Revolution macht Spaß. Man darf Panzerfahren und Fallschirm springen, Nazis um die Ecke bringen und »Bella Ciao« singen. Und das Regime hat es ja auch verdient: Auf der fiktiven Karibikinsel Yara hat Antón Castillo, superböse gespielt von Giancarlo Esposito, eine faschistische Diktatur errichtet, mit Ausgangssperren, willkürlichen Polizeikontrollen, Zwangsarbeit, Folter und Mord. Er ist ein Scheusal, daran lässt die Inszenierung von »Far Cry 6« keinen Zweifel. Über 2.000 Tote in knapp 90 Stunden Spielzeit gehen allerdings auch auf mein Konto. Ich bin heimlich in militärische Außenposten eingedrungen und habe die arglosen Soldaten einen nach dem anderen ausgeschaltet, ich habe Straßensperren in die Luft gejagt und Offiziere gezielt mit dem Scharfschützengewehr erledigt. Streng genommen bin ich auch ein Scheusal: Im Gegensatz zu Castillo hatte ich nämlich Spaß dabei. Denn obwohl »Far Cry 6« sich alle Mühe gibt, eine bitterernste, teils hochpolitische Geschichte zu erzählen, ist es ein verdammt unterhaltsames Spiel.
Diese Diskrepanz wird gleich in der ersten halben Stunde deutlich. Ein packendes Intro liefert einen guten Grund, El Presidente und das Regime zu hassen. Doch gleich darauf trifft man seinen ersten »Amigo« Guapo, ein Krokodil im Polo-Shirt, das Gegnern die Gliedmaßen abbeißt. Um das Gameplay narrativ zu rechtfertigen, führt »Far Cry 6« die Figur des Juan Cortez ein, einen versoffenen, zynischen Guerillero, Ex-CIA, Ex-KGB. Mit ihm baut man die verrücktesten Waffen und seine Regeln geben die Richtung vor, in die alles geht. Regel 11 etwa besagt, dass eine Guerillera
mit allem, was ihr zur Verfügung steht, möglichst viel Chaos anrichten muss. Und Regel 9 lautet: »Verwende immer das richtige Werkzeug für den Job.« Tatsächlich gibt es Unmengen von Ausrüstung und es ergibt auch Sinn, je nach Situation zu variieren, während man Yara erkundet – wie immer aus der Ego-Perspektive und mit allen möglichen Fahr- und Flugzeugen. (...) Alexander Praxl