockte Nächte in Erinnerung, in denen ich viel zu spät mit wirrem Haar ins Bett stolpere. Da war ich offenbar nicht der Einzige, denn das Spiel verkaufte sich millionenfach und damit blendend. Es war für jeden was dabei: Gewinnen ließ sich per Welteroberung oder auch ganz friedlich durch die Besiedlung des Weltraums. Der zivilisatorische und technische Fortschritt waren Gradmesser des Erfolgs und Kern der unerschöpflichen Motivation. Außerdem gab mir »Civilization II« einige Weisheiten mit auf den Lebensweg: 1. China kann auf einem höheren Schwierigkeitsgrad bis 900 nach Christus bereits Computer entwickeln. Frustrierend, wenn man selbst noch nicht mal die Eisenzeit hinter sich gelassen hat. 2. Triremen gehen unter, wenn sie sich mehr als ein Feld von der Küste entfernen. 3. Mahatma Gandhi wirft öfter die Atombombe, als man denkt. Marc Bohländer

Hades

Hades

Fick dich, Tod

Plattform: PC, Switch, Preis: 21 €

An dieser Stelle wurden in früheren Ausgaben womöglich schon einmal Dinge gesagt, die im Kontext einer Videospielrezension prätentiös wirken könnten. Hier nun die Wahrheit: Sterben ist schlecht. Deswegen ist ein Spiel über den Ausbruch aus dem Totenreich eine gute Idee. »Hades« ist nicht nur eine gute Idee, es hat auch sehr viele. Der Plot ist verlockend. Zagreus, Sohn des Hades, hat vom Dasein im Totenreich die Schnauze voll. Er will abhauen. Also haut, sticht und schießt er sich den Weg durch die unzähligen Kammern des Totenreichs. Wenn er scheitert, wenn er stirbt, dann steigt er in der väterlichen Residenz wieder aus dem opulent gezimmerten Blutbad. Nach dem Tod wirklich zu scheitern und noch einmal ganz vom Anfang zu starten, das ist bei Spielen seit Jahren ein Trend. Dass der Mechanismus so gut und witzig in eine Geschichte eingebaut wird, ist allerdings die Ausnahme. Zagreus’ Ausbruchsversuche werden stets neu und passend kommentiert; die zahllosen Gottheiten bieten immer wieder neuen und passenden Rat oder Spott. Die One-Liner türmen sich, bis ein dickes Buch draus wird. Die Gottheiten sind witzig und sexy; überhaupt ist das Totenreich selten so stilvoll inszeniert worden. In Porträts sehen sie aus wie einem Comic gestiegen, in dem gerade eine routiniert gute Party gefeiert wird. An der möglichen Dramatik der Lage sind sie eher desinteressiert, sie sind ja Götter. Fast alle grinsen verschmitzt. Nur Papa schaut wie hundert Jahre Stubenarrest. Die Spielwelt von schräg oben betrachtet leuchtet einladend und bedrohlich. Trotzdem ist sie auch dann noch einigermaßen gut lesbar, wenn ein Mix aus flammenden Totenköpfen, Laserdiamanten, Fettleibigen und Felsbrocken aus allen Richtungen attackiert. Die Kämpfe sind gleichzeitig variantenreich, mit einer Auswahl wirklich verschiedener Waffen. Und dann doch präzise, so dass sich jede Strategie, jede Ausrüstung irgendwann anfühlt wie die beste. Der Tod kommt anfangs schnell, aber er ist immer Ausdruck eines vermeidbaren Versagens auf Spielerseite. Der Schwierigkeitsgrad lässt sich leicht herauf- und herunterregeln, aber im Kern ist »Hades« ein Spiel über das langsame Wachstum. Wie automatisch merkt Zagreus sich irgendwann die Muster der Welt und die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben. Das Abenteuer ist nicht an ein paar Abenden durchzuspielen. Wir müssen werden wie Zagreus, immer wieder aus einem Swimmingpool voller Blut steigen und mit neuem Tatendrang in die Welt schauen. Ob wir den Tod irgendwann besiegen, ist dann nur noch eine Frage der Ausdauer. Jan Bojaryn

Crash Bandicoot (1996)

Crash Bandicoot (1996)

Der Klassiker

Naughty Dog ist jenes Entwicklerteam, das die Messlatte für die aktuelle Playstation-Konsole immer weiter nach oben legt, wie das kürzlich erschienene »The Last of Us 2« zeigt. Die technische Perfektion offenbarte sich aber schon im Jump’n’Run-Klassiker »Crash Bandicoot«. Das war der Zeitpunkt, als Hüpfspiele allmählich von der zweiten in die dritte Dimension wechselten – was einige Probleme mit sich brachte. Neben Kameraproblemen litten viele Spiele an einer klobigen und farbarmen Grafik. Der springende Beuteldachs in »Crash Bandicoot« sieht hingegen auch heute noch gut aus. Das liegt an der Cartoon-Optik und einigen technischen Tricks, die aus der Playstation 1 mehr Leistung herauskitzelten. Sonys erste Konsole limitierte Spieleentwickler stark, denn der interne Systemspeicher war lediglich zwei Megabyte groß. So waren auf vielen Playstation-CDs mehr als 600 Megabyte frei, die aber nur für Videos und Musik genutzt werden konnten. Die Tüftler von Naughty Dog fanden hingegen eine Möglichkeit, das Limit zu umgehen, und präsentierten eine sensationelle Optik. So kam es, dass sich der Beuteldachs auch mehr als 20 Jahre später in »Uncharted 4« als Gimmick immer noch sehr gut spielen ließ, ein Remaster erschien 2017. Der Beuteldachs, er ist immer noch unterwegs. Denis Gießler

Wasteland 3

Wasteland 3

Freaks und Frettchen-Launcher

Preis: 60 €

Total irre, diese Postapokalypse. »Wasteland 3« ist die Fortsetzung der Fortsetzung des Rollenspielklassikers aus dem Jahr 1988. Im dritten Teil geht es ins verschneite Colorado, wo die Desert Rangers sich mit einem charismatischen Diktator einlassen, der sich ganz unbescheiden »der Patriarch« nennt. Er will den dezimierten Rangers in Arizona unter die Arme greifen, wenn diese im Gegenzug seine aufmüpfigen Kinder in die Schranken weisen. Ob man der Aufforderung nachkommt oder das Angebot ablehnt, bleibt dem Spieler überlassen. »Wasteland 3« hat sich Entscheidungsfreiheit auf die Fahnen geschrieben, und je nach Spielart können sich tatsächlich ganz unterschiedliche Geschichten entwickeln. Die transportiert das Spiel in sehenswerten Kulissen und vollvertonten Dialogen mit abgedrehten Charakteren und derbem Humor – den die Serie schon vor über 30 Jahren zu ihrem Markenzeichen gemacht hat. Roboter mit Sprachfehlern, rauchende Katzen oder ein Cowboy-Kult, der Gott-Präsident Reagan verehrt: Hier ist nichts zu gaga. Das rundenbasierte Kampfsystem ist einfach gestrickt, dafür kommen andere Rollenspielmechaniken voll zur Geltung. In den gut geschriebenen Dialogen wirken sich die Skills auf die Gesprächsoptionen aus. Und im Inventar kann man Stunden verbringen, um an der idealen Ausrüstung zu feilen. Die ist dann an den Figurenmodellen sichtbar, von der Schweinemaske bis zum Frettchen-Launcher. Alexander Praxl