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Rezensionen

Grit Kalies: Raumzeit

Grit Kalies: Raumzeit

Grit Kalies: Raumzeit. 220 S.

Wer schon an Stephen W. Hawkings »Kurzer Geschichte der Zeit« gescheitert ist, wird vor einem Roman mit dem Titel »Raumzeit« womöglich zurückschrecken. Das wäre schade, denn er fände darin die Erklärung für sein Scheitern. Und versagte sich zugleich eines der unterhaltsamsten Bücher zum Physikerstreit um die Allgemeine und Spezielle Relativitätstheorie. Die Autorin Grit Kalies hat neben Physikalischer Chemie auch Literatur studiert, derzeit lehrt sie als Professorin an der HTW Dresden. Gute Voraussetzungen also, einen Stoff, der sonst eher Blüten in der Science-Fiction-Literatur treibt, in die Gegenwart universitärer Ränke und Eitelkeiten zurückzuholen. Hauptfigur in dieser Komödie der Irrungen ist Richard Weiß, der an einem Vortrag zur Raumzeit arbeitet, mit dem er sich um eine Festanstellung am Institut für Physikgeschichte bewerben will. Das Dumme ist nur, dass Richard die Raumzeit für ein Phantom hält. Er, ein Verfechter der Thermodynamik, hat längst begriffen, dass beide Relativitätstheorien erhebliche Mängel aufweisen, die mit immer absurderen Hilfskonstruktionen übertüncht und deren Kritiker seit über 100 Jahren ins Abseits gestellt werden. Richard empfindet zunehmenden Widerwillen gegen das, was er in wenigen Stunden vortragen soll. Senta zieht alle Register, um ihren Mann davon abzuhalten, in seiner Vorlesung mit dem ganzen Raumzeit-Spuk abzurechnen. Denn sie ist schwanger, und Richards befristete Anstellung steht auf der Kippe. Richards Zorn gipfelt in einer imaginären Gerichtsverhandlung gegen Raumzeit und Relativitätstheorie. Die Raumzeit selbst ist nicht erschienen, doch Kläger und Verteidiger fetzen sich nach Strich und Faden. Als er schließlich vor dem Auditorium steht, ist er fest entschlossen, der ehrfürchtigen Meute seine Wahrheit ins Gesicht zu schleudern. Ob Einstein am Ende nackt dasteht und die ihm folgenden Theorien als Hirngespinste entlarvt werden, mag jeder Leser selbst herausfinden. Thomas Böhme

David Mellem: Die Erfindung des Countdowns

David Mellem: Die Erfindung des Countdowns

David Mellem: Die Erfindung des Countdowns. 288 S.

Für Hermann dreht sich alles um die Rakete. Angesteckt von Jules Verne kennt er schon als Jugendlicher im siebenbürgischen Schäßburg nur ein Ziel: den bemannten Flug zum Mond. Alles andere bleibt Nebensache: die Liebe, Kinder, zwei Weltkriege. David Mellem verfolgt in »Die Erfindung des Countdowns« den Lebensweg des Weltraumvisionärs Hermann Oberth. Nachdem seine Raketenidee als Dissertation nicht angenommen wurde, weil eine Reise zum Mond in der Zwischenkriegszeit noch nicht auf der Agenda stand, biederte er sich bei den Nazis an, um wenigstens eine Raketenwaffe entwickeln zu können. Er glaubt, seine Waffe könne den Krieg beenden, und blendet die katastrophalen Folgen ihrer Nutzung völlig aus – Oberth sieht nur das Entwicklungspotenzial der Maschine. Auch auf die menschlichen Kosten einer solchen Vision fokussiert Mellem. Er zeigt Oberths Frau, die folgt, wohin die Wissenschaft ruft, die eine Familie gründet, immer wieder ein Heim schafft und schließlich ins Zweifeln darüber gerät, für wen sie das alles tut. In ihrem Mann erkennt sie einen Fanatiker, der fruchtlosen Träumen folgt, der sie und seine Kinder nicht wahrnimmt. Eindrücklich stellt Mellem dar, wie es Oberth nur für kürzeste Zeitspannen gelingt, seine Konzentration auf etwas zu richten, das jenseits seiner Forschung liegt. Er versteht seine Mitmenschen oft nicht, weil sie sich nicht mithilfe physikalischer Gesetzmäßigkeiten erschließen lassen. Dass Mellem einen Physiker in den Mittelpunkt seines Romans stellt, kommt nicht von ungefähr. Bevor er am Deutschen Literaturinstitut an seinem Erstling feilte, promovierte er selbst in Physik. In »Die Erfindung des Countdowns« verbindet er beides fachgerecht. Protagonist Oberth beeindruckt als Figur der Technikgeschichte und als tragische Figur des Romans. Nele Thiemann

Bildungsreise – Folge 1: Jana Zehle und Antje Mönnig: Meine Stadt – My City – የእኔ ከተማ / Fitsame Teferra Wold

Bildungsreise – Folge 1: Jana Zehle und Antje Mönnig: Meine Stadt – My City – የእኔ ከተማ / Fitsame Teferra Wold

Bildungsreise – Folge 1: Jana Zehle und Antje Mönnig: Meine Stadt – My City – የእኔ ከተማ / Fitsame Teferra Wold. 50 S.

Addis Abeba bedeutet in Äthiopiens Landessprache Amharisch »Neue Blume«, Leipzig soll, so wird immer wieder behauptet, vom slawischen Wort für »Linden« kommen (was vermutlich nicht stimmt). Neben dieser botanischen Gemeinsamkeit gibt es noch eine: Das Wappentier beider Städte ist der Löwe. Mehr weiß ich nicht, als ich mich auf meine Reise ins literarische Äthiopien mache – was sicherlich kein Zufall ist, sondern Resultat einer kolonialen, weißen und eurozentrischen Perspektive auf die Welt. Die will ich abschütteln, ich will wissen, was mir entgeht. Zu meinem Glück zeugt von der Städteverbundenheit ausgerechnet ein mehrsprachiges inklusives Buch, und zwar für sehende und nicht-sehende, neugierige und auch ehemalige Kinder: In »Meine Stadt – My City – የእኔ ከተማ« von den Leipzigerinnen Jana Zehle und Antje Mönnig führt (genau!) ein Löwe namens Liju durch Leipzig und Addis Abeba, und zwar nach Berichten und mit ertastbaren Bildern von Schülergruppen aus beiden Städten. Im Minibus von Entoto zum Sedest Kilo, in der Bimmel am Uni-Riesen vorbei. Die Kinder, die Lidjotsch, aus Leipzig essen gern Eierkuchen, die Addis-Abeba-Lidjotsch mögen das weiche Fladenbrot Injera. Und alle Lidjotsch mögen Eis! Mit Liju an meiner Seite erspüre ich auch Kleidungsstoffe von hier und dort, taste Stadtumrisse und glitzernde Roboter, während ich der Geschichte auf Amharisch, Deutsch, Englisch und in Braille folge. Da ich die amharische Schrift aus Äthiopien verstehen möchte, werfe ich auch einen Blick in »Mein erstes amharisches Bildwörterbuch«. Mithilfe der lateinischen Lautumschrift lerne ich viele erste Wörter von Körperteilen bis zur Uhrzeit kennen und das komplexe Alphabet. Habte Books, erst in Addis Abeba, jetzt in Berlin, hat sich vor allem diverseren Büchern für Kinder mit Wurzeln in Ländern Afrikas verschrieben – viel zu entdecken gibt es da aber für alle. Beim nächsten Mal führt die Reise dann in einen der sprachgewaltigen Romane der in Addis Abeba geborenen US-amerikanischen Autorin Maaza Mengiste, die 2020 auf der Shortlist für den Man Booker Prize stand. Apropos sprachgewaltig: Birra-birro heißt Schmetterling. Alexandra Ivanova

Kristen Roupenian: Milkwishes

Kristen Roupenian: Milkwishes

Kristen Roupenian: Milkwishes. 80 S.

Ryan, der längst ein erwachsener Mann ist, wird die Bilder seiner Kindheit nicht los. Erinnerungen treffen ihn plötzlich wie Nadelstiche – ihr Gesicht hat er genau vor Augen, das blonde Haar der Freundin schimmerte goldweiß, die Augen waren hellblau und in ihrem Gesicht stach eine Narbe hervor. Doch an ihren richtigen Namen kann sich Ryan nicht erinnern. Weil sie Löwenzahnblätter ständig »Milkwishes« nannte und andere ihr das nachmachten, hieß das Mädchen für alle nur noch Milkwishes. Es ertrank in einem Brunnen. In ihrem Erzählband legt Roupenian erneut Schauergeschichten vor. Schon in ihrem gefeierten Debütband »Cat Person«, dessen Titelstory im Zuge der Metoo-Debatte millionenfach im Netz geteilt wurde, flirtete sie mit dem Horror-Genre und untersuchte Kipppunkte in Beziehungen. Der Schrecken zwischenmenschlicher Beziehungen steht auch in ihrem neuen Erzählband im Fokus. Das schmale Bändchen erzählt vor allem von Familien: Einmal wollen Kinder in einem abstrusen Spiel ihre Eltern dazu bringen, eine Qualle zu essen, ein anderes Mal muss ein Mann mitansehen, wie seine Frau nach dem Tod der gemeinsamen Tochter zusehends den eigenen Wahnvorstellungen verfällt. Und schließlich geht es auch um Ryan, den der Tod der Freundin aus Kindheitstagen verfolgt. Überhaupt spielt der Tod eine große Rolle in den Geschichten. Mal als Kinderstreich, mal als Erlösung, aber immer auch als traumatische Erfahrung. Jede der Erzählungen überzeugt durch einen klaren Stil und einen melancholischen Ton. Kristen Roupenian erzählt von Verlust, aber auch von dunklen Fantasien und Einbildungen. Genau hier liegt die psychologische Präzision der Erzählungen. Denn alle Figuren müssen für sich entscheiden, wie viel Raum sie dem Schrecken und dem Tod in ihren Gedanken einräumen. Tino Dallmann

JJ Bola: Sei kein Mann

JJ Bola: Sei kein Mann

JJ Bola: Sei kein Mann. 176 S.

Lieber Hanser-Verlag, warum verschrecken Sie Ihr Zielpublikum durch schlecht übersetzte Titel? »Sei kein Mann« mit dem noch viel schlimmeren Untertitel »Warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist« garantiert eine Leserschaft, die Ihrer Titelwahl keineswegs widersprechen wird. Warum also weiterblättern? Weil JJ Bola seine Leser einlädt, über ihr geschlechtliches Rollenbild nuancierter, instruktiver und aufschlussreicher nachzudenken, als es dieser Titel vermuten lässt. »Mask Off: Masculinity Redefined«, so das Original, fragt: »Was bedeuten unsere Auffassungen von Männlichkeit und die kulturellen Normen, in die sie eingebettet sind, für Jungs, die in der heutigen Zeit zu Männern heranwachsen?« Der autobiografisch informierte Leitfaden für junge Leser nimmt einen feministischen Blick auf das kulturelle Geschlecht ein und begreift das gegenwärtige Mannsein als defizitär. In Diskussionen über Vergewaltigungskultur, männliche Privilegien und Intersektionalität erkennt Bola, dass für eine echte Veränderung »der Kampf gegen die toxische Männlichkeit Teil einer kollektiven kulturellen und gesellschaftlichen Transformation und Bewusstseinswende sein« muss. Motiviert ist dieses Buch durch eine persönliche Erfahrung kultureller Differenz: Aufgewachsen in einer kongolesischen Gemeinschaft, wird Bola eines Tages für die dort normierte Kultur des Händchenhaltens unter Männern auf offener Straße von Männern für einen Schwulen gehalten. Bola sieht, wo andere das Dogma einer heterosexuellen Norm erkennen, eine Schieflage im Männlichkeitskonstrukt. Der Londoner Jugendarbeiter unterlegt seine Gedanken mit eindringlichen Erfahrungsberichten und persönlichen Schlussfolgerungen. Marcel Hartwig

Marguerite Andersen: Ich, eine schlechte Mutter / Liat Elkayam: Aber die Nacht ist noch jung / Simone Hirth: Das Loch

Marguerite Andersen: Ich, eine schlechte Mutter / Liat Elkayam: Aber die Nacht ist noch jung / Simone Hirth: Das Loch

Marguerite Andersen: Ich, eine schlechte Mutter / Liat Elkayam: Aber die Nacht ist noch jung / Simone Hirth: Das Loch. 191 S.

»›Wir haben alle Schuldgefühle‹, wispert ihr Nachumi ins Ohr, ›ist doch klar. Warum konnte mein Körper das Kind nicht halten? Was hab ich falsch gemacht?‹« Nicht nur Schuldgefühle machen der Protagonistin von Liat Elkayams Roman »Aber die Nacht ist noch jung« zu schaffen, nachdem sie ihr Kind acht Wochen zu früh auf die Welt gebracht hat. Da sind auch die Desinfektionsroutinen der neonatologischen Station, und vor allem ist da der »Wettstreit um die beste und aufopferndste Mutter«. In quälender Ausführlichkeit erzählt Elkayam, was es heißt, in einer fremden Umgebung in die Mutterrolle finden zu müssen. Eine Rolle, für die der gesellschaftliche Diskurs hauptsächlich abwertende Urteile bereithält: Helikoptermutter, Karrierefrau, regretting mother oder MILF, also eine mother I’d like to fuck? Dass all diese Bilder wenig mit der Realität zu tun haben, zeigen glücklicherweise von Jahr zu Jahr mehr Bücher. Im Rückblick, aber fast noch intensiver als Elkayam, erzählt die kanadische Literaturwissenschaftlerin Marguerite Andersen von ihrer Mutterschaft. »Ich, eine schlechte Mutter« heißt ihr Langgedicht, durch das sich ihre Zerrissenheit zwischen der Liebe zu ihren Kindern und dem Wunsch nach beruflicher Selbstverwirklichung zieht, und schon am Titel ist abzulesen, dass auch Marguerite Andersen sich an Stereotypen abarbeitet – und vorsichtig versucht, sich davon zu distanzieren. Diese Distanz herzustellen, gelingt der Protagonistin von Simone Hirths skurrilem Briefroman »Das Loch«. Ihr Kind ist erst wenige Wochen alt, als sie anfängt, wütende Briefe zu schreiben – an Jesus und Madonna, an den österreichischen Bundeskanzler und einen Frosch. Mit jeder Menge Humor sprengt Hirth das aufoktroyierte Rollenmodell und schlägt den damit verbundenen Schuldgefühlen ein Schnippchen. Katharina Bendixen

Nanni Balestrini: Der Verleger

Nanni Balestrini: Der Verleger

Nanni Balestrini: Der Verleger. 152 S.

Ein Mann wird leblos unter einem Strommast in Segrate bei Mailand gefunden. Namenlos und doch bekannt im Italien der siebziger Jahre: Der Verleger. Sein Tod erschüttert die Gesellschaft. Der Roman von Nanni Balestrini basiert auf dem Leben und Sterben des kommunistischen Politikers und linken Aktivisten Giangiacomo Feltrinelli, der als einer der einflussreichsten Verleger der europäischen Nachkriegszeit gilt. 17 Jahre nach dem einschneidenden Ereignis treffen sich vier ehemalige Gefährten des legendären Buchproduzenten – sie wollen einen Film über ihn drehen. Sie erinnern sich, diskutieren – und werden sich einfach nicht einig. Zwei Erzählstränge führen durch die Geschichte. In den ungerade nummerierten Kapiteln finden sich zeitgenössische Dokumente: der Obduktionsbericht, polizeiliche Ermittlungsakten und Artikel zum Tod des Verlegers. Die anderen Kapitel beschreiben die Treffen der Wegbegleiter und den Versuch, ihr Filmprojekt weiterzuentwickeln. In Balestrinis Schreiben spiegelt sich das Lebensgefühl der Zeit: Freiheit und Revolution. Satzzeichen, außer sporadisch eingefügte Fragezeichen, gibt es nicht. Absätze sind scheinbar wahllos gesetzt, schon am Anfang des Buches werden Elemente des Endes vorweggenommen, oberflächliche Schilderungen stehen im Wechsel mit seitenlangen Beschreibungen. Das Buch scheint genauso chaotisch wie die politische Landschaft im Italien der siebziger Jahre. Mit seinem Roman liefert der Autor einen wichtigen Einblick in den Kampf der Linken und die Veränderung ihrer Bewegung nach dem Tod von Feltrinelli. Lea Heilmann

Yval Rubovitch: Mit Sportgeist gegen die Entrechtung

Yval Rubovitch: Mit Sportgeist gegen die Entrechtung

Yval Rubovitch: Mit Sportgeist gegen die Entrechtung. 162 S.

Die Geschichte des jüdischen Sportvereins Bar Kochba in Leipzig beginnt 1919 und endet 1938. Nach einigen Darstellungen seiner Geschichte gibt es nun endlich einen Überblick über jüdischen Sport in Leipzig, in dessen Mittelpunkt Bar Kochba und andere Vereine stehen. Der Historiker Yuval Rubovitch schrieb die Geschichten und Biografien ehemaliger Mitglieder unter Mitarbeit der langjährigen Direktorin des Leipziger Sportmuseums, Gerlinde Rohr, auf. Nach der Gründung des Turnvereins 1919 fand das erste jüdische Sportfest im Januar 1920 in der Kongresshalle am Zoo mit 2.500 Teilnehmern statt. Das Interesse war da und der Wille, die körperliche Betätigung nicht aufs Turnen allein zu beschränken, so kam es 1920 zur Gründung des Jüdischen Turn- und Sportvereins. Nun standen auch Boxen, Leichtathletik, Tennis und Schwimmen auf dem Plan. Anfang 1921 wurde ein Areal im Leipziger Norden an der Dübener Landstraße gekauft. Das Buch zeigt erstmals Fotografien, wie der Sportplatz entstand. Es war der einzige Platz, auf dem Juden nach 1933 Sport treiben oder sich erholen konnten. Nach 1938 ging er ins Eigentum der Stadt über, ein Zwangsarbeiterlager der Leipziger Brotfabrik entstand. Später wurde der Sportplatz von der BSG Aktivist Nord genutzt. Nach der Wende verfiel der Platz und 2016 entsorgte der damalige Besitzer alle Spuren der Vergangenheit. Seit diesem Jahr erinnert eine Stele an die Geschichte des Platzes. Das Buch gibt zudem Einblicke in die aktive Erinnerungsarbeit – zu der unter anderem interkulturelle Jugend-Fußballturniere gehören. Britt Schlehahn

Thomas Böhm und Carsten Pfeiffer (Hg.): Die Wunderkammer der deutschen Sprache

Thomas Böhm und Carsten Pfeiffer (Hg.): Die Wunderkammer der deutschen Sprache

Thomas Böhm und Carsten Pfeiffer (Hg.): Die Wunderkammer der deutschen Sprache. das kulturelle Gedächtnis 2019. 320 S.

Ein langer Untertitel darf gern als Indiz für inhaltslose Übertreibung genommen werden. Das ist bei dieser Sammlung allerdings nicht der Fall, denn die Wunderkammer zwischen zwei Buchdeckeln bildet tatsächlich ein Füllhorn an »Wortschönheiten, Kuriositäten, Alltagspoesie und Episoden« und ist mithin voll von Anlässen für Entdeckungen. Wer erinnert sich noch, dass die Grimmschen Märchen keineswegs immer mit »dann leben sie noch heute« enden? Wer weiß, woher das Eisbein seinen Namen hat, was die Homophonie (»malen und mahlen«) von der Homografie (»Bein-Haltung und Be-Inhaltung«) und diese beiden wiederum von der Polysemie unterscheidet? Wer hat schon einmal Johann Christoph Adelungs erstes Großwörterbuch deutscher Sprache bestaunt, den Anfängen feministischer Sprachkritik nachgeforscht oder sich gefragt, warum der Eidam mittlerweile Schwiegersohn heißt und die Funeralie Beerdigungsfeier? Die kurzweiligen Sprünge durch die Jahrhunderte und Dialekte sind so unsystematisch wie unterhaltsam: Wir erfahren von der Dichterin Sibylla Schwarz und den Stadien kindlichen Spracherwerbs, lernen einige Termini der Buchdrucker (zum Beispiel: »Hose«, »Hochzeit«, »Schweizer Degen«), hören von der Rolle der Hochfahrenheitsmiene in Fontanes Werk, von den Fachsprachen in den Subkulturen der Jäger, Seemänner und Landstreicher sowie von den bescheuertsten Titeln für Groschenromane. Die bis hierhin erfolgte Aufzählung lässt erahnen, dass sich dabei eine gewisse Listenhaftigkeit nicht umgehen lässt. Die wunderschönen Illustrationen und die aufwendige Gestaltung des Bands inklusive Karten, Grafiken, Tabellen und Bildgedichten schafft dies dann aber doch. Und trägt so erheblich zum Vergnügen beim Blättern bei. Franziska Reif

das kulturelle Gedächtnis

Bettina Hesse (Hg.): Die Philosophie des Singens

Bettina Hesse (Hg.): Die Philosophie des Singens

Bettina Hesse (Hg.): Die Philosophie des Singens. 272 S.

Philosophen haben sich, wenn überhaupt, des Themas Singen eher beiläufig angenommen. Erst Nietzsche (»Lerne singen, oh meine Seele«) wähnte im Gesang ein besonderes Ausdrucksmittel. Bettina Hesse, Autorin, Dozentin und außerdem sängerisch in verschiedenen Ensembles aktiv, versucht nun mit 21 Autorinnen, sich einer Philosophie des Singens anzunähern. Das geschieht, aus ganz verschiedenen Blickwinkeln und ein wenig unsystematisch, irgendwo zwischen Stimme und Laut auf der einen und Musik und Kunst auf der anderen Seite. Die Beiträge drehen sich um Aspekte von Stimme, Aufführung, Körperlichkeit und Gesang als Ereignis. Da Stimme die Voraussetzung fürs Singen ist, steht sie oft im Mittelpunkt, die Beiträge assoziieren zum existentialistischen (Ur-)Schrei des Babys, zur emotionalen Kraft von Musik oder zum Geräusch im Allgemeinen, was bisweilen zu weit vom Thema wegführt, etwa zum Summen im Bienenstock. Spannend sind dagegen die Einblicke über die kulturellen Grenzen des Gesangs hinweg, zu ukrainischem Obertongesang etwa, zu Flamenco, Parlando oder: zur Pause. Singen kann außerdem durch seine Performativität oder den Versammlungscharakter einer singenden Gruppe etwas Politisches anhaften – man denke an die singend herbeigeführte Unabhängigkeit von Lettland, Estland und ­Litauen oder den Maidan. Wenn allerdings ein Chor gehorsamst den Anweisungen von vorne folgt – im Dienst einer höheren Sache –, ist das Spiel mit der Doppeldeutigkeit der Wortgruppe die Stimme erheben eher platt als treffend. Ebenfalls platt sind die im Band hin und wieder anzutreffenden esoterischen Tendenzen, bei denen Singen als Brücke zur Selbsterkenntnis dient, wenn das singende Ich sich quasi mit sich selbst verbindet. Oder so. Dabei will sicher niemand das verbindende Element des Gesangs bestreiten, sei es beim heiligen Ritual oder eben im Chor.  Franziska Reif

Thomas Frenzel (Hg.): Breitkopf & Härtel

Thomas Frenzel (Hg.): Breitkopf & Härtel

Thomas Frenzel (Hg.): Breitkopf & Härtel. 504 S.

Zum großen Jubiläum hat sich der älteste Musikverlag der Welt, der heute an seinem Gründungsort Leipzig noch einen Nebensitz hat, einen prachtvollen Bildband selbst zum Geschenk gemacht: »Breitkopf & Härtel – 300 Jahre europäische Musik- und Kulturgeschichte«. Auch wenn der Titel reichlich unbescheiden klingt: Unter anderem mit den Gesamtausgaben der Werke Johann Sebastian Bachs, Händels, Mozarts, Schuberts, die der Verlag seit Mitte des 19. Jahrhunderts herausgibt, hat er sich unauslöschlich in die Musik- und damit auch Kulturgeschichte eingeschrieben. Gerade darum aber hätte es dem Haus gut gestanden, seine Geschichte von unabhängigen Historikern aufarbeiten zu lassen, anstatt sich hemmungslos in Eigenlob zu ergehen. Gewiss, das Verlagsarchiv in Leipzig böte mit mehr als dreihundert Regalmetern ganzen Heerscharen von Buchhistorikern für Jahre Beschäftigung. »Wer soll die Fülle an Material ordnen und wie dabei vorgehen?«, fragen die beiden Verlagschefs zu Anfang ihrer »Begrüßung« – und beantworten die Frage gleich selbst: »Warum in der Ferne (nach einem Autor) suchen, wo das Gute so nah liegt?« So wurde Thomas Frenzel, langjähriger Lektor des Verlags, mit der Chronik betraut. Bei allem Fleiß und aller Sachkenntnis (beides sei Frenzel fraglos zugestanden) konnte dabei natürlich kein seriöses Geschichtswerk herauskommen, sondern (das geben die Herausgeber auch unumwunden zu) bloß ein »Lese- und Bilderbuch«. Und das bringt so manche Fragwürdigkeit mit sich. »Unbedingt«, heißt es weiter in der Einführung, »musste dem Impuls widerstanden werden, sich dem letzten Jahrhundert der Verlagsgeschichte zuungunsten anderer Abschnitte der Historie besonders ausführlich zu widmen: Hier galt es abzuwägen zwischen dem Umstand, dass bisherige Jubiläumsveröffentlichungen die Behandlung jüngstvergangener Firmenereignisse naturgemäß noch nicht leisten konnten, und der Gefahr, die Geschehnisse im ›Dritten Reich‹, in der Nachkriegszeit (…) ungebührlich in den Vordergrund zu rücken«. Nun, jenem gefährlichen Impuls haben die Macher des Bandes wirklich bravourös widerstanden. Auch der »Gefahr«, die Geschehnisse im Dritten Reich »ungebührlich in den Vordergrund zu rücken«, sind sie glücklich entronnen. Es ist nämlich nur sehr knapp und an unauffälliger Stelle davon die Rede. Die Schwierigkeiten, unter Kriegsbedingungen weiterzuarbeiten, die Zerstörung der Verlagsgebäude in der schrecklichen Bombennacht 1943, als das Grafische Viertel und damit die Buchstadt Leipzig in Trümmer sank, finden breite Erwähnung. Dass Verlagsleiter Hellmuth von Hase 1936 dem »Reichskulturwalter« Hans Hinkel nahelegte, die Rechte des traditionsreichen Musikverlags Edition Peters an Breitkopf & Härtel zu übertragen, wird zwar nicht übergangen, zugleich aber dieser infame Versuch einer Übernahme des Konkurrenten nicht gerade an die große Glocke gehängt. Ein weiteres Problem eines solchen »Lese- und Bilderbuchs« besteht darin, dass der Leser in dem ganzen Sammelsurium ziemlich allein gelassen wird. So stößt er beispielsweise auf Seite 368 auf die Einleitung zu einer Neuausgabe von Richard Wagners antisemitischem Aufsatz »Das Judenthum in der Musik« von 1939, in dem das fatale Machwerk als »völkische Bekenntnisschrift und seherische Mahnung und Warnung« bejubelt wird. Es gibt keinerlei Zuordnung oder Kommentierung. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Breitkopf & Härtels Verdienste und Bedeutung bleiben unbestritten; auch verschweigt der Verlag seine Verstrickung im Dritten Reich nicht geradezu. Aber man scheut doch letzten Endes davor zurück, sich der eigenen jüngeren Vergangenheit zu stellen. Das ist bedauerlich. Olaf Schmidt

Tom David Uhlig et al.: Extrem unbrauchbar / Bernard E. Harcourt: Gegenrevolution / Jutta Ditfurth: Haltung und Widerstand

Tom David Uhlig et al.: Extrem unbrauchbar / Bernard E. Harcourt: Gegenrevolution / Jutta Ditfurth: Haltung und Widerstand

Tom David Uhlig et al.: Extrem unbrauchbar / Bernard E. Harcourt: Gegenrevolution / Jutta Ditfurth: Haltung und Widerstand. 2019. 304 S. 19 € / Bernard E. Harcourt: Gegenrevolution – 2019. 304 S.

»Wer noch überleben will, verliere keine Zeit, / Mut zur Tat für Jedermann, dann endet dieser Streit.« Selten waren die Zeiten für Skeptiker bestehender Verhältnisse schlechter bestellt als gegenwärtig. Rund 500 flüchtige Nazis werden mit Haftbefehl gesucht, die nazistische Gewalt bis hin zum Mord nimmt zu. Währenddessen scheint es einem CDU-Politiker gar am Holocaust-Gedenktag legitim, auf den Antisemitismus »vor allem unter Muslimen« hinzuweisen und deutsche Schuld zu relativieren. Und ein paar Randalierer werden vom Ministerpräsidenten höchstselbst zum »Terror von links« etikettiert. Was tun? Hinsehen, aufklären, widerstreiten. Exit Hufeisen: Die unselige Extremismustheorie, die Gleichsetzung von rechts und links, hält sich noch immer in der Öffentlichkeit. Dabei sollte sich herumgesprochen haben, dass die Wissenschaft sie als »extrem unbrauchbar« ablehnt. Da kommt gleichnamiges Buch zur rechten Zeit, auch wenn wenig Neues drinsteht: Die Gleichsetzung verharmlost die Gefahr durch gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Außerdem ist die Grundannahme einer gesellschaftlichen Mitte, die neutral oder politischer Normalmaßstab ist, nicht überzeugend, auch wenn alle davon reden. Das kann man schon lange wissen, weshalb es unverständlich ist, warum ein Vorgängerwerk wie »Ordnung.Macht.Extremismus« des Leipziger Forums für kritische Rechtsextremismusforschung als Referenz fehlt. Wer sich noch nicht mit der Materie auskennt, wird hier jedenfalls bedient. Anleitung zum Bürgerkrieg: »25 Menschen verloren Augen, fünf Hände, Hunderte wurden schwer verletzt. Die meisten Opfer sind Demonstrierende, aber … auch mehr als hundert Journalisten, 46 Minderjährige und 70 Passantinnen, die von einem Schlagstock, einer Granate oder einem Gummigeschoss getroffen wurden.« Die Statistik über die Polizeigewalt gegenüber den Gelbwestenprotesten in Frankreich schockiert (Stand: 12/2019, Quelle: Die Zeit). Sie ist ein weiterer Hinweis darauf, ­wie die Staaten die Militarisierung der Polizei vorantreiben. Auch in Deutschland ist der freundliche Helfer längst nicht mehr das Idealbild, das die Politik vom Cop hat. Den »Kampf der Regierungen gegen die eigenen Bürger« hat Bernard E. Harcourt am Beispiel der USA analysiert. Die Techniken der Aufstandsbekämpfung, die die Kolonialmächte einst gegenüber den Kolonisierten entwickelten, sind zum ­festen Repertoire des Polizeiapparats im Innern geworden. Schwer gepanzerte Kräfte mit ­Maschinengewehren und Panzern etwa ­begleiteten Demonstrationen von »Black Lives Matters«. Harcourt zeichnet die historische Genese verständlich nach, wie diese Logik Teil der Innenpolitik wurde. Es ist das Hauptziel der Aufstandsbekämpfung, eine passive Mehrheit bei der Stange zu halten, indem die kleine Gruppe der Protestierenden in Schach gehalten wird. Harcourt nennt als Grundsätze: »Erlange totale Informiertheit«, »Vernichte die aktive Minderheit« und »Erlange die Gefolgschaft der Gesamtbevölkerung«. Er rät dazu, die Zahl der Unbequemen zu ­vergrößern. »Haltung und Widerstand« empfiehlt ebenfalls Jutta Ditfurth. In ihren hellsichtigen Kapiteln ist zu erfahren, wie die fortschrittliche Seite der Gesellschaft in Deutschland geschwächt wurde, die alte und die vermeintlich neue Rechte wieder erstarkten. Ditfurth bleibt aber hier nicht stehen, sondern zeigt, wie tief völkisches Bewusstsein in der Gesamtbevölkerung wurzelt. Sie nimmt Kritisches bei den Umwelt- und Friedensbewegungen in den Blick, etwa die inhumane Botschaft, die sie in der Agenda bei Gruppen wie Extinction Rebellion sieht: Das grüne Bewusstsein befürwortet Menschenfeindlichkeit und weil es zu viele von uns gäbe, wäre es Zeit für die Selektion. Dem Antizionismus, oft genug Tarnung für Antisemitismus, ist ein Kapitel gewidmet, genauso wie den Motoren, die den deutschen Nationalchauvinismus angetrieben haben und antreiben, etwa die falsche Rede vom »Partypatriotismus«. Man erfährt von der erfahrenen Aktivistin aber auch von historischen Kämpfen – es waren auch Siege darunter –, die ­ermutigen sollen. Letztlich, so Ditfurth, bleibt es bei einem trotzigen Trotzalledem: »Haltung ist kritisches Bewusstsein, Verweigerung des Mitmachens und politische Haltung. Widerstand ist aus politischem Bewusstsein gespeiste Handlung, die Risiken eingeht und der das Kämpfen folgt.«  Tobias Prüwer

2019. 304 S., 19 € / Bernard E. Harcourt: Gegenrevolution –

Mark Sedgwick: Gegen die moderne Welt

Mark Sedgwick: Gegen die moderne Welt

Mark Sedgwick: Gegen die moderne Welt. 600 S.

»Die Welt zerfällt / Die Mitte hält nicht mehr; / Und losgelassen nackte Anarchie«: Die Worte William Blakes bringen die Angst zum Ausdruck, die hinter der Antimoderne steckt. Der Westen geht unter, weil spirituelle Werte seit der Renaissance verschwinden. Erneuerung oder Tod: Das ist die Botschaft des sogenannten Traditionalismus, der sich als rotes Band der Geistesverwandtschaft von Ralph Waldo Emerson über Aldous Huxley zu T. S. Eliot und Prinz Charles zieht. Da ist es verrückt, dass die Öffentlichkeit so wenig von dieser Weltanschauung weiß. Das liegt an ihren obskuren Hauptakteuren und verschlungenen Pfaden. Der britische Historiker Mark Sedgwick geht allen Verästelungen nach, die sich seit Erfindung des Traditionalismus vor gut hundert Jahren ausbildeten. Begründer der Idee ist René Guénon (1886–1951), der seine spirituellen Gedankengebilde aus Glaubenslehren des Nahen und Fernen Ostens sowie der indigenen Bevölkerung Nordamerikas zusammenstoppelt. Er erreicht eine große Leser- und Schülerzahl. Wir landen bei Religionswissenschaftler Mircea Eliade, der sein Fach damit vergiftete. Weiterhin beim bis heute in rechten Esoterikkreisen verehrten Faschisten Julius Evola und dem Neo-Eurasianismus eines Alexander Dugin, der auch in Deutschland seine rechten Fans hat. An der Gründlichkeit der Aufzählung leidet die Übersichtlichkeit. Zusammenfassungen und thesenhafte Zuspitzungen wären hilfreich gewesen. Der politisch interessierte Leser hätte sich mehr Bezugnahmen in die Gegenwart gewünscht. Nein, das Buch ist keine »geheime Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts«, als die es der Untertitel darstellt. Doch erhellend ist allemal, wie Mark Sedgwick die Ecken des Traditionalismus ausleuchtet. Das macht es zu einem Werkzeug fürs Verständnis des antimodernen Denkens im 20. Jahrhundert. Tobias Prüwer

Mischa Meier: Geschichte der Völkerwanderung

Mischa Meier: Geschichte der Völkerwanderung

Mischa Meier: Geschichte der Völkerwanderung. 532 S.

So gut wie alles an der »Völkerwanderung« ist dunkel oder rätselhaft. Das fängt bei der Bezeichnung selbst an: Waren die Goten, Vandalen, Burgunder und all die anderen (meist) germanischen Gruppen, die am Ende des 4.  Jahrhunderts nach Christus die Grenzen des Römischen Reiches überschritten, tatsächlich »Völker« oder, wie die Historiker heute eher annehmen, Kriegerverbände mit einem Tross im Schlepptau, zu dem auch Frauen und Kinder gehörten? Jedenfalls waren diese Gruppen alles andere als ethnisch homogen. Schon gar nicht gab es so etwas wie eine »germanische« Identität; selbst zwischen »Römern« und »Barbaren« lässt sich bei genauerer Betrachtung der Quellen nicht ohne Weiteres unterscheiden. Schier endlos ließen sich all die Fragen, Probleme und konkurrierenden Forschungsansätze referieren, die der Tübinger Althistoriker Mischa Meier in seiner »Geschichte der Völkerwanderung« schildert, einem Buch, das mit Fug und Recht und in jeder Hinsicht als Opus Magnum bezeichnet werden darf. Allein der Mut, eine solche Darstellung in Angriff zu nehmen, nötigt dem Leser, ob nun vom Fach oder wissenschaftlicher Laie, Respekt ab. Wer sich daranmacht, eine Geschichte der Völkerwanderung zu schreiben, sieht sich mit einem Dilemma konfrontiert, das Meier klar benennt: »Wer sich auf die Komplexität des Gegenstandes einlassen möchte, erkauft dies mit dem Verlust der großen Erzählung.« Meier kann nicht mehr, wie weiland Leopold Ranke, erzählen, »wie es eigentlich gewesen ist«. Er muss die Quellen kritisch unter die Lupe nehmen, dem Leser nachvollziehbar unterschiedliche, nicht selten sich einander radikal widersprechende Forschungsmeinungen und Theorien vorstellen und sich selbst dazu positionieren. Gleichzeitig gilt es, eine äußerst verwickelte Geschichte zu erzählen, die gleichzeitig an vielen Orten, in Britannien, Gallien, Nordafrika, dem Kaukasus, in Persien, ja bis hin nach China, spielt, mit unzähligen Protagonisten, die uns oft genug nur schattenhaft entgegentreten, weil wir so gut wie nichts über sie wissen. Manches – die Intrigen am weströmischen Kaiserhof, die theologischen Spitzfindigkeiten, die sich auf die oströmische Innenpolitik auswirkten, oder die nicht enden wollenden Kriege des Imperiums gegen das persische Sassanidenreich – ist verwirrend bis zum Überdruss. Doch Meier ist entschlossen, »den Hoheitsanspruch über die Darstellung nicht aufzugeben«. Und wider alle Wahrscheinlichkeit gelingt ihm das! Zum einen durch eine sehr geschickt organisierte Gliederung, zum anderen durch ein bemerkenswertes Erzähltalent. Der Preis dafür ist ein enormer Umfang der Darstellung. Aber es ist ein Preis, den wir Leser gern bezahlen. Denn wann, um mit Thomas Mann zu sprechen, »wäre je die Kurz- oder Langweiligkeit einer Geschichte abhängig gewesen von dem Raum und der Zeit, die sie in Anspruch nahm«? Gleichwohl verlangt ein solches Buch dem Leser natürlich einiges ab. Aber Meier schafft es immer wieder, uns bei der Stange zu halten. Mit seiner »Geschichte der Völkerwanderung« ist ihm etwas Erstaunliches gelungen: Ein wissenschaftliches Standardwerk, das sicherlich für viele Jahre Gültigkeit beanspruchen kann, und zugleich ein literarischer Wurf, der eine der dunkelsten und kompliziertesten Epochen als großes Leseabenteuer präsentiert. Zu einem taugt Meiers Darstellung indes nicht: Die antike Völkerwanderung lässt sich nicht mit der aktuellen »Flüchtlingskrise« vergleichen. Derartige Analogien führten, wie Meier unmissverständlich schreibt, nur dazu, »Geschichtswissenschaft zur Legitimationskrücke für Argumente aus den politischen Rändern zu degradieren«. Das mindert aber nicht den ungeheuren Erkenntnisgewinn, den uns diese große, grundgelehrte, oft mitreißende Erzählung schenkt. Olaf Schmidt

Eike Geisel: Die Gleichschaltung der Erinnerung – Kommentare zur Zeit / Samuel Salzborn: Kollektive Unschuld – Die Abwehr d

Eike Geisel: Die Gleichschaltung der Erinnerung – Kommentare zur Zeit / Samuel Salzborn: Kollektive Unschuld – Die Abwehr d

Eike Geisel: Die Gleichschaltung der Erinnerung – Kommentare zur Zeit / Samuel Salzborn: Kollektive Unschuld – Die Abwehr d. 488 S.

»Wir haben aus der Geschichte gelernt«: Diese Position kaschiert oft genug antisemitische Vorstellungen. Das hat der 1997 verstorbene Publizist Eike Geisel zeitlebens scharf kritisiert. Das konnte man im Band »Die Wiedergutwerdung der Deutschen« nachlesen. Ein zweiter Band mit weiteren Zeitkommentaren und historischen Arbeiten ergänzt diese aktuell bleibende Kritik. Geisel zeigt Antisemitismus in der Linken auf und beschreibt, wie die Ehrenrettung der deutschen Vergangenheit schon zwanzig Jahre nach der Befreiung begann. Wie Geschichtspolitik gemacht wird, kann man in der wie gewöhnlich schonungslosen Sprache und klaren Argumentation des Autors nachvollziehen. Besonders für jüngere Generationen ist hier ein Schatz enthalten, aus dem zu erfahren ist, wie Deutschland wurde, was es ist. Die Deutschen klopfen sich gern auf die Schultern, ihre Schuld an Weltkrieg und Massenvernichtung weltmeisterlich bewältigt zu haben. Dass es damit so weit nicht her ist, legt der Historiker Samuel Salzborn – leider nicht immer sprachlich elegant – nahe. Vielmehr habe die deutsche Vergangenheitsbewältigung im Kern immer aus einem Opfermythos bestanden. Die Täterschaft wurde nur auf zweiter Ebene behandelt oder eben geleugnet. So gehört die These der von Hitler verführten Deutschen zur Gründungslegende der Bundes­republik. Und das zieht sich bis in die Gegenwart. So behaupten fast 70 Prozent der Deutschen, dass ihre Vorfahren im Nationalsozialismus nicht unter den Tätern waren, 36 Prozent wähnen sie unter den NS-Opfern. Und fast 30 Prozent behaupten, ihre Vorfahren hätten Opfern potenziell geholfen – in Wahrheit waren es 0,3 Prozent. Solche Geschichten halten Familien zusammen, finden sich aber auch auf der Ebene ­größerer Kollektive. Von bewussten Verdrehungen und Verleugnungen ganz abgesehen. Diesen aktiven Revisionismus-Versuchen kann man aber nur widerstehen, wenn man auch die eigene Familiengeschichte reflektiert: » … dass die eigenen Eltern oder Großeltern Teil der antisemitischen Vernichtungspraxis waren, dass sie konkret die TäterInnen waren, von denen man im Geschichtsunterricht abstrakt gehört hatte«. Tobias Prüwer

Marko Martin: Dissidentisches Denken – Reisen zu den Zeugen eines Zeitalters

Marko Martin: Dissidentisches Denken – Reisen zu den Zeugen eines Zeitalters

Marko Martin: Dissidentisches Denken – Reisen zu den Zeugen eines Zeitalters. 540 S.

Opposition: In Demokratien ist das ein harmloses Wort, das in den Parlamenten jene Parteien meint, die gerade nicht die Regierung bilden. Außerparlamentarische Oppositionen können über den Druck von der Straße oder NGOs versuchen, ihre Interessen zur Geltung zu bringen. In Diktaturen ist eine oppositionelle Haltung existenzgefährdend. Marko Martin hat Menschen getroffen, die sich durch »dissidentisches Denken« auszeichnen. Skepsis eint die Porträtierten, eine Skepsis gegen vorgefertigte Meinungen und Ideologien. Sie alle entstammen Gesellschaften mit dem vermeintlich höheren Anspruch, also jenen des Ostblocks. Manche teilten anfangs Aufbruchsgefühl oder die Idee des besseren Systems, bis sie erkannten, wie es um die Wahrheit bestellt war. In seinen Texten – stets hat er sich mit den Dissidenten getroffen – charakterisiert Martin besonders das Denken und das Leben mit Haltung seiner Protagonisten, unter denen sich Jürgen Fuchs, Raissa Orlowa-Kopelew, Milan Kundera, Arthur Koestler und Horst Bienek befinden. Ihr Mut, nicht klein beizugeben, Druck und Verfolgung, Veröffentlichungs- oder Berufsverbote, Gefängnis oder Ausweisung hinzunehmen, nötigt Bewunderung ab. Sie haben es sich und anderen nicht leicht gemacht, weil sie einer Überzeugung folgten und folgen. Das ist beeindruckend – gerade auch in einer Gegenwart, von der viele behaupten, sie sei eine DDR 2.0 und man könne nicht sagen, was man denke. Im Spiegel dieser dissidenten Schicksale zeigt sich, wie unrecht die haben, die sich heute in der Diktatur wähnen. In seinem persönlichen Vorwort sucht der Autor nach Verbindungen, knüpft ein »Geflecht«  zwischen den Dissidenten. Denn auch das ist zu erfahren: Viele kennen sich, haben sich gegenseitig unterstützt. Und diese Erfahrung der Solidarität ist bei aller Opposition wichtig. »Allein machen sie dich ein.«  Tobias Prüwer

Patrick Bauer: Der Traum ist aus

Patrick Bauer: Der Traum ist aus

Patrick Bauer: Der Traum ist aus. 365 S.

Das Cover von »Der Traum ist aus« richtet den Blick auf eine Menschenmasse zur Demo am 4. November 1989 in Ostberlin – der ersten genehmigten nichtstaatlichen Demonstration in der DDR – und es deutet an, dass viele Geschichten diesen Tag ausmachen. Der 1983 in Westberlin geborene Journalist Patrick Bauer nähert sich in seinem Buch der Demonstration und ihren Auswirkungen, indem er offizielle Meldungen mit sehr privaten Geschichten der Redner und Rednerinnen verbindet. Auf und hinter den Bühnen Berlins organisierten Arbeitende damals die Demonstration für das Recht auf Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit. Zur Kundgebung auf dem Alexanderplatz trat ein buntes Ensemble auf: Gerhard Schöne sang, Thomas Heise filmte – es sprachen unter anderem Ulrich Mühe, ­Gregor Gysi, Günter Schabowski, Stefan Heym, Christa Wolf, Annekathrin Bürger, ­Lothar Bisky, Heiner Müller, Christoph Hein, Steffie Spira. Sie alle stellt Bauer im Prolog vor und lässt sie die Zeit vor und nach dem ­4. November erleben. Jedem Tag steht eine offizielle Nachrichtenmeldung voran – es beginnt Anfang Oktober mit den Straßenschlachten in Dresden, als die Züge durch den Hauptbahnhof von Prag in die BRD rollten. Die Demonstration selbst schildert Bauer im zweiten Teil des Buches – da geht es um die Reden, aber auch um Beschreibungen, wer wie zur Kundgebung kam. Das »Danach«, das bis in die Gegenwart dauert, erzählt die Geschichten und die Auswirkungen der Demo: Reisefreiheit, Volkskammerwahl, Wiedervereinigung oder mit den Worten der Schauspielerin Jutta ­Wachowiak gesprochen: »Im einen Moment ­lagen sich alle noch in den Armen, im nächsten gingen sich alle aus dem Weg.« Die Stärke des Buches liegt in den persönlichen Einblicken in diese doch sehr weltbewegenden Zeiten.  Britt Schlehahn

David Rousset: Das KZ-Universum

David Rousset: Das KZ-Universum

David Rousset: Das KZ-Universum. im Suhrkamp Verlag 2020. 141 S.

Der politische Aktivist David Rousset, der durch Deutschland gereist war und für die Amerikaner aus Nazideutschland berichtet hatte, wurde 1943 inhaftiert und lieferte mit seinem ersten Buch »Das KZ-Universum« nach seiner Befreiung 1945 Einblicke in das Innere der Lager-Maschinerie. Analytisch wie literarisch ist Roussets essayistisches Werk bemerkenswert, bewahrt er sich doch das Vermögen kultureller Querverweise in die Welt außerhalb der Lager und schafft somit einen Zugang jenseits der bewachten Tore, durch den wir dank der deutschen Übersetzung nun Eintritt finden in die intellektuelle Zeugenschaft des Terrors. Er porträtiert mehrere Lager, versucht, sie in Beziehung zu setzen, arbeitet Unterschiede heraus. Der Schreckensbegriff Konzentrationslager differenziert sich hier zu einem Panorama individueller Höllen aus. Der Schrecken der Bürokratie wird besonders deutlich, wenn Rousset die Funktionen der Organe und ihrer Angestellten erklärt. Einerseits, weil fast jeder Absatz damit endet, dass es wichtig ist, in der jeweiligen Abteilung einen Verbündeten zu haben, weil es über Leben und Tod entscheiden kann. Andererseits, weil in den übrigen Kapiteln eines besonders deutlich hervorgehoben wird: Im Lager »herrschte totale Anarchie«, in der jedes Handeln oder Nichthandeln den Tod bedeuten konnte. Rousset beschreibt skurrile Szenen: Wie eine Prostituierte mit einem Häftling aus der Lagerleitung zwischen den Blocks entlanggeht; ein »SS-Hund, ein Rassetier voll natürlicher Würde, beschnüffelt« derweil die Gefangenen und am Waldrand tapst ein Zirkusbär in seinem Zwinger herum und »ist traurig«. Einmal kommt heraus, dass das Fleisch für die Häftlinge an die Bevölkerung verkauft wurde, das Fleisch, das man den Häftlingen vorsetzte, stammte von den Toten. Das »Gift strömt aus den Trümmern noch hervor«, endet Rousset. Doch er zieht auch eine weitere Bilanz: Dass die Lagererfahrung ein »ausgezeichnetes Rüstzeug« liefert, um die Entstehung eines neuen KZ-Universums zu verhindern. Linn Penelope Micklitz

im Suhrkamp Verlag

Ginette Kolinka: Rückkehr nach Birkenau

Ginette Kolinka: Rückkehr nach Birkenau

Ginette Kolinka: Rückkehr nach Birkenau. 125 S.

»Wenn ich einmal ein Kind habe und das alles wieder von vorne losgeht, ­werde ich es eigenhändig erwürgen«, schreibt Ginette Kolinka in ihren Erinnerungen an die Zeit in Auschwitz-Birkenau. Heute ist sie 94 Jahre alt – noch arbeitet sie mit Schulklassen an ­ihren Erlebnissen und kehrt wieder und wieder zurück an diesen Ort. Die Überlebenden der Schoah werden weniger, Zweitzeugen nehmen ihren Platz ein, um die Erinnerungen wachzuhalten. Auch ­Büchern wie »Rückkehr nach Birkenau« gelingt es, die Erlebnisse zu konservieren. Es sind sensible Dokumente, die beim Lesen schmerzen. Und es ist ein notwendiger Schmerz. Das Trauma und die Sprache vertragen sich nicht. Es ist schwer, die Verbrechen der Nationalsozialisten in Worte zu fassen. ­Kolinka zeigt in ihrem Buch, wie brutal die Worte eines Alltags am Leben in den Arbeits- und Konzentrationslagern vorbeigleiten. Scheinbar passen sie, bezeichnen das, was bezeichnet werden soll. Doch es gibt da diese Ungenauigkeit, die ­Sprache liegt nicht deckungsgleich über den ­Dingen. Der »Schwarzmarkt«, der Schlamm hinter einer abgelegenen Baracke, in dem die Gefangenen stehen und ein Stück Brot gegen einen Bindfaden eintauschen, bevor sie zurück an die Arbeit müssen. Die »Arbeit«: Steine schleppen, dabei fast zu Tode geprügelt werden oder an der Anstrengung sterben. Am Leib nichts als lose vernähten Stoff, »Kleidung«, die man nie auszieht, damit sie nicht geklaut wird. Am Morgen »Kaffee«: Braunes Wasser, von dem man aber nicht weiß, was daran Kaffee sein soll. Auch die »Suppe« gleicht mehr dem ­Spülwasser, das nach einer Mahlzeit zurückbleibt. Wenn darin mal ein Stück Kartoffel schwimmt, dann greift jemand in deine Schale und nimmt es heraus. »Kartoffeln« sind nicht mehr als die Reste der ausgekochten Schalen. 26 Kilo wiegt die 20-Jährige bei ihrer Heimkehr nach Paris. Drei Jahre dauert es, bis sich der Körper erholt hat. Nachts sitzt die junge Frau in der Küche ihrer Mutter und isst heimlich von den weggeworfenen Essensresten der Familie. Ein Bild, das man nicht mehr loswird. Die Begriffe gleiten beim Lesen langsam von der Lager-Realität ab, der Kolinka monatelang ausgesetzt war, legen das Trauma frei. Und wenn nicht mal mehr eine Kartoffel eine Kartoffel ist, aber auch nichts anderes, brauchen wir Bücher wie diese, denn »niemand, wirklich niemand, kann sich die Wahrheit vorstellen«.  Linn Penelope Micklitz

Pavel Polian (Hg.): Briefe aus der Hölle / Daan Heerma van Voss: Eine verspätete Reise

Pavel Polian (Hg.): Briefe aus der Hölle / Daan Heerma van Voss: Eine verspätete Reise

Pavel Polian (Hg.): Briefe aus der Hölle / Daan Heerma van Voss: Eine verspätete Reise. 632 S.

Der Autor Daan Heerma van Voss schlägt seinem Namensvetter und Freund Daan de Jong 2001 vor, mit ihm nach Auschwitz zu reisen, um dessen Familie zu gedenken. Die Reise wird nie so stattfinden, denn de Jong verstirbt und van Voss macht sich ein Jahr später ohne ihn auf den Weg. In seiner Reportage beschreibt der junge Schriftsteller nicht nur diese Fahrt und das Leben des Freundes, er denkt auch nach über Auschwitz als Touristenattraktion und fragt sich, wie Gedenken heute funktionieren kann. »Das Bedürfnis, originell zu sein, ist in Auschwitz eine Form von Größenwahnsinn.« Ergänzt wird der darum schmale und stille Band durch van Voss’ Rede vom 4. Mai 2018 in Amsterdam anlässlich der Gedenkfeier für die Toten des Zweiten Weltkriegs. Damit liefert er einen wichtigen Beitrag zur Frage der Erinnerung angesichts des Fortschreitens der Zeit und des Vergessens, denn »Geschichte braucht ein Gesicht, (…) eine Stimme, sonst bleibt sie unbegreiflich und abstrakt. Und etwas Abstraktem kann man nicht gedenken.« Die Gesichter der Geschichte verschwinden mit den letzten Zeitzeugen. Aber ihre Stimmen bleiben. So zum Beispiel in dem 2019 erschienenen Band des Historikers Pavel Polian, der die neun erhaltenen Aufzeichnungen des jüdischen Sonderkommandos in deutscher Übersetzung versammelt und kommentiert herausgegeben hat. Ergänzt werden die Berichte durch russische Militärdokumente über die Befreiung von Auschwitz und die Aussagen überlebender Angehöriger der Häftlinge, die gezwungen wurden, bei den Massenmorden mitzuhelfen. Jeder der Texte ist anders verstörend, anders ergreifend. Die detaillierten Recherchen zum Leben der Männer »davor« helfen, sie wieder Mensch werden zu lassen, unterstreichen das Bestreben der Verschriftlichung: »Damit mein verdammtes Leben einen Sinn und meine Tage in der Hölle, mein hoffnungsloses Morgen ein Ziel in der Zukunft erhält. (…) Dich aber, du unbekannter freier Weltbürger, bitte ich: Weine um meine Angehörigen«. Mit dieser Bitte sind wir alle angesprochen. Linn Penelope Micklitz