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Rezensionen

XIII (2003)

XIII (2003)

Der Klassiker

»XIII« ist verflucht. Zwar ist der Ego-Shooter nicht am Freitag, den 13. erschienen. Dennoch wird das Spiel seit seiner Veröffentlichung im Jahr 2003 vom Pech verfolgt. Dabei ist es einzigartig: Der lebendig gewordene Comic jagt Spielerinnen und Spieler durch blutgetränkte und verschwörerische Vereinigte Staaten. »XIII« orientiert sich lose an belgischen Comics von 1984, die sich um US-Verschwörungen drehen und in deren Zentrum eine Spielfigur mit Gedächtnisverlust steht. Ubisoft griff die Vorlage perfekt auf und zauberte einen linearen Ego-Shooter – ganz ohne Open World! –, der es im Vergleich zur Konkurrenz leicht hätte haben sollen. Damals herrschte die »Killerspiel«-Debatte, fast jeder Shooter wurde indiziert. Wegen seiner Comic-Optik war »XIII« den Behörden aber wohl harmlos genug. Und so wurden auch in Deutschland Kopfschüsse in Großaufnahme gezeigt. »XIII« machte alles richtig und floppte trotzdem. Das Spiel verkaufte sich nicht. Und das Unheil ging weiter. 2020 erschien ein Remake des Kultspiels in einem desolaten Zustand. Es wurde sogar von Fans zerrissen. Knapp zwei Jahre später kam ein Remake des Remakes, das zwar besser war, aber immer noch nicht so gut wie die Version von 2003. Vielleicht ist »XIII« gar nicht verflucht. Vielleicht steckt Absicht dahinter; eine große Verschwörung! Denis Gießler

Paper Mario: Legende vom Äonentor

Paper Mario: Legende vom Äonentor

Entwickler: Intelligent Systems / Publisher: Nintendo / Plattform: Switch / Preis: 60 €

Gerade Nintendo hat einen dermaßen reichen Schatz an spielerischen Juwelen, dass es durchaus Sinn ergibt, sie neuem Publikum zugänglich zu machen. Zumal wenn es sich um einen Titel der eher glücklosen Game-Cube-Ära handelt. »Paper Mario: Die Legende vom Äonentor« gilt als beliebtester Teil der mittlerweile sechs Episoden umfassenden Rollenspielserie. Wie bei Nintendo üblich, wurde das zwanzig Jahre alte Abenteuer für die Switch liebevoll überarbeitet. Neben der nun wesentlich plastischer wirkenden Grafik versah man die Welten mit Schnellreiseröhren und spendierte einen neu orchestrierten Soundtrack. Auf der Spiel- und Handlungsebene bleibt alles beim Alten. So beginnt die Reise in Rohlingen, wo Prinzessin Peach eine Schatzkarte entdeckt hat. Sie zitiert Mario herbei, bleibt aber zunächst verschwunden. Tatsächlich erlebt sie ihr eigenes Abenteuer, das zwischendurch immer wieder in die Story klappt. Mario ist unterdessen damit beschäftigt, die Bewohner kennenzulernen, sich in Rundenkämpfen der Gegner zu erwehren und die Geheimnisse der Welten zu erforschen. Immer neue Mitglieder stoßen zur Party. Deren Fähigkeiten zum Vorwärtskommen sind entscheidend, um dem General der Crucionen, der das Äonentor öffnen und das Pilzkönigreich an sich reißen will, das Handwerk zu legen. Das bleibt immer einsteigerfreundlich und nie zu fordernd. Die Welten sind mit viel Liebe gestaltet und der Humor hebt sich angenehm vom Nintendo-Kanon ab. Ein zeitloser Klassiker. Lars Tunçay

Kunitsu-Gami: Path of the Goddess

Kunitsu-Gami: Path of the Goddess

Entwickler & Publisher: Capcom / Plattform: PC, Xbox One+, PS4+ / Preis: 50 €

Wie ein faulig-frischer Wind aus einer entlegenen japanischen Bergregion weht dieses unerhörte Spektakel auf die Spielkonsole. »Kunitsu-Gami: Path of the Goddess« handelt davon, wie eine junge Frau die Dörfer auf den Hängen des Berges Kafuku von einer dämonischen Verseuchung befreit. Sie tut das auf eine für Japan sehr traditionelle Art und Weise: durch die Aufführung einer rituellen Tanz-Prozession, so ähnlich auch in echt als Kagura bekannt. Dass Spielekonzern Capcom das folkloristische Grauen zu einem sehr speziellen Strategie-Actionspiel formt, ist dabei keine Überraschung. Aber dass so etwas einfach außerhalb Japans veröffentlicht und eher nüchtern übersetzt wird, ist vielleicht schon eine. Es setzt eine gewisse Vorkenntnis voraus, wenn das Spiel nicht einfach nur als weird und exotisch abgetan werden soll. Und eine gewisse Hingabe setzt das Spiel auch voraus. Einfach gesagt mischt es altmodische, rhythmische Actionkämpfe mit Tower Defense, also mit der Platzierung von Verteidigern, um gegnerische Angriffswellen zu überstehen. Tagsüber werden der Weg für die Prozession freigelegt, die widerliche Verseuchung vom Berg gewedelt und die Einheiten zugewiesen. Nachts bricht dann das knöcherne Tor ins Grauen auf und eine wirklich fantasievoll gestaltete, rundum unappetitliche Brut bricht hervor. Und dann müssen wir zu perkussiver Musik mit der Klinge durch die Gegner tanzen. »Kunitsu-Gami« ist ein Erlebnis. Jan Bojaryn

Zwei Serious Games zur Weimarer Republik

Zwei Serious Games zur Weimarer Republik

Friedrich Ebert – Der Weg zur Demokratie. Mit Handreichung zum Unterricht unter: https://ebert-gedenkstaette.de/das-spiel/ Mission 1929 – Freiheit unter Druck. Mit Handreichung zum Unterricht unter: https://www.mission1929.de/

Auf dem Schreibtisch herrscht Stau. Das war vor hundert Jahren nicht anders. Friedrich Ebert, erster Reichspräsident der Weimarer Republik, ist dem Ideal der Inbox Zero nie besonders nahe gekommen. Das ist eine wesentliche Erkenntnis des Serious Games »Friedrich Ebert – Der Weg zur Demokratie«. Das ganze Spiel dreht sich um den Blick auf seine Tischplatte, auf der stets mehr Briefe eintreffen, als Ebert bearbeiten kann. Schülerinnen und Schüler müssen sich taktisch klug zwischen die Stühle setzen – so wie es der echte Ebert versucht hat. Einerseits ist das Browserspiel genau deswegen spannend; es besteht eigentlich nur aus kniffligem Abwägen, aus interessanten Entscheidungen. Es ist ein interaktives Was-wäre-wenn-Spiel mit der Geschichte, auch für Erwachsene spannend. Allerdings ist es damit weit von dem entfernt, was Leute so mit Videospielen assoziieren: Weltflucht, Action, Zerstreuung. Ist das für Schulen nicht etwas dröge? Nur Briefe lesen und entscheiden? Martin Thiele-Schwez, Gründer und Chef des Berliner Studios Playing History, widerspricht: »Selbstverständlich können gut geschriebene Texte unterhaltsam sein«, denn sonst »würde es keine Bibliotheken geben«. Natürlich sei der Titel »kein Casual Game« und verlange eine Bereitschaft, »in die Inhalte einzutauchen«. Aber dann entstehe Spielspaß. Schreibtisch, Küchentisch: So sieht Politik aus Das weiß er aus Erfahrung. Playing History entwickeln seit Jahren und mit einigem Erfolg Serious Games für Stiftungen, Museen und andere Institutionen. Unter anderem haben sie die Visual Novel »Herbst 89 – Auf den Straßen von Leipzig« für das Deutsche Historische Museum entwickelt. Für Thiele-Schwez gehört es zu »validem Game-Design«, dass Spiele »mit der Zielgruppe getestet« werden. Für »Friedrich Ebert« wurden Illustrationen, Sprache und Gameplay in Testläufen mit Schulklassen weiterentwickelt und hinterfragt. Das Ergebnis kommt sehr gut an, hat unter anderem den Deutschen Computerspielpreis 2024 (...) Jan Bojaryn

Duck Detective – The Secret Salami

Duck Detective – The Secret Salami

Entwickler/Publisher: Happy Broccoli Games, Plattform: Xbox One, Xbox Series X|S, PC, Switch, Preis: 10 €

Finstere Machenschaften laufen da im Hintergrund von Bear Bus. Jemand setzt den Chef-Bären Manfred Ernst unter Druck. Seine Fahrzeuge werden genutzt, um hochwertige Salami über die Grenze zu schmuggeln. Ist Krokodil Freddy Frederson in die Sache verwickelt oder versucht jemand, ihm die Schuld in die Schuhe zu schieben? Und wer zur Hölle hat eine Ente engagiert, um den Fall zu lösen? Als »Duck Detective« Eugene McQuacklin verhören wir die Angestellten im Callcenter, sondieren die Hinweise und ziehen die Schlüsse. All das ist in einem höchst charmanten Comic-Look im Stil der »Paper Mario«-Titel gestaltet und mit zahlreichen Absurditäten gespickt. Der Titelheld ist ein abgebrannter Privatschnüffler direkt aus einem Raymond-Chandler-Roman, mit einer ungesunden Neigung zu Brotkrümeln. Er ist wie alle Gestalten in der Firma kongenial vertont, ebenso wie die Texte (leider nur auf Englisch; an einer deutschen Fassung wird laut Entwickler gearbeitet). Immerhin hat die internationale Ausrichtung funktioniert: Das Berliner Indiestudio Happy Broccoli, das 2022 den Deutschen Computerspielpreis fürs beste Game-Design erhielt, sorgt mit »Duck Detective« verdientermaßen für Aufsehen und Bestnoten. Leider ist der große Spaß viel zu schnell vorbei. Es bleibt zu hoffen, dass wir bald weitere Fälle mit der irren Ente lösen dürfen. Dieser Salami-Snack macht Lust auf mehr Lars Tunçay

Lorelei and the Laser Eyes

Lorelei and the Laser Eyes

Entwickler: Simogo, Publisher: Annapurna Interactive, Plattform: PC, Switch, Preis: 23 €

Die Entwicklung eines guten Spiels ist planbar. Es gibt Beispiele, Lehrsätze, Best Practices und Formeln. Und Spiele, die sich an den Plan halten, seien vor allem eines: »ziemlich langweilig«. Gesagt hat das Martin Rolén, Programmierer für das neue Rätselspiel »Lorelei and the Laser Eyes«. Er hat recht. Spielefans können das sofort nachfühlen – und wer im Leben mehr als fünf »Tatorte« oder mindestens drei Filme aus dem Marvel-Cinematic-Universe gesehen hat, kann es auch. Wer die richtigen Vorbilder imitiert, erhält verlässliche, aber überraschungsfreie Unterhaltung. Deswegen brauchen wir Spielestudios wie Simogo: zwei Künstler und eine Reihe von Kollaborateuren, die in Malmö auf sehr unaufgeregte Weise unerhörte Kunstwerke produzieren. Simogo machen Spiele, die sich erkennbar aufeinander beziehen, aber alle völlig anders aussehen. Abgründige Folklore in »Year Walk«, ausufernde Textlandschaften in »Device 6«, explodierender Pop in »Sayonara Wild Hearts« und jetzt die nächste Zumutung: ein einziges spielbares Fragezeichen. Es ist sehr leicht zu bedienen, jeder Knopf auf dem Controller macht exakt dasselbe; unmöglich fühlt es sich trotzdem an. Haben wir uns nicht irgendwo schon einmal gesehen? Anfangs steht eine Frau neben einem Auto im italienischen Wald. Wer auf eine Erklärung hofft, muss schon selbst darauf kommen, die Bedienungsanleitung aus dem Handschuhfach zu ziehen. Die Szene ist monochrom, das ganze Spiel schwarzweiß, nur Computerbildschirme und Augen leuchten rot. »Lorelei and the Laser Eyes« zitiert mit einem grob gerenderten Herrenhaus in dramatischen Kameraperspektiven den Horror-Klassiker »Resident Evil«. Aber es bezieht sich nicht nur auf andere Spiele. Der Schwebezustand in verschachtelten Meta-Geschichten fühlt sich bei Romanen von Paul Auster ganz ähnlich an. Und die Bildsprache mit erstarrten Menschen in barocker Umgebung ist sehr direkt vom Nouvelle-Vague-Filmklassiker »Letztes Jahr in Marienbad« abgeschaut. (...) Jan Bojaryn

The Neverhood (1996)

The Neverhood (1996)

Knete kann alles sein. Das verstehen Kinder, die aus ihren Gedanken Gegenstände formen. Das verstand auch der Künstler und Comiczeichner Doug TenNapel, der sich deswegen schon vor Jahrzehnten an dieser Idee abarbeitete: Ein Computerspiel aus Knete. Wer auf eine handgeformte Welt schaut, blickt aus der Wirklichkeit heraus in die Gedankenwelt eines anderen Menschen hinein. TenNapel hatte einerseits eine komplexe Schöpfungsgeschichte mit einem existenziellen Konflikt im Kopf, andererseits einen Haufen surrealen Slapstick. Mit seinem Team schuf er einen beunruhigenden Trip, der sich anfühlt, als würde Franz Kafka einen Witz erzählen. So liest sich leider auch TenNapels weiterer Werdegang – er fällt inzwischen vor allem als rechter Kulturkämpfer auf. Doch »The Neverhood« wirkt wie ein Artefakt aus einer weniger bestimmten Zeit. Knete ist formbar, und der Held der Geschichte – Klaymen – erwacht in verzogenen Räumen, leer und trostlos, voller absurder Rätsel. Durch wildes Herumklicken kann beispielsweise ein Zughebel dafür eingesetzt werden, mit einem riesigen Hammer eine Tür einzuschlagen. Das komplette Spiel folgt einer absurden Traumlogik. So ist ein frustrierendes, faszinierendes Kunstwerk entstanden, das heute höchstens noch beim Zugucken Spaß macht. Und eine Inspiration für andere, bessere Spiele. Denis Gießler

Harold Halibut

Harold Halibut

Entwickler/Publisher: Slow Bros, Plattform: PC, PlayStation 5, Xbox Series X/S, Preis: 34,99 € (digital)

Leidenschaft braucht Zeit, das wird nicht nur bei Phil Tippetts Stop-Motion-animiertem Meisterwerk »Mad God« offensichtlich, das 30 Jahre bis zur Fertigstellung brauchte (s. S. 43). Auch die Kölner Slow Bros. machen ihrem Namen alle Ehre. In rund zehn Jahren kreierten sie eine Welt und deren Bewohner in Handarbeit. Anschließend scannten sie die Einzelteile und animierten sie schließlich am Computer. Das Ergebnis ist ziemlich einzigartig: Die Figuren und Sets wirken plastisch, greifbar und emotional näher als rein digitale Kreaturen. Eine bemerkenswerte Leistung, die uns im Zusammenspiel mit der liebevollen Synchronisation Harold Halibut und die Bewohner der Fedora ans Herz wachsen lässt. Harold ist ein Handyman, ein Handlanger, der Mann für alle Fälle auf der Unterwasserstation. Einst brach die Fedora zu den Sternen auf, bis sie auf einem komplett mit Wasser bedeckten Planeten notlandete. Hier wieder wegzukommen, ist einer der roten Fäden der Handlung, eine seltsame Kreatur – halb Fisch, halb Mensch –, die eines Tages im Filtersystem des Raumschiffs landet und für Harold zum Freund wird, ein anderer. Aber hauptsächlich verbringen wir die Tage damit, Freundschaften zu pflegen. Zahlreiche Figuren laufen uns in den rund 20 Stunden Spielzeit über den Weg, die uns Aufgaben mitgeben oder einfach nur ihr Herz ausschütten. Spielerisch mag das nicht besonders aufregend sein, künstlerisch ist es aber ebenso eigenwillig wie einzigartig. Lars Tunçay

Footgun: Underground

Footgun: Underground

Entwickler: Turtle Knight, Publisher: Cobra Tekku, Plattform: PC, Preis: 15 €

Vielleicht, vielleicht haben Videospiele sich verlaufen. Als ein Teil der Branche sich gefragt hat, ob der einsame Held mit der Knarre in der Hand nicht vielleicht auch ein Vater mit schlechtem Gewissen sein könnte, und dann weiter Überstunden gemacht hat, um Spiele über traurige Väter mit Knarre in der Hand zu entwickeln. Eine bessere Frage haben Turtle-Knight-Games gestellt, ein Indiestudio nordwestlich von Darmstadt: Warum in der Hand? Und so ist das brillante Kleinod »Footgun: Underground« entstanden. Es sieht wie ein uraltes Jump’n’Run aus und wird im Wesentlichen auch so gesteuert. Allerdings haben wir keine Handfeuerwaffe, sondern einen Ball, den wir mit dem Fuß auf die herannahenden Gegner schießen müssen, um sie zu besiegen. Ist das ein Fußballspiel? Wäre Darmstadt 98 mit dieser Strategie erstklassig geblieben? Zumindest bringt »Footgun« eine Qualität auf den Platz, bei der auch zynisch gewordene Spielejournalisten zum Fan werden. Anfangs geht es hier wirklich um die überraschend frickelige Ballkontrolle, um ein heikles Abwägen zwischen hüpfendem Ausweichen und schnell kontrolliertem Abschuss. Doch dann bekommen wir einen Zweitball, dann werden die Dinger magnetisch, explodieren, platzieren Bomben und mehr. Mit der Zeit fühlt sich das Spiel dann eher so an wie Flipper, wie ein einfaches Vergnügen aus einer Zeit, als der Weg noch klar schien und in den Highscore führte. Statt in die Überstunden. Jan Bojaryn

Indika

Indika

Entwickler: Odd Meter, Publisher: 11 Bit, Plattform: PC, PS5, Xbox Series, Preis: 25 €

»Nach dieser Mitteilung«, erklärte Dmitry Svetlow, sei es wohl »besser, nicht zurückzukommen«. Svetlow, ein russischer Spieleentwickler, hatte den Angriffskrieg seines Heimatlandes auf die Ukraine als »wahnsinniges Verbrechen« verurteilt. Und ist dann mit seinem kleinen Spielestudio Odd Meter weggezogen. Jetzt sitzen sie in Almaty, in Kasachstan. Das neue Spiel von Odd Meter hat eigentlich nichts mit der politischen Katastrophe zu tun und war bereits länger in der Entwicklung. Eigentlich ist es kein Kommentar zum gegenwärtigen Russland oder der Verzahnung von Kirche und Propaganda. Doch es ragt wie eine Provokation, wie ein wunderschöner, unübersehbarer Mittelfinger aus der Spielelandschaft heraus. Und jetzt ist es fertig. »Indika« ist ein etwa vierstündiger Trip, ein surrealer, bitterer und stellenweise brillanter Abgesang auf die russisch-orthodoxe Kirche im Besonderen und auf autoritäres Denken im Allgemeinen. Das eigentlich Unverschämte an »Indika« ist die Perspektive. Es kümmert sich um keinen objektiven Realismus und spielt konsequent im Kopf einer jungen Nonne in einem verfremdeten Russland des 19. Jahrhunderts. Die junge Indika bemüht sich um ein frommes, gottgefälliges Leben, doch die Umstände sind nicht auf ihrer Seite. Nichts an dieser Welt ist einfach. Im Kloster erlebt sie keine christliche Nächstenliebe, sondern trostloses Schuften in Schlamm und Schnee. Die Schikane durch die älteren Schwestern ist sogar interaktiv. Zuerst müssen wir mit Indika fünfmal hintereinander zum Brunnen stapfen, um ein Wasserfass aufzufüllen, spüren die Langeweile auch ganz persönlich, und dann wird das Wasserfass umgestoßen. Es gibt Spiele, die Spaß machen wollen. Dieses hier hat etwas anderes vor. Indika reagiert angemessen auf die Lage: Sie entwickelt Wahnvorstellungen und halluziniert. Für ihr abweichendes Verhalten wird sie dann neu bestraft. Da ist es kein Wunder, dass der Teufel bereits im Schatten wartet und die Geschichte erzählt. (...) Jan Bojaryn

Botanicus

Botanicus

Autoren: Samuele Tabellini und Vieri Masseini, Publisher: Hans im Glück, Preis: etwa 45 €

Pünktlich zu Ostern erschien bei Hans im Glück »Botanicus«, ein Kennerspiel, aber doch einsteigerfreundlich. Bis zu vier Personen werden zum Gärtner und wollen es schaulustigen Gästen recht machen, die ganz bestimmte Ansprüche an die Gärten stellen. Um die Aufträge zu erfüllen, wird Geld gesammelt, werden Blumen angepflanzt und gegossen. Alle Aktionen werden auf einem gemeinsamen Spielbrett ausgelöst. Wer einen bestimmten Wunschzug durchführen will, muss genau im Auge behalten, wo sich die Gegengärtner platzieren. Jeder Garten ist als Raster angelegt, und während im Laufe des Spiels Punkte für vollständige Reihen vergeben werden, sind volle Spalten für die Endwertung wichtig. Wegen dieser Doppelzählung ist die Entscheidung für eine passende Taktik komplex. Die Regeln sind hingegen schnell erklärt und gut verständlich, auch dank der hervorragenden Anleitung. Die Komplexität des Spiels ist daher nicht ganz leicht einzuordnen – das ist durchaus ein Kritikpunkt an »Botanicus«. Ansonsten fühlt sich das Spiel sehr rund an. Das Material ist liebevoll gestaltet. Das Thema wurde dem Mechanismus nicht einfach übergestülpt. Und anders als bei dem Naturbrettspielhit »Flügelschlag« bietet »Botanicus« auch eine intensive Interaktion zwischen den Spielenden. Zudem glänzt das Spiel mit einer Standard- und einer Expertenvariante und ermöglicht es so, die Schwierigkeit individuell anzupassen. Beide überzeugen. Joachim Kern

Princess Peach: Showtime!

Princess Peach: Showtime!

Entwickler/Publisher: Nintendo, Plattform: Switch, Preis: 49 €

Fast zwei Jahrzehnte ist es her, dass Prinzessin Peach ihren letzten Auftritt als Heldin eines eigenen Videospiels hatte. In »Super Princess Peach« auf dem DS bekämpfte Peach ihre Gegner noch mit Emotionen. Eine ihrer Superkräfte war Flennen – ein zeitgemäßes Abenteuer ist also überfällig. Zumal die Prinzessin vor einem Jahr der eigentliche Star war im erfolgreichsten Animationsfilm aller Zeiten, dem »Super Mario Bros. Film«. Nintendo schickt Peach mit ihren Toads ins Theater. Doch die finstere Lady Grape stört mit ihrer Sauertruppe den Kulturgenuss. Also muss Peach in zehn verschiedene Kostüme schlüpfen, die individuelle Fähigkeiten mit sich bringen, um die Fieslinge von der Bühne zu fegen. Das Bühnenbild ist abwechslungsreich und detailverliebt gestaltet. Da lugt mal ein Strohhalm aus dem Teich hervor, wenn sich Ninja-Peach vor den Gegnern versteckt, und die Pferde im Westernsetting galoppieren an Bindfäden über die Prärie. Die Kulissen drehen sich und geben Geheimnisse preis, es gibt viel zu entdecken und reichlich Abwechslung. Das Abenteuer ist dabei immer auch für die kleinsten Joypadakrobaten zugänglich, bietet allen anderen zum Beispiel mit bis zu zehn Sternen, die es in jedem Level zu entdecken gilt, aber auch genügend Herausforderungen. Ein wahrlich würdiger Auftritt also, vielleicht nicht so überbordend wie ein »Super Mario Wonder«, aber eigenständig genug und höchst unterhaltsam. Lars Tunçay

Enshrouded

Enshrouded

Entwickler & Publisher: Keen Games, Plattform: PC, Preis: 30 €

Bossgegner können ziemlich nervig sein, vor allem, wenn sie einfach nicht sterben wollen. In »Enshrouded« reicht eine rostige Spitzhacke, um selbst noch den größten Brocken zu fällen. Denn in dem Survival-Rollenspiel ist die Spielwelt nicht starr, sondern veränderbar. So graben sich Spielerinnen und Spieler einfach an Bossen vorbei. Oder sie lassen die Fieslinge einfach stehen und bauen ihr eigenes Dorf weiter. »Enshrouded« ist ein offener Genre-Mix, ein digitaler Lego-Baukasten, der einen Nerv beim Publikum trifft. Mehr als zwei Millionen Mal wurde das Early-Access-Spiel bislang auf Steam verkauft. Lange hat die deutsche Spielebranche so einen Hit herbeigesehnt. In der riesigen, offenen Spielwelt erkundet man mit bis zu 16 Freundinnen und Freunden Wälder, Städte und den namensgebenden Shroud-Nebel. Wie in »Minecraft« oder »Valheim« gibt es umfangreiche Crafting-Mechaniken: Man sammelt und verarbeitet immer bessere Rohstoffe, um die anfänglich olle Holzhütte nach und nach in ein prächtiges Landhaus zu verwandeln. Oder um legendäre Waffen zu schmieden. Wenn Menschen hier freiwillig stundenlang Kupfer abbauen und Tomaten ziehen, anstatt endlich dem armen Schmied seine verlorene Ausrüstung wiederzubeschaffen, dann haben die Frankfurter Entwicklerinnen und Entwickler sehr viel sehr richtig gemacht. »Enshrouded« weckt die Kreativität in jedem ehemaligen Lego-Kind. Vielleicht kann man den Bossgegner ja auch eingraben? Denis Gießler

Assassin’s Creed IV: Black Flag (2013)

Assassin’s Creed IV: Black Flag (2013)

Um den ganzen Schlamassel zu verdeutlichen: »Skull and Bones« war ganze elf Jahre in Entwicklung und soll bis zu 200 Millionen US-Dollar gekostet haben. Für »Assassin’s Creed IV: Black Flag« hat Ubisoft Montreal knapp drei Jahre gebraucht – und ein Meisterwerk abgeliefert. »Black Flag« hat alles, was »Skull and Bones« gerne hätte: eine lebendige Open World, Piratenflair und dieses Inselchen am Horizont, auf dem bestimmt ein Schatz vergraben ist. »Black Flag« ist im Herzen ein Erkundungsspiel und verschmilzt mit dem Attentätergameplay der Vorgänger. Als Assassin-Anwärter Edward Kenway steuert man das eigene Schiff durch die Karibik des 18. Jahrhunderts und plündert von den klapprigen Holzdächern Havannas bis zu fetten Galeonen alles Mögliche. Wenn Dutzende Schiffskanonen losballern und Holz splittert, fühlt sich das aufregend an, das Kapern eines Laderaums nach hartem Kampf wie eine faire Belohnung. Mit »Black Flag« fand Ubisoft die perfekte Balance zwischen einer großen und einer nicht zu großen Spielwelt. Niemals wieder sollte der Spielekonzern so gut verstehen, wo die Stärken seiner Reihe liegen. Spielerinnen und Spieler liebten »Black Flag«, mit etwa 15 Millionen verkauften Stück ist es einer der erfolgreichsten Serienteile. Ubisoft, es wird Zeit für ein Remake. Denis Gießler

Vertigo 2

Vertigo 2

Entwickler/Publisher: Perpetual Entertainment/Zulubo Productions, Plattform: PC VR, PS VR2, Preis: 29,99 € (digital), 34,99 € (Box)

Vor dem Höhleneingang erstreckt sich ein pilzartiges Geflecht. Als ich mich nähere, öffnet sich darin ein Mund und wirft mir ein »Oh, well, hello there!« entgegen. Im Folgenden bittet mich das gut gelaunte Gewächs darum, nach einer Sprühflasche Ausschau zu halten, die ich finde und gründlich zum Sprühen bringe. Schließlich öffnet die Flechte mit einem zufriedenen Stöhnen den Weg. Begegnungen wie diese sind in der Welt von »Vertigo« nichts Ungewöhnliches. Schöpfer Zach Tsiakalis-Brown ist spürbar Fan von »Rick & Morty« und injiziert seinem Story-Shooter eine große Dosis von Justin Roilands eklektischem Gaga-Humor. Nachdem der erste Akt auf dem PC 2016 zum Überraschungshit avancierte, holt »Vertigo 2« nun richtig aus. Mit deutlichen Anleihen an Valves »Half Life: Alyx« ballert und rätselt man sich als humanoides Alien den Weg aus einem Reaktorkern ans Tageslicht. Das heißt, man wühlt sich anfangs vor allem durch Tunnel und Gänge, läuft aber später auch durch Außenareale. Abwechslung wird hier ohnehin großgeschrieben: So holt man zwischendurch auch mal mit einem Geschütz Raumschiffe vom Himmel, schwimmt oder stellt sich mächtigen Zwischenbossen. Man spürt die Liebe für VR, die Zach Tsiakalis-Brown antreibt. In jahrelanger Handarbeit programmierte er sein Opus selbst und komponierte sogar noch einen einstündigen Soundtrack. Klar, dass »Vertigo 2« den Polish von Valves Vorzeige-VR vermissen lässt. Aber die Ecken und Kanten machen dieses Herzensprojekt nur noch liebenswerter. Lars Tunçay

Skull and Bones

Skull and Bones

Entwickler/Publisher: Ubisoft, Plattform: PC, Playstation 5, Xbox Series X/S, Preis: 55 €, USK: 16

Was haben Piraten und globale Videospiel-Firmen gemeinsam? Starke monetäre Zwänge. Und die merkt man dem Online-Piratenspiel »Skull and Bones« jederzeit an. Das kommt nicht von ungefähr, denn Entwickler Ubisoft bastelte elende elf Jahre an dem Spiel – das sind Äonen in Computerspieljahren. Und wer so lange Geld und Arbeitskraft in ein Projekt steckt, will natürlich wenigstens seine Kosten wieder einfahren. Wie ein echter Vollpreistitel fühlt sich »Skull and Bones« aber nie an. Eher wie ein labbriger Pappkarton von der Bestpreis-Pyramide im Elektrofachmarkt. Oder wie ein Download aus der halbseidenen Sonderangebote-Ecke im Playstation-Store. Spielen soll ja eigentlich Spaß machen, aber das schafft »Skull and Bones« nur selten. Das könnte zum Beispiel mit einer schönen Story klappen, auf die wird aber praktisch gänzlich verzichtet. Also schippern wir mit einem Piratenschiff über den Indischen Ozean und ernten verschiedene Rohstoffe durch unwürdige Minispiele ab. Oder wir rauben die Schätze anderer Schiffe, die wir in mediokren Gefechten versenken. Mithilfe der neuen Reichtümer wird dann das eigene Schiff gepimpt. Das ist der kapitalistische Kreislauf von »Skull and Bones« – ein endloser, seelenloser Grind. Das mit den Piratenspielen ging schon mal viel besser, zum Beispiel 2013 (!) mit »Assassin’s Creed IV: Black Flag«, übrigens auch von Ubisoft (siehe unten). »Skull and Bones« ist wie Saufen ohne Rausch. Macht keinen Spaß, aber die Zeche muss trotzdem irgendjemand zahlen. Alberto Balsam

Llamasoft: The Jeff Minter Story

Llamasoft: The Jeff Minter Story

Entwickler & Publisher: Digital Eclipse, Plattform: PC, PS4/5, Switch, Xbox One/S/X, Preis: 30 €

Als Teenager in den siebziger Jahren lag Jeff Minter im Bett, hörte Musik und stellte sich abstrakte Formen vor, die im Takt pulsierten und sich veränderten. Später baute er eine Karriere auf dieser Erfahrung auf. Er gründete eine Firma namens »Llamasoft«, nannte sich »Yak« und entwickelt nun seit über 40 Jahren technisch ausgefeilte Spiele mit Arcade-Gameplay. Minter hat einen grauen Bart bekommen, aber er ist immer noch aktiv, sitzt im Wollpulli vor dem Computer, entwickelt hypnotische Software und füttert seine Schafe. All das lässt sich in der neuen, interaktiven Doku »Llamasoft: The Jeff Minter Story« nachvollziehen, erhältlich für PCs und Konsolen. Vielleicht ist es auch keine Doku, sondern ein virtuelles Museum. Auf mehreren Zeitleisten arrangiert der Titel Originaldokumente, neu produzierte Kurzvideos und eine lange Reihe uralter Originalspiele. Das Ergebnis fühlt sich an wie eine Ausstellung, die in ein Museum gehören würde; wenn Leute wüssten, wie wichtig Jeff Minter ist. Einerseits wurde Minter von Teilen der Branche schon immer als exzentrischer Freak belächelt. Andererseits hat der Ausnahmekönner und Sturkopf Erweckungserlebnisse geschaffen, die bis heute nachwirken. Seine Shooter und Licht-Synthesizer haben neue visuelle Möglichkeiten geschaffen. Vorher wirkten Spiele statisch und starr, seit Minter können sie wabern, schmelzen und zerlaufen. Er machte Software organisch und lebendig. Wer je staunend abstrakte Visuals zu Musik angestarrt hat, kann sich bei Minter bedanken. Leider tun das wenige. Videospiele werden vergessen. Gegenmaßnahmen wie das »Haus der Computerspiele« in dieser Stadt gibt es, doch im Großen und Ganzen stimmt der Befund leider. Große Spielefirmen behandeln ihr eigenes Erbe noch immer wie Restmüll, von dem nur ein Teil als Remake upgecycelt werden kann. Die neueste Blüte dieser Brutalität ist die Angewohnheit, neue Spiele schnell zu beerdigen. Wenn ein Online-Titel floppt, werden die Server abgeschaltet. (...) Jan Bojaryn

Ratchet & Clank: Rift Apart

Ratchet & Clank: Rift Apart

Plattform: PS5 / Entwickler: Insomniac Games / Anbieter: Sony / Preis: 74,99 €

Seit fast 20 Jahren sind sie untrennbar: Das dynamische Duo aus dem spitzohrigen Lombax Ratchet und dem melancholischen Roboter Clank war seit seinem ersten Auftritt als intergalaktische Weltenretter wider Willen auf der Playstation 2 in mehr als 14 Episoden unterwegs. Das letzte Abenteuer liegt allerdings schon fünf Jahre zurück. Entwickler Insomniac kümmerte sich derweil um die »Spider-Man« Episoden auf der PS4 und ist als jahrelanger Exklusiventwickler auch seit 2019 offiziell unter dem Dach von Sony. So durften sie jetzt den ersten Vorzeigetitel für die Playstation 5 entwickeln, der von den Vorteilen der neuen Konsolengeneration profitiert. Das ist, neben der detailreichen Grafik und den unzähligen Objekten, die den Bildschirm mit Leben erfüllen, vor allem der Wegfall von Ladezeiten. Die eingebaute SSD erlaubt den nahtlosen Wechsel zwischen den Welten. So geht es pfeilschnell aus dem arktischen Eis auf einen prähistorischen Planeten, die Helden gleiten auf Monoschienen vorbei an einem gigantischen Roboter, während um sie herum die Projektile sirren. »Ratchet & Clank« ist auch heute vor allem ein Actionspiel mit Geschicklichkeitseinlagen, bei dem sich nach einer Weile ein wunderbarer Flow einstellt, dem nur die eigene Fingerfertigkeit im Weg stehen könnte. Ausgangspunkt ist eigentlich eine prächtige Parade für den galaktischen Helden Ratchet. An deren Ende wollte ihm sein Freund Clank eine Maschine überreichen, mit der man Dimensionstore öffnen kann, um Ratchet die Suche nach seinen Artgenossen zu erleichtern. Doch ihr Erzfeind Dr. Nefarious sprengt die Feierlichkeiten, greift sich kurzerhand den Apparat und stellt das Universum auf den Kopf. Jetzt ist es also erneut an Ratchet und Clank, alles wieder geradezubiegen. Unerwartete Hilfe bekommen sie durch die schlagkräftige Lombax-Lady Rivet. Sie steuert sich kaum anders als Ratchet, bereichert aber die solide Storyline. (...) Lars Tunçay

Mass Effect

Mass Effect

Entwickler: Bioware / Publisher: EA / Plattform: PC, Xbox (ab One), Playstation (ab 4) / Preis: 60 €

Wenn einsam Synthesizer pfeifen, dann ist es Science-Fiction. Heutzutage wird der Weltraum im Fernsehen mit Blockflöten und Symphonieorchestern untermalt, aber dieses verhallte Klingeln haben Genrefans seit 2007 im Ohr: das Thema von »Mass Effect«. Es klang schon damals wie eine Rückbesinnung, weg von Laserschwertern und Special Effects, hin zum Weltraum an sich. Er ist still, groß und geheimnisvoll. An Bord schnittiger Raumschiffe und monumentaler Raumstationen stehen nachdenkliche Aliens am Fenster und blicken in die Sterne. Millionen von Menschen haben sich in diesen Weltraum (und die Aliens) verliebt. »Mass Effect« erschien als Trilogie aus drei Rollenspielen zwischen 2007 und 2012. Das Entwicklerstudio Bioware war bereits bekannt für tiefgründige Geschichten. Doch mit »Mass Effect« kam cineastische Bildsprache dazu. Die Grafikleistung reichte nicht nur für tolle Sternentapeten, sondern für Charaktere in Nahaufnahme. Mit Mimik! Plötzlich waren ellenlange Multiple-Choice-Gespräche nicht mehr nur eine Vorlesestunde. Sie öffneten einen Raum für das Anschmachten. Hat der forsche Turianer auch einen weichen Kern? Was verbirgt sich unter der Maske der Quarianerin? Die Trilogie durchlief Aufs und Abs; Teil zwei wurde noch ekstatischer gefeiert, Teil drei fast von einem Shitstorm enttäuschter Fan-Erwartungen begraben. Aber dieses Niveau bleibt unerreicht. Ein viertes »Mass Effect«-Spiel mit neuem Setting floppte. Jetzt erscheinen die ersten drei Spiele als »Mass Effect: Legendary Edition«. Im Paket sind nicht einfach die drei Spiele von früher, sondern eine behutsam restaurierte Version. Die Spiele sehen immer noch erkennbar alt aus, sind aber wieder schön. Sie laufen runder und schneller. Vor allem die neuen, lebensechten Gesichter machen einen Unterschied. Beim Spielen fühlt sich »Mass Effect« auch heute noch modern, aber eigensinnig an. Es bietet viel Action, aber auch viel dazwischen. (...) Jan Bojaryn

Outlaws (1997)

Outlaws (1997)

Der Klassiker

Ein paar Kakteen, einen Cowboyhut und einen »Saloon«-Schriftzug. Mehr brauchte es lange Zeit nicht, um in Computerspielen ein überzeugendes Western-Szenario zu zimmern. Weil im »Wilden Westen« vor allem herumgeschossen wird, war es in den neunziger Jahren nur eine Frage der Zeit, bis sich das neue Ego-Shooter-Genre dem Setting widmen würde. Nach Dutzenden Science-Fiction-Ballereien war es Zeit für etwas Neues. Und so veröffentlichte die berühmte Spieleschmiede LucasArts 1997 »Outlaws«. Der Shooter orientierte sich stark an den Anti-Western-Filmen der sechziger Jahre. Ein rücksichtsloser Eisenbahnmagnat ließ die Frau des Protagonisten töten, weshalb der Spieler einen Rachefeldzug antrat. In typischen Western-Szenarien – einer Stadt, einer Mine mitsamt rasanter Lorenfahrt und einem Canyon – pflügte man sich mit Pistolen, Schrotflinten und Dynamitstangen durch Gegnerhorden. Anders als etwa bei »Quake« mussten Patronen für die Waffen einzeln nachgeladen werden. In den weitläufigen Levels war auch das in Spielen neuartige Zielfernrohr eine Hilfe, um Gegner aus der Distanz auszuknipsen. »Outlaws« war schon beim Erscheinen grafisch veraltet, so schnell entwickelte sich damals die 3-D-Grafik weiter. Erst neun Jahre später sollte ein neuer Westernshooter erscheinen: »Call of Juarez«. Denis Gießler